Studien und Forschungen.
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bloßen Unzulänglichkeit! Was aber weit be-
denklicher ist als diese, sind seine Tendenzen
fremde Gedankengänge zu entstellen, um sie
herabwürdigen zu können. Was will es denn
beispielsweise heißen, wenn St. von „schön-
geistigen Exzessen von der Art des Vergleiches
Wolf Hubers mit Albertinelli oder gar Altdorfers
mit — Giorgione" spricht? Ich verwahre mich
entschieden dagegen, Huber irgendwo mit Alber-
tinelli verglichen zu haben, vielmehr habe ich
von einer bestimmten, St. sicherlich unbe-
kannten Komposition Hubers gesagt, sie gehe
auf ein in Italien geläufiges Schema zurück,
und als Beispiel Albertinellis Verkündigung in
der Akademie genannt. So der Tatbestand!
Ebenso handelt es sich im Falle Giorgione-Alt-
dorfer um stilkritische Bemerkungen, die man be-
zweifeln mag, die man aber sachlicher Weise
niemals „schöngeistige Exzesse" nennen kann.
Auch den allgemeinen „Vergleich" zwischen
Venedig und dem Donaustil, den ich allerdings
gezogen habe, stellt St. wieder in falschem
Lichte dar: es handelt sich hier keineswegs um
eine willkürliche „schöngeistige" Zusammen-
stellung, vielmehr laufen wirklich schon seit
dem XV. Jahrhundert Beziehungen zwischen der
oberitalienischen und süddeutschen Malerei,
wovon einiges bei mir zu lesen, anderes sonst
gelegentlich beobachtet, wenig in endgültiger
Form niedergelegt ist. Daß speziell die Donau-
leute mit den gleichzeitigen Italienern zusammen-
hängen, beweisen weniger die gelegentlichen
Kopien italienischen Stiche oder Niellen als das
Auftauchen verwandter Vorstellungszeichen hier
und dort, wofür ich St. wieder auf den dritten
Teil meiner Arbeit verweise — zur besseren
Information. Sollte er uns nochmals die Mär
von den „schöngeistigen Exzessen" auftischen
wollen, so würde er beweisen, daß er mich
nochmals nur flüchtig gelesen hat oder — mich
nicht verstehen will.
Sein schwerstes Geschütz hat St. gegen den
zweiten Teil meiner Arbeit gerichtet; und hier
bringt er endlich ein paar Bemerkungen über
die Quellen des Donaustiles, die wenigstens
eine kurze Widerlegung verdienen. Nach St.
nämlich ist der Donaustil nichts anderes als eine
in die Donauebene verpflanzte „Alpenrenais-
sance." (Was diese letztere sei, bleibt vor-
läufig sein Geheimnis). H. W. Riehl muß ihm
dazu dienen, seine Ansicht probabel zu machen.
Steigt nun aber wirklich die Kunst von den
Gebirgen den Flüssen nach in die Ebene? Ich
glaube, das nächstliegende Beispiel, der Rhein,
lehrt das Gegenteil. Denn die früheste Land-
schaft mit künstlerischer Kultur waren die
Niederlande resp. überhaupt der Niederrhein
(sog. Meister Wilhelm, die Eycks), dann re-
flektierte die Kunst dieser Gebiete auf die fluß-
aufwärts gelegenen Lande (Konrat Witz; Isen-
mann und Schongauer), und erst gegen 1500
bekam die Schweiz eine von Schongauer stark
beeinflußte, ihn bäuerlich vergröbernde Kunst
(Meister n. d. Nelke, Fries). Also genau das
Umgekehrte von Riehl-Stiassnys Meinung. Auf
wessen Seite ist die „Vorneigung zu abstraktem
Theoretisieren und das Zuviel an Spekulation?"
Prüft man die einzelnen Kunstdenkmale#
die St. als Stützen seiner These vorbingt, so
staunt man, daß alle erst aus der Zeit nach
1506, dem Jahre von Altdorfers künstlerischem
Debüt, und gleicherweise nach 1507 (als seine
frühesten Bilder entstanden) herrühren. So be-
weisen all diese z. T. ganz bedeutungslosen
Bilder lediglich, daß man in Tirol, Steier-
mark usw. um 1510—20 ähnlich wie im an-
grenzenden stammverwandten Bayern malte.
