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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Steinmann, Ernst: Zur Ikonographie Michelangelos
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0050

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

ist das doppelte Verdienst des Herzogs um Pisa verherrlicht worden: die Verbesserung
der sanitären Verhältnisse der fieberverpesteten Stadt und die von schönstem Erfolge
gekrönte Neugründung der Universität. Nur ist die Sprache des Meißels in dem figuren-
reichen Relief weit deutlicher und eindringlicher als die des Pinsels in jener langen
Reihe gemalter Ruhmestaten.
Genau in der Mitte des Reliefs steht Cosimo, die erhobene Rechte mit dem
Herrscherstab befehlend und schützend zugleich über Pisa ausstreckend, ein schönes
junges Weib in antiker Gewandung. Pisa ist im Begriff, vor ihrem Beschützer in die
Knie zu sinken, aber Cosimos Linke hält sie aufrecht. Getötete Schlangen liegen zu
ihren Füßen, und ihre Linke stützt sie auf den Schild, dessen äußere Fläche mit dem
Kreuz, ihrem Wappenemblem, verziert ist.
Eine wild sich drängende Horde wüster Gesellen flieht rechts vor dem erhobenen
Stab des Herrschers von dannen, und über ihnen schwebt schreiend ein altes Weib
mit hängenden Brüsten durch die Lüfte. Das sind die Personifikationen der Seuchen
und Krankheiten und die Allegorie der Fieberlüfte, welche Cosimos Machtgebot aus
Pisa vertrieben hatte.
Zu dieser heftig bewegten Gruppe rechts bildet die monumentale Ruhe der Ge-
stalten links den wirkungsvollsten Gegensatz. Über dem gelassen hingelagerten Flußgott
des Arno und seinem Begleiter, dem Löwen, erscheinen in feierlichem Ernst die jungen
und alten Vertreter geistiger Kultur und materiellen Wohlstandes. Ein lächelnder Spiri-
tello schwebt über ihnen durch die Lüfte, eine Krone emporhaltend, um sie dem Herzog
als Preis für seine Taten auf die Stirn zu drücken. Die herrliche Karyatidengestalt im
Vordergründe, die ein schwerlastendes Gefäß mit einem Anstand auf dem Kopfe trägt,
als wäre es ein königlicher Schmuck, und der Jüngling, welcher keuchend eine riesige
Vase auf den Schultern herbeischleppt, geben sich ohne weiteres als Allegorien des
Reichtums zu erkennen. Die beiden Alten aber mit den langen Bärten sind hier genau
so, wie es im Fresko Vasaris geschehen, durch den Diskus mit dem Zodiakus und das
riesige Buch als Vertreter der Wissenschaften charakterisiert, welche in Pisa gelehrt
werden sollten. Und wie bei Vasari endlich ein Triton mit seinem Muschelhorn
Cosimos Verdienste um Pisa als Hafenstadt verkündigen mußte, so finden wir hier
denselben Gedanken durch ein Schiff angedeutet, welches am fernen Horizont, hinter
einem Felsen hervorkommend, auf den Meeresfluten sichtbar wird.
Neben diesen ideal gefaßten Allegorien materieller Lebensgüter, neben diesen
als Porträts charakterisierten Vertretern der Wissenschaft durften aber auch die Re-
präsentanten jener Künste nicht fehlen, ohne deren Pflege ein italienisches Staatswesen
im Cinquecento schlechterdings nicht zu denken war. Zwar hatte Michelangelo gerade
in Pisa niemals gearbeitet, aber er verkörperte doch damals als Maler, Bildhauer und

Eccellenza gne ne fiorisce, per avere acconcio e secco le paludi di quella cittä, le quali cagio-
navano aria pestifera, ed insiememente piglia le leggi dal duca e con l'altra mano abbraccia un
vecchio con l'ale in capo, finto per lo studio di quella cittä, ed ha il zodiaco attraverso al torso,
tiene libri in mano, e detro vi e un tritone, che suona una cemba marina, finto per le cose del
mare, e cosi mostra gratitudine a Sua Eccellenza.
 
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