Studien und Forschungen
437
REMBRANDT: Potiphars Weib verklagt Joseph
(Mit Genehmigung des Hofkunsthändlers Oncken) □
nicht nebensächlich genug, und die Hand-
bewegung des Fauns ist zu sprechend, als daß
man hieran achtlos vorübergehen könnte. Wohl
ist Rembrandt kein Hogarth, und man würde
dem menschlichen Gehalt seiner Kunst Unrecht
tun, wenn man über die verborgenen Geheim-
nisse seiner Gegenstände Bücher schriebe. Aber
daß er hier einmal im Beiwerk seine Dar-
stellung noch glossiert und symbolisch erweitert
hat, das ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Es gibt eine Analogie zu solchem Vorgehen —
die bekannte Petersburger „Danae", die, nach
Bode und Neumann, mit größerer Wahrschein-
lichkeit Sara sein soll, Raguels Tochter, wie
sie im Brautgemach Tobias erwartet. Hier
findet sich auch ein plastischer Schmuck am
Himmelbett, ein gefesselter broncener Putto, der
seine gegenständliche Bedeutung haben muß.
Er ist als jener böse Geist aufzufassen, der
vorher ein Fluch für das Bett der Sara war und
nun durch den guten Engel des Tobias gebannt
wurde (Buch Tobias, Kap. 8, Vers 3). Dieser
weinende Putto ist sicher keine bedeutungslos
dekorative Zutat, dazu ist seine Situation, die
Fesselung und das Weinen, allzu prägnant.
Vielleicht hat Rembrandt dieser Szene, die an
sich etwas allgemein gehalten ist — eine nackte
Frau, die den Geliebten erwartet —, durch die
Zutat einen Titel geben und ihre Deutung
einwandfrei machen wollen, wobei er auf die
Bibelfestigkeit seiner Zeitgenossen redinen
durfte. Wenn es so ist — und ich glaube, man
kann dies füglich nicht bestreiten —, so darf
man annehmen, daß auf unserer Zeichnung der
Faun und die nackte Frau auch zur Erklärung
der Szene rnithelfen, indem sie das Vorauf-
gegangene leicht andeuten. Daß dem Künstler
die Illustration der Bibelstelle, diese Verklagung
an sich, nicht eindeutig genug war, hat er später
selber dokumentiert, indem er aus ihr eine vom
Text abweichende Darstellung geschaffen hat —
eben jenes schöne Berliner Bild.1)
Wann die Oldenburger Zeichnung entstanden
ist, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich
möchte sie ihrem Stil nach seiner mittleren Zeit
zuweisen, also etwa zwischen dem Ausgang
der dreißiger und dem der vierziger Jahre an-
setzen. Sie ist sehr schön und in der Auf-
9 Und die Petersburger Replik.
437
REMBRANDT: Potiphars Weib verklagt Joseph
(Mit Genehmigung des Hofkunsthändlers Oncken) □
nicht nebensächlich genug, und die Hand-
bewegung des Fauns ist zu sprechend, als daß
man hieran achtlos vorübergehen könnte. Wohl
ist Rembrandt kein Hogarth, und man würde
dem menschlichen Gehalt seiner Kunst Unrecht
tun, wenn man über die verborgenen Geheim-
nisse seiner Gegenstände Bücher schriebe. Aber
daß er hier einmal im Beiwerk seine Dar-
stellung noch glossiert und symbolisch erweitert
hat, das ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Es gibt eine Analogie zu solchem Vorgehen —
die bekannte Petersburger „Danae", die, nach
Bode und Neumann, mit größerer Wahrschein-
lichkeit Sara sein soll, Raguels Tochter, wie
sie im Brautgemach Tobias erwartet. Hier
findet sich auch ein plastischer Schmuck am
Himmelbett, ein gefesselter broncener Putto, der
seine gegenständliche Bedeutung haben muß.
Er ist als jener böse Geist aufzufassen, der
vorher ein Fluch für das Bett der Sara war und
nun durch den guten Engel des Tobias gebannt
wurde (Buch Tobias, Kap. 8, Vers 3). Dieser
weinende Putto ist sicher keine bedeutungslos
dekorative Zutat, dazu ist seine Situation, die
Fesselung und das Weinen, allzu prägnant.
Vielleicht hat Rembrandt dieser Szene, die an
sich etwas allgemein gehalten ist — eine nackte
Frau, die den Geliebten erwartet —, durch die
Zutat einen Titel geben und ihre Deutung
einwandfrei machen wollen, wobei er auf die
Bibelfestigkeit seiner Zeitgenossen redinen
durfte. Wenn es so ist — und ich glaube, man
kann dies füglich nicht bestreiten —, so darf
man annehmen, daß auf unserer Zeichnung der
Faun und die nackte Frau auch zur Erklärung
der Szene rnithelfen, indem sie das Vorauf-
gegangene leicht andeuten. Daß dem Künstler
die Illustration der Bibelstelle, diese Verklagung
an sich, nicht eindeutig genug war, hat er später
selber dokumentiert, indem er aus ihr eine vom
Text abweichende Darstellung geschaffen hat —
eben jenes schöne Berliner Bild.1)
Wann die Oldenburger Zeichnung entstanden
ist, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich
möchte sie ihrem Stil nach seiner mittleren Zeit
zuweisen, also etwa zwischen dem Ausgang
der dreißiger und dem der vierziger Jahre an-
setzen. Sie ist sehr schön und in der Auf-
9 Und die Petersburger Replik.