Dazu der Lärm? Wenn St. nun weiter folgert,
ich hätte um der „kunstethnographischen Ein-
heit" willen alle diese Länder hinzunehmen
müssen, so überschätzt er einmal die Bedeutung
jener Gebirgskunst und verwirrt außerdem die
mühsam geklärten Begriffe über das, was
„Donaustil" ist.
Gewiß kann der Donaustil in seiner Ent-
stehung nicht verstanden werden ohne Heran-
ziehen der tiroler Kunst und namentlich
Pachers,1) aber mindestens ebenso wesent-
lich waren die Anregungen, die von Norden
kamen. Der junge Cranach, einer der wich-
tigsten Vorläufer Altdorfers, war doch von
Geburt ein Franke; und daß es Dürerische An-
regungen sind, die er der bayerischen Kunst
aufgepropft hat, meine ich deutlich gesagt und
dargetan zu haben. Auch die Rolle des M. Z.,
auf die St. einzugehen für überflüssig hält,
wurde zur Genüge erörtet. Dagegen findet sich
die Linie von Pfenning über Furtmeyr und
Frühauf zu Altdorfer so, wie sie St. zieht, nicht
bei mir, schon deshalb nicht, weil Pfenning und
Furtmeyr gar nicht miteinander Zusammen-
hängen. Auf Furtmeyr als ideellen Vorläufer
Altdorfers verwiesen schon andere (vor allem
Friedländer), doch halte ich die Einflüsse der
Künstler dieser „Linie" für weitaus weniger
ausschlaggebend denn andere, eingehend von
mir erörterte Faktoren.
9 Pachers Einfluß auf Altdorfer, den ich durch Nach-
weis direkter Entlehnungen festgestellt habe, ist für den
Donaustil von entscheidender Bedeutung gewesen. Da-
mit rechtfertigt sich ohne weiteres die Abbildung des
Altares von St. Wolfgang. Die hierbei von St. aufge-
stellte Behauptung über sein Verhältnis zu Illustrations-
vorlagen des Buches hat er wohl die Güte näher zu
kennzeichnen und zu — beweisen.
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bloßen Unzulänglichkeit! Was aber weit be-
denklicher ist als diese, sind seine Tendenzen
fremde Gedankengänge zu entstellen, um sie
herabwürdigen zu können. Was will es denn
beispielsweise heißen, wenn St. von „schön-
geistigen Exzessen von der Art des Vergleiches
Wolf Hubers mit Albertinelli oder gar Altdorfers
mit — Giorgione" spricht? Ich verwahre mich
entschieden dagegen, Huber irgendwo mit Alber-
tinelli verglichen zu haben, vielmehr habe ich
von einer bestimmten, St. sicherlich unbe-
kannten Komposition Hubers gesagt, sie gehe
auf ein in Italien geläufiges Schema zurück,
und als Beispiel Albertinellis Verkündigung in
der Akademie genannt. So der Tatbestand!
Ebenso handelt es sich im Falle Giorgione-Alt-
dorfer um stilkritische Bemerkungen, die man be-
zweifeln mag, die man aber sachlicher Weise
niemals „schöngeistige Exzesse" nennen kann.
Auch den allgemeinen „Vergleich" zwischen
Venedig und dem Donaustil, den ich allerdings
gezogen habe, stellt St. wieder in falschem
Lichte dar: es handelt sich hier keineswegs um
eine willkürliche „schöngeistige" Zusammen-
stellung, vielmehr laufen wirklich schon seit
dem XV. Jahrhundert Beziehungen zwischen der
oberitalienischen und süddeutschen Malerei,
wovon einiges bei mir zu lesen, anderes sonst
gelegentlich beobachtet, wenig in endgültiger
Form niedergelegt ist. Daß speziell die Donau-
leute mit den gleichzeitigen Italienern zusammen-
hängen, beweisen weniger die gelegentlichen
Kopien italienischen Stiche oder Niellen als das
Auftauchen verwandter Vorstellungszeichen hier
und dort, wofür ich St. wieder auf den dritten
Teil meiner Arbeit verweise — zur besseren
Information. Sollte er uns nochmals die Mär
von den „schöngeistigen Exzessen" auftischen
wollen, so würde er beweisen, daß er mich
nochmals nur flüchtig gelesen hat oder — mich
nicht verstehen will.
