Rundschau
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später nach Fertigstellung der für die jetzige
Sarkophagform komponierten Gestalten von
„Crepuscolo" und „Aurora" durch Auskurvung
ihrer Standflächen (wobei beim „Tag" sogar
etwas vom Körper fortgenommen werden mußte)
für die jetzige Aufstellung adaptiert worden
sind. Gegenüber solchen tatsächlichen Kon-
statierungen können ästhetische Bedenken nicht
ins Gewicht fallen. — Des weiteren bemerkte
Herr Dr. Baum, daß die Stelle bei Doni (Marmi III,
S. 21) wonacli Michelangelo den linken Arm
der „Nacht" ursprünglich anders gegeben, ihn
dann aber weggehauen und in der jetzigen
Haltung neu ausgeführt hätte, durch die Prüfung
der Figur selber als nicht ernst zu nehmen er-
wiesen sei. Als zusammengehörig mit der be-
kannten zweifellos echten Zeichnung Michel-
angelos zur Madonna der Medici-Kapelle (Wien),
legte Herr Dr. Baum ein Blatt (Louvre) vor,
welches zwei Madonnenskizzen enthalte. Dies
Blatt werde von Berenson als eigenhändig an-
gesehen, während der Vortragende es nicht
dem Meister selber geben zu können glaubt.
Fräulein Dr. Schlottmüller sprach von dem
sog. Pellegrini-Meister und anderen anonymen
Tonbildern aus der ersten Hälfte des Quattro-
cento. Eine Anzahl von Terrakotta-Madonnen
in London und Berlin aus der Sammlung Gigli-
Campana, welche zumeist in Toscano zusammen-
gebracht worden ist, galten einst als Werke
Quercias wegen allgemeiner Verwandtschaften,
wurden dann dem Meister der umfangreichen
Terrakottadekorationen der Pellegrini-
Kapella in St. Anastasia in Verona zuge-
schrieben, zusammen mit dem Altar im Dom von
Modena und dem Grabmal Royzelli in S. Fran-
cesco in Arezzo. Diesen sog. Pellegrini-Meister
hielt man für einen Toskaner, hat ihn sogar un-
gerechtfertigter Weise mit Rosso Fiorentino
identifiziert. Frl. Dr. Schlottmüller unterscheidet
nun innerhalb dieser ganzen Zusammenstellung
mehrere Meister toskanischer und oberitalieni-
scher Herkunft. Dem Meister der Pellegrini-
Kapelle, der als Oberitaliener anzusehen ist,
gehört nur der kleinste Teil der fraglichen Werke.
Fortgeschrittener erscheint der Meister des
Altars von Modena, der Oberitalienisches
und Toskanisches in seiner Kunst vereinigt; ihm
dürfte das Grabmal in Arezzo und zwei Ma-
donnen-Altäre in London angehören. Unter
den nach Toskana gehörigen Werken sind
mehrere Gruppen zu unterscheiden, von denen
die eine sich der ornamentalen Florentiner Stein-
plastik um 1400 anschließt, während die andere
durch gelöstere und zierlichere Formenbehand-
lung einen spezifischen Tonbildner-Charakter
hat. Die Feststellung der einzelnen Künstler-
persönlichkeiten ist dadurch erschwert, daß viele
dieser halbfigurigen Madonnenreliefs in mehreren
im Detail nicht miteinander übereinstimmenden
Exemplaren erhalten sind.
Herr Dr. Geisenheimer legte fünf Zeich-
nungen aus Budapest vor. Zwei von ihnen
sind Kopien nach den Dekorationsbildern des
Giovanmaria Buttari und des Stefano Pieri,
welche der für die Exequien Michelangelos von
den Florentiner Künstlern gemalten den Meister
als Maler, Bildhauer, Architekt und Dichter
feiernden Serie angehören. Wir kennen die
Kompositionen aus den Beschreibungen der
Vasari, bisher waren aber keine Reproduktionen
der verloren gegangenen Gelegenheitsarbeiten
bekannt. Drei weitere interessante Blätter sind
Entwürfe zu den 1597 von Bernardino
Poccetti an der Wand des ehemaligen Refek-
toriums von S. Spirito gemalten drei heiligen
Gastmählern. Der heutige Zustand dieser Fresken
ist sehr schlecht; nur das Emausfresko ist leid-
lich erhalten.
