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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Steinmann, Ernst: Zur Ikonographie Michelangelos
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0049

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Steinmann. Zur Ikonographie Michelangelos

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der Skulpturengalerie des Vatikans fielen völliger Vergessenheit anheim, obwohl man hier
Michelangelos ausdrucksvollen Kopf schon vor mehr als hundert Jahren erkannt hatte.1)
In Massis erster Ausgabe des Katalogs des Museo Pio-Clementino im Vatikan
vom Jahre 1792 heißt es von einem Relief in der Galleria delle statue wie folgt:
Modern aber von ausgezeichneter Arbeit. Dies Relief stellt den Großherzog Cosimo I.
von Toskana dar, wie er im Begriff ist, den Aufschwung von Pisa zu fördern. Auf
der einen Seite sieht man, wie er die Laster vertreibt, auf der anderen Seite, wie er
ihr Männer der Tat und der Wissenschaft zuführt. Unter den letzteren erkennt man
das Porträt des Michelangelo Buonarroti, dem man auch die Arbeit dieses Reliefs zu-
schreibt, das sich früher bei dem Bildhauer Cavaceppi befand."2) [Abb. 1.]
Wahrheit und Irrtum begegnen uns in dieser Beschreibung in seltsamer Mischung.
In der Tat hat sich Cosimo de' Medici um die Stadt Pisa besondere Verdienste er-
worben, wenn er auch niemals versucht hat, aus ihr die Laster zu vertreiben. Schon
im Jahre 1542 begann er mit der Neugründung der Universität nach dem Muster von
Pavia und Padua. Am 1. November 1543 wurde die Universität eröffnet und ein Jahr
später ein Kollegium von vierundvierzig Alumnen gegründet. Da weigerten sidi im
Jahre 1547 Professoren und Schüler in Pisa zu wohnen, welches, rings von Sümpfen
und stagnierenden Gewässern eingeschlossen, wegen seiner schlechten Luft mehr ge-
mieden als gesucht war. Diesem Übel zu begegnen, entschloß sich der Fürst, die
Sümpfe trocken zu legen. Ein Uffizio de' Fossi wurde ernannt, und seine Tätigkeit
war so erfolgreich, daß die Krankheiten gebannt wurden und die neue Universität sidi
schnell zur höchsten Blüte entwickeln konnte.3)
Die Erinnerung an diese Wohltaten Cosimos, welche in der Geschichte Pisas eine
neue Epoche einleiten sollten, ist in dem Relief des Museo Pio-Clementino festgehalten
worden. Hat nicht auch Vasari diesen Ruhmestitel seines Herzogs in ganz ähnlicher
Weise im Palazzo Vecchio in Florenz verewigt? Man kann in der Tat das vatikanische
Relief fast mit denselben Worten beschreiben, deren sich Vasari selbst zur Erklärung
seines Fresko in der Sala di Cosimo im Palazzo Vecchio bedient hat.4) Hier wie dort

9 Der Direktor des Museo Gregoriano-Etrusco im Vatikan, Herr Professor Bartolomeo
Nogara, welcher z. Z. an einer Neuausgabe des Katalogs des Museo Pio-Clementino arbeitet, hat
mich durch Erteilung wertvoller Auskünfte und freundlich gewährter Arbeitserleichterungen zu
größtem Dank verpflichtet.

2) Massi, Museo Pio-Clementino al Vaticano. Roma 1792. p. 45. Roma 1854. p. 68. Bei
Plattner und Bunsen, Beschreibung der Stadt Rom II, 2 p. 183 n 60 wird das Relief wie folgt
aufgeführt: Cosmus I., der aus Pisa die Laster vertreibt, aus der Schule des Michelangelo (Cava-
ceppi Raccolta). Cavaceppi, der Freund Winckelmanns, besaß das Relief tatsächlich schon im
Jahre 1772 und hat es im dritten Bande seiner Raccolta d'antiche statue Tav. 60 als ein Werk
Michelangelos in einem großen Stich reproduziert. Leider fehlt über die Herkunft des Reliefs
jegliche Angabe. Maße: Höhe des Reliefs 73 cm, Länge 1 m 6 cm.

3) Vgl. Paolo Tronci, Annali Pisani 2 ed. Pisa 1871. Tom. II p. 292 und Aldo Mannucci,
Vita di Cosimo de' Medici, primo granduca di Toscana. Bologna 1586. p. 83, 84 u. 178.

4) ed Milanesi VIII p. 192: in questo primo angolo, dove e quella femmina ginocchioni,
l'ho finta per Pisa dinanzi al duca, di fattezze belle, ed.... a basso ha lo scudo dentrovi la
croce bianca in campo rosso che e insegna pisana ed in mano ha un corno di dovizia, che Sua
 
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