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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0482

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474

Monatshefte für Kunstwissenschaft

Kunst in einer Reichhaltigkeit und Vollständig-
keit vor, für die es keinen Vergleich gibt. Er
hat seit Jahren unverdrossen Deutschland mit
dem Automobil abgefahren, von keinem Eisen-
bahnstrang oder Bädeckerstern gefesselt, Be-
kanntes und Unbekanntes eingesammelt und zu
einem Thesaures nie geahnter Größe aufgetürmt
Man darf sagen, daß Deutschland, sieht man von
einigen großen Museen ab, jetzt von Stödtner in
demselben Sinne durchphotographiert ist, wie Ita-
lien von Alinari, Anderson, Brogi und Gargioli-
Es sind nicht in erster Linie die Museumsbestände,
sondern die Kunstwerke der kleinen Stadt und der
Kirchen, die diese Fülle ergeben haben. Am ver-
blüffendsten ist die Masse der Holzplastik, die über
alle Erwartung reich und edel sich bietet. Süd-
deutschland, der Rhein und Mitteldeutschland
geben das Beste. Ich stehe nicht an, diesen Ka-
talog als Nachschlagebuch nebenDehios Reisebuch
zu stellen; diese beiden Handbücher werden dem
neuen Studium der deutschen Kunstgeschichte vor
allem zu gute kommen. Besonders wichtig ist, daß
die Aufnahmen auch als einfache Photographien in
verschiedener Größe abgegeben werden. Das Ali-
nariformat kostet hier 1,— M., also soviel wie
Bruckmanns Pigmentdrucke. Jetzt ist also die
Möglichkeit gegeben, die Spätgotik Deutschlands
ebenso durchzuarbeiten wie das italienische
Quattrocento. Damit ist für viele Menschen, die
nicht weit reisen können, aber Gaben und Zeit für
die Kunstforschung haben, neues Material zu-
gänglich gemacht. Freilich wird es beim Studium
der deutschen Kunst immer einer gewissen Reife
bedürfen, bis man das richtige Verhältnis zu ihr
findet. Der Neuling findet sich in Florenz leichter
zurecht als in Rothenburg. Denn die italienische
Kunst ist organisch und methodisch klar entwickelt
worden, während die deutsche isoliert bald da
bald dort blüht und wieder vergeht. Stödtners
Lichtbilder sind da, wo sie auf eigenen Auf-
nahmen beruhen, die besten, die wir haben;
und die Mehrzahl dieser 14000 Nummern sind
Originalaufnahmen. Wenn wir es schmerzlich
vermissen, daß die deutsche Plastik des Berliner

Kaiser-Friedrich-Museums nicht aufgenommen
ist, so trägt St. nicht die Schuld. Für Unter-
richtszwecke der Schule wird es ratsam sein,
aus der großen Fülle eine Anzahl von etwa
500 Lichtbildern auszusondern, in derselben
Weise, wie es Fritz Knapp in seinem eben er-
schienenen Buche „Die Kunst in Italien" für die
italienische Kunst getan hat.
Paul Schubring.



KLEINE ANZEIGEN
Leipzig. Über den bekannten, aus dem Zeitalter der
Renaissance stammenden Brief über die Erhaltung
der römischen Altertümer, den man fast allgemein
Raffael 'zugeschrieben hat, wird noch im Verlaufe dieses
Jahres im Verlag von Klinkhardt & Biermann eine aus-
führliche Monographie von Julius Vogel erscheinen, in
der über den Autor des Briefes sowie über seine historische
Bedeutung ausführliche Mitteilungen gebracht werden.
München. Das Münchener Jahrbuch der bil-
denden Kunst (Verlag von Callwey) wird nach einer
Verfügung des bayerischen Kultusministeriums den offi-
ziellen Titel führen: „Münchner Jahrbuch der bildenden
Kunst, herausgegeben unter Mitwirkung der Vorstände
der kgl. Staatssammlungen von Ludwig von Buerkel".
Der nächste, voraussichtlich Anfang Juni zur Ausgabe ge-
langende 3. Band des verdienstvollen, für das wissen-
schaftliche Münchner Kunstleben unentbehrlichen Unter-
nehmens, wird wiederum eine Reihe größerer Studien von
Münchner Kunsthistorikern, besonders über die Neuer-
werbungen der kgl. bayer. Staatssammlungen enthalten.
Von auswärtigen Forschern stellt Dr. Gronau-Fiesole das
urkundliche Material über die dann hoffentlich erledigten
Tiziankopien der Münchner Residenz zusammen und führt
den Nachweis, daß Tizians Originale, 1649 in London ver-
steigert, 1652 tatsächlich nach Spanien gelangt sind.
Unter dem Titel The Mask erscheint vom März d. J.
an eine internationale Zeitschrift für Theaterkunst in Lon-
don, Berlin, Amsterdam und Florenz. Uns interessiert im
wesentlichen nur das Äußerliche der neuen Zeitschrift,
dieses aber in hohem Grade: denn es gibt überhaupt
kaum ein periodisches Blatt, das sich mit einem so voll-
endeten buchkünstlerischen Geschmack dem Leser emp-
fiehlt. Man hat das Gefühl, einen alten Venezianer
Druck in die Hand zu bekommen: so großartig ist das
Verhältnis von Druck zu Papier, von Spiegel zu Seite,
so sparsam und vornehm sind die eingestreuten Zeich-
nungen. Es versteht sich, daß The Mask rein englisch
erscheint; vielleicht sind gegenwärtig, wie vorJahrzehnten,
immer noch die Engländer die einzigen, die eine so
durchaus harmonische Druckschrift hervorbringen können;
bei uns wagt man höchstens an die „Neue Rundschau" zu
denken. Das ist nicht angenehm zu hören, aber es ist so.
 
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