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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 5
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0454

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446

Monatshefte für Kunstwissenschaft

In der Einteilung des oberdeutschen Gebietes
bin ich nicht bloß von St., sondern auch sonst
mißverstanden worden: offenbar war der radi-
kal von mir durchgeführte Gedanke einer Auf-
hebung der kunsthistorisch sanktionierten Grenz-
sperren zu überraschend. Wenn St. aber be-
hauptet, ich habe die ganze südbayerische
Hochfläche mit dem Zentrum Augsburg
zum Donaustil geschlagen, so ist das wieder
einfach unrichtig, vielmehr habe ich gelegent-
lich im ersten wie auch in dem St. so mangel-
haft bekannten dritten Teil einen ausdrücklichen
Gegensatz zu Augsburg konstatiert. Im XV.
Jahrhundert allerdings liegen die Dinge noch
nicht so; gerade der von Stiassny erwähnte
Meister von St. Moritz beweist, daß die Augs-
burger Malerei damals durchaus im Fahrwasser
der übrigen Kunst südlich der Donau segelte.
Was St. anscheinend nicht begreift, ist, daß im
XV. und XVI. Jahrhundert das Verhältnis der
einzelnen Landschaften zueinander fortwährend
wechselte, sodaß eine jede einseitige Einteilung
uns die Erkenntnis der sehr differenzierten Sach-
lage raubt. Gerade aus diesem Grunde war es
andererseits notwendig, den Begriff des Donau-
stiles eng zu begrenzen — nach Ort und Zeit — ;
weiter gefaßt, würde er den Händen, die ihn
fassen wollen, entschlüpfen.
Noch ein weiterer, öfters beobachteter Zu-
sammenhang wird von St. in falschem Lichte
dargestellt. Denn es genügt nicht zu betonen,
daß zwischen dem Donaustil und der gleich-
zeitigen Schweizer Malerei Ähnlichkeiten be-
stehen, vielmehr handelt es sich um ein bereits
im XV. Jahrhundert zu beobachtendes Phänomen
— schon von Witz an — ; Meister wie der „mit
der Nelke" genannte oder Hans Fries klingen
so vornehmlidi an Salzburger Maler wie Frühauf
an als nur irgendwie Leu oder Graf an die
Donauleute. Stiassnys Gedanke, auch hier die
„Alpenrenaissance" einzuführen, ist also nicht
bloß an sich abenteuerlich, sondern würde auch
garnicht einmal das Problem erklären, das uns
wieder nur die Erkenntnis einer künstlerischen
Gemeinsamkeit ganz Oberdeutschlands lösen hilft.
Nun genug der Diskussion über den „Ur-
sprung" des Donaustiles. Man kann fragen,
weshalb St. bei so mangelhaften Informationen
doch eine ausführliche Kritik meines Buches
schrieb. Daß ihn die Übergehung seiner an-
geblichen Verdienste um Pfenning gekränkt hat,
legt er uns selber in den Mund, denn noch in
jedem seiner gesammelten Aufsätze und Inse-
rates gegen mich war ausdrücklich zu lesen,
daß er es sei, dem man die „Einordnung
Pfennings und seiner Leute in die österreichische
Schule" zu danken habe. Immer seinen eigenen

Worten nach hätte ich mir dieses Forschungs-
ergebnis zwar „angeeignet", aber den „Ur-
heber" „ignoriert". Darauf entgegne ich, daß
um Pfennings Lokalisierung andere Forscher
denn doch weit entscheidendere Verdienste
haben, als St. Abgesehen davon, daß die ältere
Forschung mit ihr schon längst als bekanntem
Faktor rechnete, gab ihr R. Vischer bereits
1886, 10 Jahre vor St., eine solide ikonographische
Grundlage, die durch Thode, auf Grund der von
ihm bemerkten Beziehungen Pfennings zum
Tuchermeister, nur vorübergehend erschüttert
wurde. Auch die bis ins einzelne gehende
Ähnlichkeit des Wiener Bildes mit der Laibschen
Kreuzigung in Graz ward nicht von St., sondern
von Johann Graus (1891) gefunden, die In-
schriften der Tafel, auf die sich St. viel zugute
tut, von Eitelberger bemerkt und von Wustler
als Künstlersignaturen gedeutet. Stiassnys „Ver-
dienst" beschränkt sich darauf, das wiederum
von anderer Seite publizierte Inventar der
1806—07 von Salzburg nach Wien gekommenen
Bilder herzugenommen und eine darin genannte
Kreuzigung von 1447 auf das von 1449 datierte
Pfenningsche Bild bezogen zu haben — eine
Identifizierung, die trotz der Datendifferenz
richtig sein mag — vorausgesetzt, daß man
Dank den Beobachtungen Vischers und Graus'
die Wiener Kreuzigung ohnehin für öster-
reichisch halten darf. Somit besteht der ganze
Anteil Stiassnys allerhöchstens darin, daß er
einem längst vollendetem Gebäude einen eigent-
lich entbehrlichen Abschluß nach oben gab. Wie
er demgegenüber und nach seiner eigenen
früheren durchaus objektiven Darstellung der
Sachlage darauf verfallen konnte, sich als Autor
der Lokalisierung Pfennings zu rühmen und als
solcher hervorgehoben sein zu wollen, ist mir
unverständlich.
Überhaupt ist St. durchaus kein Kenner
Pfennings. So hielt er die beiden Salzburger
Tafeln mit den Heiligen Hermes und Primus,
deren Zuschreibung an den Meister der Wiener
Kreuzigung mir jüngst in wertvoller Weise
bestätigt ward, für Spätwerke Pachers (!).
Suida in einem kürzlich erschienenen Reper-
torium-Aufsatz bemerkt dazu, Stiassny habe
sich in dieser Ansetzung um mindestens
30 Jahre geirrt, was noch sehr milde ausge-
drückt ist, denn die chronologische Differenz
beträgt wohl eher ein halbes Jahrhundert.
Möge dieses Beispiel zeigen, in welch grobe
Irrtümer St. da verfällt, wo er anderes tut, als
fremde Meinungen reproduzieren — und was
für konfuse Begriffe er nicht bloß von Pfenning,
sondern auch von Michael Pacher hat.
Auf andere Ausstellungen Stiassnys einzu-
 
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