Sein schwerstes Geschütz hat St. gegen den
zweiten Teil meiner Arbeit gerichtet; und hier
bringt er endlich ein paar Bemerkungen über
die Quellen des Donaustiles, die wenigstens
eine kurze Widerlegung verdienen. Nach St.
nämlich ist der Donaustil nichts anderes als eine
in die Donauebene verpflanzte „Alpenrenais-
sance." (Was diese letztere sei, bleibt vor-
läufig sein Geheimnis). H. W. Riehl muß ihm
dazu dienen, seine Ansicht probabel zu machen.
Steigt nun aber wirklich die Kunst von den
Gebirgen den Flüssen nach in die Ebene? Ich
glaube, das nächstliegende Beispiel, der Rhein,
lehrt das Gegenteil. Denn die früheste Land-
schaft mit künstlerischer Kultur waren die
Niederlande resp. überhaupt der Niederrhein
(sog. Meister Wilhelm, die Eycks), dann re-
flektierte die Kunst dieser Gebiete auf die fluß-
aufwärts gelegenen Lande (Konrat Witz; Isen-
mann und Schongauer), und erst gegen 1500
bekam die Schweiz eine von Schongauer stark
beeinflußte, ihn bäuerlich vergröbernde Kunst
(Meister n. d. Nelke, Fries). Also genau das
Umgekehrte von Riehl-Stiassnys Meinung. Auf
wessen Seite ist die „Vorneigung zu abstraktem
Theoretisieren und das Zuviel an Spekulation?"
Prüft man die einzelnen Kunstdenkmale#
die St. als Stützen seiner These vorbingt, so
staunt man, daß alle erst aus der Zeit nach
1506, dem Jahre von Altdorfers künstlerischem
Debüt, und gleicherweise nach 1507 (als seine
frühesten Bilder entstanden) herrühren. So be-
weisen all diese z. T. ganz bedeutungslosen
Bilder lediglich, daß man in Tirol, Steier-
mark usw. um 1510—20 ähnlich wie im an-
grenzenden stammverwandten Bayern malte.
Dazu der Lärm? Wenn St. nun weiter folgert,
ich hätte um der „kunstethnographischen Ein-
heit" willen alle diese Länder hinzunehmen
müssen, so überschätzt er einmal die Bedeutung
jener Gebirgskunst und verwirrt außerdem die
mühsam geklärten Begriffe über das, was
„Donaustil" ist.
Gewiß kann der Donaustil in seiner Ent-
stehung nicht verstanden werden ohne Heran-
ziehen der tiroler Kunst und namentlich
Pachers,1) aber mindestens ebenso wesent-
lich waren die Anregungen, die von Norden
kamen. Der junge Cranach, einer der wich-
tigsten Vorläufer Altdorfers, war doch von
Geburt ein Franke; und daß es Dürerische An-
regungen sind, die er der bayerischen Kunst
aufgepropft hat, meine ich deutlich gesagt und
dargetan zu haben. Auch die Rolle des M. Z.,
auf die St. einzugehen für überflüssig hält,
wurde zur Genüge erörtet. Dagegen findet sich
die Linie von Pfenning über Furtmeyr und
Frühauf zu Altdorfer so, wie sie St. zieht, nicht
bei mir, schon deshalb nicht, weil Pfenning und
Furtmeyr gar nicht miteinander Zusammen-
hängen. Auf Furtmeyr als ideellen Vorläufer
Altdorfers verwiesen schon andere (vor allem
Friedländer), doch halte ich die Einflüsse der
Künstler dieser „Linie" für weitaus weniger
ausschlaggebend denn andere, eingehend von
mir erörterte Faktoren.
9 Pachers Einfluß auf Altdorfer, den ich durch Nach-
weis direkter Entlehnungen festgestellt habe, ist für den
Donaustil von entscheidender Bedeutung gewesen. Da-
mit rechtfertigt sich ohne weiteres die Abbildung des
Altares von St. Wolfgang. Die hierbei von St. aufge-
stellte Behauptung über sein Verhältnis zu Illustrations-
vorlagen des Buches hat er wohl die Güte näher zu
kennzeichnen und zu — beweisen.