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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 5
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0468

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

Sälen behandelt. Überhaupt sind eine ganze
Anzahl Bilder in beiden Galerien repariert resp.
neu gefirnißt worden, darunter Raffaels „Ma-
donna mit dem Turm"; eine Salvatore Rosa
und ein verhältnismäßig so neues Stück wie
Watts feinsilbrige „Psyche" und Millais „Yeo-
man of the Guard". Von diesen mit größter
Vorsicht ausgeführten Reparaturen sowie der
Umhängung der zwei Galerien nach einem be-
stimmten, für Kunsthistoriker namentlich sidi
empfehlenden Plane (zusammenhängende Schu-
len in anstoßenden Räumen; innerhalb der
Räume möglichst chronologische Folge und Bil-
der derselben Meister so nah beieinander, daß
ein Vergleich ermöglicht wird) — wird jedermann
mit Befriedigung und Dankbarkeit gegen die
neue Direktion Kenntnis nehmen. — Im Berichts-
jahre wurde der National Gallery eine bedeu-
tende Erbschaft überwiesen, nicht weniger als
ca. 110,000 Pfund, die in 2%, 3 und ^l^^ Pa-
pieren angelegt worden sind. Die Jahreszinsen
dieses Kapitals sind zum Ankauf von Kunst-
werken bestimmt. Der Testator ist der 1903
verstorbene Oberst John Temple West. Diese
Gabe ist dem „Chantrey Bequest" fast gleich an
Höhe. Aber von ihr erhofft man sich bessere
Resultate als von dem letzteren, für dessen
Gelder meist recht zweifelhafte dafür aber um so
umfangreichere Gemälde heutiger Maler in die
Tate Gallery wandern, um dort Hängeschmerzen
böser Art zu verursachen. Mit dem Einkommen
aus den zwei früheren Erbschaften, dem „Lewis
Bequest" 10000 £ (1864) und dem Clarke Be-
quest (23,104 ^, 1881) steht der National Gallery
nun neben der Regierungsbeihilfe eine ganz
stattliche Summe zum Bilderkaufen zur Ver-
fügung; freilich ist das heutzutage ja auch nötiger
denn je, will man überhaupt noch etwas er-
reichen. — Hier seien noch gleich einige Neu-
erwerbungen des laufenden Jahres für die Na-
iional Gallery mit angeführt, nämlich: zwei
französische Stücke, ein unvollendetes Porträt
der Elisa, Großherzogin von Toskana und
Schwester Napoleons, von I. L. David und ein
kleines Porträt der Madame Malibran, das man
Ingres zuschreibt. — Über zwei vor einiger Zeit
hinzugekommene Werke des Mabuse, die im Van
Eyck Saal aufgehängt sind, beriditet der Gale-
rie-Direktor Holroyd selber in der letzten Num-
mer des Burlington Magazine ausführlich. Das
eine, ein Porträt einer vornehmen jungen Dame
war als „Jaqueline de Bourgogne" in der Gol-
denen Fließausstellung in Brügge im vergan-
genen Jahre zu sehen gewesen. Holroyd meint,
daß dieses Bild nach Mabuses Rückkehr aus
Italien gemalt worden sei, zur Zeit, da er für
Philipp von Burgund arbeitete, also um das Jahr

1515. Das zweite Werk ist die „Maria Mag-
dalena", die unter der Bezeichnung „Antwer-
pener Schule" als Neuerwerb während des
Jahres 1907 oben angeführt ist. Holroyd meint
in dem angegebenen Aufsatz, daß die Fleisch-
partien des Werkes zwar durchsichtiger seien
als das sonst in früheren Bildern dieses Meisters
der Fall sei, daß aber die Details und das
Kleid des als Magdalene dargestellten jungen
Mädchens ganz dem großen Bilde Mabuses
in Naworth, der „Anbetung der heiligen drei
Könige", entsprächen. — Die vielen Sommer-
ausstellungen all der alten Kunstkörperschaf-
ten haben für die große „Season" nun ihre
Tore geöffnet. Über die Royal Academy-Aus-
stellung werden im nächsten Heft noch einige
Bemerkungen zu machen sein, die übrigen, die
der British Artists, der Painters in Water
Colours, der New Gallery in Regent Street etc.
bedürfen hier keines Kommentars, da sie nichts
von besonderem Interesse oder Eigenart ent-
halten, obwohl in einigen tüchtige Arbeiten
hängen. So viel man hört, wird die nächste
Winterausstellung der Royal Academy die hier-
zulande wohlbekannte Sammlung moderner
Bilder des verstorbenen George Mc. Culloch
als Ausstellungsobjekt umfassen. — Die Kunst-
salons bieten alle möglichen Attraktionen, mo-
derne und alte Meister englischer und kontinen-
taler Schulen. Neben den schon das vorige
Mal erwähnten Salons sei diesmal nur die Aus-
stellung von Mc. Lean in Haymarket angeführt,
in der unter anderen Bildern der altenglischen
Schule ein sehr bekannter Romney „The Boson-
quet Family" sich befindet. Die Carfax Gallery,
in der dekorativ gesehene Landschaften eines
talentvollen Australiers (F. Mc. Comas) ausge-
stellt waren, ladet zu einer Besichtigung neuer
Karikaturen des nicht bloß hier hochgeschätzten
Karikaturisten Max Beerbohm ein. Karikatur-
ausstellungen sind jetzt hier überhaupt sehr be-
liebt. — Zu der Kunstausstellung innerhalb der
großen schon früher erwähnten Franko-Briti-
schen Ausstellung, die in diesem Monat eröffnet
wird, steuern der König, andere Mitglieder des
Königshauses sowie zahlreiche Privatsammler
und öffentliche Galerien wertvolle Stücke bei.
Aus Manchester z. B. wird das seltsame Bild
des Präraffaelitenschulmeisters, „die Arbeit" von
Madox Brown, zu sehen sein, der dieses Thema
sozusagen in detaillierter Paraphrase statt in
gewaltigem Symbol zu bewältigen strebt; auch
ein früher Millais „Herbstblätter" ist aus Man-
chester versprochen. — Für den hier im August
stattfindenden internationlen Zeichnenkongreß
werden schon eifrig Vorkehrungen getroffen,
wenn auch die notwendigen Summen nur lang-
 
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