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Monatshefte für Kunstwissenschaft
von B. mit einem erstaunlich reichen Oeuvre
begabt wurde. Diese beiden männlichen Por-
träts sind nun voneinander grundverschieden,
und keines von beiden zeigt m. E. eine nähere
Verwandtschaft mit Giulio Campi. Soll man
solch ein Verfahren Wissenschaft nennen? Un-
sere Aufgabe wäre, zu differenzieren, zu klären,
zu präzisieren, um so die unerläßliche Vorarbeit
für allgemeinere, historische Erkenntnisse zu
leisten. B. hat die Forscher auf unbeachtetes
Material aufmerksam gemacht, ich erwähne
diesen positiven Punkt noch einmal, dafür
wollen wir ihm danken; sofern er aber durch
vage Sensationen und dilettantische Spielereien
die klare wissenschaftliche Erkenntnis trübt,
lehnen wir ihn durchaus ab. Schließt er doch
seine Ausführungen mit dem Versuche, durch
Philosophastereien die Inferiorität der Barock-
kunst als höhere Notwendigkeit zu beweisen,
wobei er sich allerdings seine artige Aufgabe
wesentlich dadurch erleichtert, daß er Michel-
angelo und Correggio noch völlig zur Renais-
sance zählt, Tintoretto und Cambiaso aber
überhaupt nicht erwähnt. Die von verschiedenen
Seiten her unternommenen Versuche einer klaren
Formulierung des Wesens der Barockkunst wer-
den einerseits ein genaues Studium ihrer Einzel-
heiten zur Folge haben, anderseits dazu führen,
klare wissenschaftliche Erkenntnis und zufällig
gerade herrschende Geschmacksrichtung von-
einander säuberlich zu scheiden. Glauben wir,
daß derartigen klaren Erkenntnissen die Zukunft
gehören werde, so können wir auch diesem
Schlußessay des Berensonschen Buches keine
besondere Bedeutung beimessen, wie wir ge-
stehen müssen, daß unsere Kenntnis der lom-
bardischen Kunst durch ihn weder vertieft noch
geklärt worden ist.
g
R. STIASSNY ZUM THEMA DES
DONAUSTILES
Eine notgedrungene Selbstwehr.1)
Von Hermann Voss.
Trotz der Verkappung, in die R. Stiassny
seine Ausführungen über die „Donaumalerei" zu
kleiden für richtig befunden hat, trotz dem
Datum ihrer Entstehung geben sie sich doch
jedem sogleich als Fortführung einer bereits an
anderer Stelle eröffneten Polemik gegen meine
Person zu erkennen.
Nicht gegen die Sache, wie St. vorgibt. Was
er dartun will, ist allem Anschein nach, daß
9 Zu dem Aufsatz von Robert Stiassny in dem gleichen
Hefte dieser Zeitschrift.
nicht ich, sondern er allein befähigt war, „die
eigentlichen Probleme des Donaustils" zu lösen.
— Mit welchem Rechte, wird sich zeigen. —
Sein wirkungsvollstes Kampfmittel ist das fol-
gende: er stellt es so hin, als seien die neuen
Resultate meines Buches, deren Richtigkeit er
nicht leugnet, ja gar nicht mein Eigentum, son-
dern übernommen von anderen Forschern —
nein: sagen wir ehrlich, anderen Forschern rück-
sichtslos vorweggenommen. („Nach dem Grund-
sätze der Arbeitsteilung.")