A. Gottschewski.
PARIS =
Dem französischen Volke ist der Trieb zur
Kunst eingeboren. Leidenschaftliche Liebe und
feinfühliges Verständnis für das Schöne helfen
überreichlich über die Mängel einer äußerlich
nicht gerade glänzenden Organisation des Kunst-
unterrichts hinweg. Neben den großen Unter-
richtsanstalten in Paris, der Ecole des Beaux
Arts in erster Linie, führten die Kunstakademien
in der Provinz ein nicht gerade glänzendes
Dasein und auch in Paris begibt sich nur ein
verhältnismäßig geringer Teil des künstlerischen
jungen Nachwuchses in die Zucht der etwas
pedantischen alten Dame in der rue Bonaparte,
die neben Franzosen von jeher auch den Aus-
ländern gastfrei ihr Haus geöffnet hat. Be-
sonders groß ist das Kontingent der Nordame-
rikaner an der Ecole des Beaux-Arts und so
überrascht es nicht, daß eine Anzahl nord-
amerikanischer Architekten sich verpflichtet ge-
fühlt haben, der alten Lehrerin ihre Dankbar-
keit durch eine Stiftung von 500000 Franken zu
beweisen, deren Ertrag ausschließlich jungen
französischen Künstlern zugute kommen soll.
Wenn so die Kunstschule der Hauptstadt einen
Beweis von Sympathie aus dem Auslande er-
halten hat, so hat sich zu gleicher Zeit das
Interesse den Kunstschulen in der Provinz zu-
gewandt. So hat ein Fräulein de Boisseux aus
Nolay (Cöte d'or) der Stadt Grenoble die Summe
von fast zwei Millionen Franken vermacht um
dort eine Kunstakademie zu errichten. Man
455
später nach Fertigstellung der für die jetzige
Sarkophagform komponierten Gestalten von
„Crepuscolo" und „Aurora" durch Auskurvung
ihrer Standflächen (wobei beim „Tag" sogar
etwas vom Körper fortgenommen werden mußte)
für die jetzige Aufstellung adaptiert worden
sind. Gegenüber solchen tatsächlichen Kon-
statierungen können ästhetische Bedenken nicht
ins Gewicht fallen. — Des weiteren bemerkte
Herr Dr. Baum, daß die Stelle bei Doni (Marmi III,
S. 21) wonacli Michelangelo den linken Arm
der „Nacht" ursprünglich anders gegeben, ihn
dann aber weggehauen und in der jetzigen
Haltung neu ausgeführt hätte, durch die Prüfung
der Figur selber als nicht ernst zu nehmen er-
wiesen sei. Als zusammengehörig mit der be-
kannten zweifellos echten Zeichnung Michel-
angelos zur Madonna der Medici-Kapelle (Wien),
legte Herr Dr. Baum ein Blatt (Louvre) vor,
welches zwei Madonnenskizzen enthalte. Dies
Blatt werde von Berenson als eigenhändig an-
gesehen, während der Vortragende es nicht
dem Meister selber geben zu können glaubt.
Fräulein Dr. Schlottmüller sprach von dem
sog. Pellegrini-Meister und anderen anonymen
Tonbildern aus der ersten Hälfte des Quattro-
cento. Eine Anzahl von Terrakotta-Madonnen
in London und Berlin aus der Sammlung Gigli-
Campana, welche zumeist in Toscano zusammen-
gebracht worden ist, galten einst als Werke
Quercias wegen allgemeiner Verwandtschaften,
wurden dann dem Meister der umfangreichen
Terrakottadekorationen der Pellegrini-
Kapella in St. Anastasia in Verona zuge-
schrieben, zusammen mit dem Altar im Dom von
Modena und dem Grabmal Royzelli in S. Fran-
cesco in Arezzo. Diesen sog. Pellegrini-Meister
hielt man für einen Toskaner, hat ihn sogar un-
gerechtfertigter Weise mit Rosso Fiorentino
identifiziert. Frl. Dr. Schlottmüller unterscheidet
nun innerhalb dieser ganzen Zusammenstellung
mehrere Meister toskanischer und oberitalieni-
scher Herkunft. Dem Meister der Pellegrini-
Kapelle, der als Oberitaliener anzusehen ist,
gehört nur der kleinste Teil der fraglichen Werke.