Es handelt sich vor allem um das erstmals
von mir zusammengestellte und genau analy-
sierte Werk des Malers Wolf Huber. Bereits
im Sommer 1905 machte ich in Wien die Be-
stimmung der beiden vielverkannten Bilder in
der k. Galerie auf Huber, und schon damals
teilte ich meine Ansicht mündlich mehreren
Wiener Forschern mit. Da ich nicht unbe-
dingten Anklang fand, beschloß ich meine Zu-
weisung näher zu begründen, was im ersten
Teil meines Buches geschah. Ein halbes Jahr
nach dessen Erscheinen wurde eine Dissertation
über Huber veröffentlicht, die ebenfalls die Be-
stimmung auf den Passauer Meister brachte,
aber nach einer privaten Mitteilung Friedländers,
der unabhängig von mir auf die Zuschreibung
gekommen war, ohne sie jedoch damals oder
später öffentlich bekannt zu geben oder näher
zu begründen. Riggenbach macht ihn auf diese
beiläufige Mitteilung hin — ein halbes Jahr nach
Erscheinen meines ausführlichen stilkritischen Be-
weises, dem er beistimmt, 2% Jahr nach münd-
licher Bekanntgebung meiner Ansicht — zum
Urheber der Attribution — und Stiassny schreibt
das, ohne nachzudenken, einfach von ihm ab.
Ich gestehe weder auf die Zuweisung der
Wiener noch der St. Florianer Bilder ein über-
mäßiges Gewicht zu legen, aber gegenüber der
ganz nebensächlich hingeworfenen Bemerkung
Stiassnys, die Attribution sei von Friedländer,
kann ich schon deshalb nicht schweigen, weil
es nach seinen Worten den Anschein haben
könnte, als habe ich von jener Seite her eine
Andeutung empfangen, ohne davon etwas zu
sagen.
Auch in Sachen der St. Florianer Bilder
sucht mir St. meine Zuweisung abwendig zu
machen, und zwar diesmal auf eine bei weitem
— originellere Art. „Zwei wildbewegte Pas-
sionsszenen," sagt er, „auf die W. Schmidt
hingewiesen hat". Nach dem Zusammenhang
muß hier jeder annehmen, daß Schmidt auf sie
als Werke Hubers hinwies, in Wahrheit
hielt er sie nur für Arbeiten des Wiener Mei-
sters, den er mit einem der Beham identifizierte.
Was richtig in dieser Beobachtung war, hatte
Monatshefte für Kunstwissenschaft
von B. mit einem erstaunlich reichen Oeuvre
begabt wurde. Diese beiden männlichen Por-
träts sind nun voneinander grundverschieden,
und keines von beiden zeigt m. E. eine nähere
Verwandtschaft mit Giulio Campi. Soll man
solch ein Verfahren Wissenschaft nennen? Un-
sere Aufgabe wäre, zu differenzieren, zu klären,
zu präzisieren, um so die unerläßliche Vorarbeit
für allgemeinere, historische Erkenntnisse zu
leisten. B. hat die Forscher auf unbeachtetes
Material aufmerksam gemacht, ich erwähne
diesen positiven Punkt noch einmal, dafür
wollen wir ihm danken; sofern er aber durch
vage Sensationen und dilettantische Spielereien
die klare wissenschaftliche Erkenntnis trübt,
lehnen wir ihn durchaus ab. Schließt er doch
seine Ausführungen mit dem Versuche, durch
Philosophastereien die Inferiorität der Barock-
kunst als höhere Notwendigkeit zu beweisen,
wobei er sich allerdings seine artige Aufgabe
wesentlich dadurch erleichtert, daß er Michel-
angelo und Correggio noch völlig zur Renais-
sance zählt, Tintoretto und Cambiaso aber
überhaupt nicht erwähnt. Die von verschiedenen
Seiten her unternommenen Versuche einer klaren
Formulierung des Wesens der Barockkunst wer-
den einerseits ein genaues Studium ihrer Einzel-
heiten zur Folge haben, anderseits dazu führen,
klare wissenschaftliche Erkenntnis und zufällig
gerade herrschende Geschmacksrichtung von-
einander säuberlich zu scheiden. Glauben wir,
daß derartigen klaren Erkenntnissen die Zukunft
gehören werde, so können wir auch diesem
Schlußessay des Berensonschen Buches keine
besondere Bedeutung beimessen, wie wir ge-
stehen müssen, daß unsere Kenntnis der lom-
bardischen Kunst durch ihn weder vertieft noch
geklärt worden ist.
g
R. STIASSNY ZUM THEMA DES
DONAUSTILES
Eine notgedrungene Selbstwehr.1)
Von Hermann Voss.
Trotz der Verkappung, in die R. Stiassny
seine Ausführungen über die „Donaumalerei" zu
kleiden für richtig befunden hat, trotz dem
Datum ihrer Entstehung geben sie sich doch
jedem sogleich als Fortführung einer bereits an
anderer Stelle eröffneten Polemik gegen meine
Person zu erkennen.
Nicht gegen die Sache, wie St. vorgibt. Was
er dartun will, ist allem Anschein nach, daß
9 Zu dem Aufsatz von Robert Stiassny in dem gleichen
Hefte dieser Zeitschrift.
nicht ich, sondern er allein befähigt war, „die
eigentlichen Probleme des Donaustils" zu lösen.
— Mit welchem Rechte, wird sich zeigen. —
Sein wirkungsvollstes Kampfmittel ist das fol-
gende: er stellt es so hin, als seien die neuen
Resultate meines Buches, deren Richtigkeit er
nicht leugnet, ja gar nicht mein Eigentum, son-
dern übernommen von anderen Forschern —
nein: sagen wir ehrlich, anderen Forschern rück-
sichtslos vorweggenommen. („Nach dem Grund-
sätze der Arbeitsteilung.")
Es handelt sich vor allem um das erstmals
von mir zusammengestellte und genau analy-
sierte Werk des Malers Wolf Huber. Bereits
im Sommer 1905 machte ich in Wien die Be-
stimmung der beiden vielverkannten Bilder in
der k. Galerie auf Huber, und schon damals
teilte ich meine Ansicht mündlich mehreren
Wiener Forschern mit. Da ich nicht unbe-
dingten Anklang fand, beschloß ich meine Zu-
weisung näher zu begründen, was im ersten
Teil meines Buches geschah. Ein halbes Jahr
nach dessen Erscheinen wurde eine Dissertation
über Huber veröffentlicht, die ebenfalls die Be-
stimmung auf den Passauer Meister brachte,
aber nach einer privaten Mitteilung Friedländers,
der unabhängig von mir auf die Zuschreibung
gekommen war, ohne sie jedoch damals oder
später öffentlich bekannt zu geben oder näher
zu begründen. Riggenbach macht ihn auf diese
beiläufige Mitteilung hin — ein halbes Jahr nach
Erscheinen meines ausführlichen stilkritischen Be-
weises, dem er beistimmt, 2% Jahr nach münd-
licher Bekanntgebung meiner Ansicht — zum
Urheber der Attribution — und Stiassny schreibt
das, ohne nachzudenken, einfach von ihm ab.
Ich gestehe weder auf die Zuweisung der
Wiener noch der St. Florianer Bilder ein über-
mäßiges Gewicht zu legen, aber gegenüber der
ganz nebensächlich hingeworfenen Bemerkung
Stiassnys, die Attribution sei von Friedländer,
kann ich schon deshalb nicht schweigen, weil
es nach seinen Worten den Anschein haben
könnte, als habe ich von jener Seite her eine
Andeutung empfangen, ohne davon etwas zu
sagen.
Auch in Sachen der St. Florianer Bilder
sucht mir St. meine Zuweisung abwendig zu
machen, und zwar diesmal auf eine bei weitem
— originellere Art. „Zwei wildbewegte Pas-
sionsszenen," sagt er, „auf die W. Schmidt
hingewiesen hat". Nach dem Zusammenhang
muß hier jeder annehmen, daß Schmidt auf sie
als Werke Hubers hinwies, in Wahrheit
hielt er sie nur für Arbeiten des Wiener Mei-
sters, den er mit einem der Beham identifizierte.
Was richtig in dieser Beobachtung war, hatte