Fortgeschrittener erscheint der Meister des
Altars von Modena, der Oberitalienisches
und Toskanisches in seiner Kunst vereinigt; ihm
dürfte das Grabmal in Arezzo und zwei Ma-
donnen-Altäre in London angehören. Unter
den nach Toskana gehörigen Werken sind
mehrere Gruppen zu unterscheiden, von denen
die eine sich der ornamentalen Florentiner Stein-
plastik um 1400 anschließt, während die andere
durch gelöstere und zierlichere Formenbehand-
lung einen spezifischen Tonbildner-Charakter
hat. Die Feststellung der einzelnen Künstler-
persönlichkeiten ist dadurch erschwert, daß viele
dieser halbfigurigen Madonnenreliefs in mehreren
im Detail nicht miteinander übereinstimmenden
Exemplaren erhalten sind.
Herr Dr. Geisenheimer legte fünf Zeich-
nungen aus Budapest vor. Zwei von ihnen
sind Kopien nach den Dekorationsbildern des
Giovanmaria Buttari und des Stefano Pieri,
welche der für die Exequien Michelangelos von
den Florentiner Künstlern gemalten den Meister
als Maler, Bildhauer, Architekt und Dichter
feiernden Serie angehören. Wir kennen die
Kompositionen aus den Beschreibungen der
Vasari, bisher waren aber keine Reproduktionen
der verloren gegangenen Gelegenheitsarbeiten
bekannt. Drei weitere interessante Blätter sind
Entwürfe zu den 1597 von Bernardino
Poccetti an der Wand des ehemaligen Refek-
toriums von S. Spirito gemalten drei heiligen
Gastmählern. Der heutige Zustand dieser Fresken
ist sehr schlecht; nur das Emausfresko ist leid-
lich erhalten.
A. Gottschewski.
PARIS =
Dem französischen Volke ist der Trieb zur
Kunst eingeboren. Leidenschaftliche Liebe und
feinfühliges Verständnis für das Schöne helfen
überreichlich über die Mängel einer äußerlich
nicht gerade glänzenden Organisation des Kunst-
unterrichts hinweg. Neben den großen Unter-
richtsanstalten in Paris, der Ecole des Beaux
Arts in erster Linie, führten die Kunstakademien
in der Provinz ein nicht gerade glänzendes
Dasein und auch in Paris begibt sich nur ein
verhältnismäßig geringer Teil des künstlerischen
jungen Nachwuchses in die Zucht der etwas
pedantischen alten Dame in der rue Bonaparte,
die neben Franzosen von jeher auch den Aus-
ländern gastfrei ihr Haus geöffnet hat. Be-
sonders groß ist das Kontingent der Nordame-
rikaner an der Ecole des Beaux-Arts und so
überrascht es nicht, daß eine Anzahl nord-
amerikanischer Architekten sich verpflichtet ge-
fühlt haben, der alten Lehrerin ihre Dankbar-
keit durch eine Stiftung von 500000 Franken zu
beweisen, deren Ertrag ausschließlich jungen
französischen Künstlern zugute kommen soll.
Wenn so die Kunstschule der Hauptstadt einen
Beweis von Sympathie aus dem Auslande er-
halten hat, so hat sich zu gleicher Zeit das
Interesse den Kunstschulen in der Provinz zu-
gewandt. So hat ein Fräulein de Boisseux aus
Nolay (Cöte d'or) der Stadt Grenoble die Summe
von fast zwei Millionen Franken vermacht um
dort eine Kunstakademie zu errichten. Man