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Monatshefte für Kunstwissenschaft
decken. Vergleicht man die beiden jungen Mönche, Macarius und Amathas, die den
toten Antonius auf ein Laken heben, mit dem Kaiser und seinen beiden Begleitern
links in der eben erwähnten Auferweckungsszene, so kann man gleichfalls wesentliche
Übereinstimmungen in der Zeichnung der Gesichter feststellen: die Profillinie über der
hohen Stirn, die gerade Nase und das runde Kinn sind die gleichen bei dem Kaiser
und bei dem Mönch, der die Füße des Antonius emporhebt.
Diese Übereinstimmungen sind besonders für diejenigen von Interesse, die
einen Überblick über die florentinische Trecentokunst während der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts gewonnen haben, denn man wird dann zugeben müssen, daß die
Campora-Fresken (soweit sie nicht übermalt sind) in Hinsicht auf die Typen sich
enger an Giottinos spätere Arbeiten anschließen als an irgendwelche anderen be-
kannten Fresken. Man muß einen Schulzusammenhang zugeben, wenn auch der
wesentliche qualitative Unterschied hervorzuheben ist. Eine Bestätigung hierfür
gewährt die ganze Formbehandlung. In den wenigen Fällen, wo wir einer voll-
ständig erhaltenen Figur in den Campora-Fresken begegnen (besonders die beiden
Eremiten vor der Grotte), beobachten wir eine fließende, sienesische Modellierungs-
methode, eine ziemlich oberflächliche Behandlung der runden, vollen Körper. Es
wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Künstler sich auf eine nähere Erörterung
der Falten der Mönchskutten oder der organischen Struktur der Figuren gar nicht
einläßt. Er fertigt alles Derartige mit der Flüchtigkeit eines untergeordneten Talents
ab, zum großen Unterschied von der sorgfältigen, geschmeidigen Faltenbehandlung
und des relativ klaren Figurenorganismus, wie sie uns in Giottinos Fresken ent-
gegentritt.
Die allgemeine Gestaltung der Kompositionen ist dürftig und einförmig. Es mag
sein, daß die Motive keinen Anlaß zur Einführung von mehr als einer, zwei oder drei
Figuren in der Mehrzahl der Bilder gegeben haben. Diese Figuren treten indessen nicht
auf eine charakteristische oder individuelle Weise auf, sondern schablonenmäßig, mit
denselben vagen Stellungen und Gebärden, wie in der Mehrzahl der Kompositionen
untergeordneter Trecentomaler aus jener Zeit. Der Hintergrund besteht in allen Fres-
ken (außer der Almosenverteilung) aus den bereits erwähnten kristallinischen Felsen,
die meistens die Aussicht versperren und überhaupt keine Illusion der dritten Dimension
gewähren. Nur auf einer schmalen Vordergrundszene haben die Figuren Platz sich zu
bewegen; die Hintergründe drängen sich vor, noch schlimmer als in Taddeo Gaddis Fresken.
Das dekorative Gefühl des Malers ist überhaupt sehr wenig entwickelt gewesen;
er hat sich die Fortschritte auf dem Gebiete der Raumgestaltung, wie sie Giottinos
spätere Arbeiten aufweisen, nicht zunutze machen können. Doch hat er aller Wahr-
scheinlichkeit nach die florentinischen Fresken des Meisters studiert — die erwähnten
stilistischen Ähnlichkeiten legen deutlich Zeugnis hierfür ab — aber seine künstlerische
Begabung hat ihm niemals gestattet, das Wertvollste in ihnen völlig zu verstehen und
nachzubilden. Er ist bei den allgemeinen typologischen Zügen stehen geblieben. Ein
Mangel an individueller Vertiefung macht sich überhaupt in den Campora-Fresken
sehr bemerkbar, der Maler versteht es nicht, uns durch einen persönlichen Erzählerton
zu fesseln.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
decken. Vergleicht man die beiden jungen Mönche, Macarius und Amathas, die den
toten Antonius auf ein Laken heben, mit dem Kaiser und seinen beiden Begleitern
links in der eben erwähnten Auferweckungsszene, so kann man gleichfalls wesentliche
Übereinstimmungen in der Zeichnung der Gesichter feststellen: die Profillinie über der
hohen Stirn, die gerade Nase und das runde Kinn sind die gleichen bei dem Kaiser
und bei dem Mönch, der die Füße des Antonius emporhebt.
Diese Übereinstimmungen sind besonders für diejenigen von Interesse, die
einen Überblick über die florentinische Trecentokunst während der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts gewonnen haben, denn man wird dann zugeben müssen, daß die
Campora-Fresken (soweit sie nicht übermalt sind) in Hinsicht auf die Typen sich
enger an Giottinos spätere Arbeiten anschließen als an irgendwelche anderen be-
kannten Fresken. Man muß einen Schulzusammenhang zugeben, wenn auch der
wesentliche qualitative Unterschied hervorzuheben ist. Eine Bestätigung hierfür
gewährt die ganze Formbehandlung. In den wenigen Fällen, wo wir einer voll-
ständig erhaltenen Figur in den Campora-Fresken begegnen (besonders die beiden
Eremiten vor der Grotte), beobachten wir eine fließende, sienesische Modellierungs-
methode, eine ziemlich oberflächliche Behandlung der runden, vollen Körper. Es
wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Künstler sich auf eine nähere Erörterung
der Falten der Mönchskutten oder der organischen Struktur der Figuren gar nicht
einläßt. Er fertigt alles Derartige mit der Flüchtigkeit eines untergeordneten Talents
ab, zum großen Unterschied von der sorgfältigen, geschmeidigen Faltenbehandlung
und des relativ klaren Figurenorganismus, wie sie uns in Giottinos Fresken ent-
gegentritt.
Die allgemeine Gestaltung der Kompositionen ist dürftig und einförmig. Es mag
sein, daß die Motive keinen Anlaß zur Einführung von mehr als einer, zwei oder drei
Figuren in der Mehrzahl der Bilder gegeben haben. Diese Figuren treten indessen nicht
auf eine charakteristische oder individuelle Weise auf, sondern schablonenmäßig, mit
denselben vagen Stellungen und Gebärden, wie in der Mehrzahl der Kompositionen
untergeordneter Trecentomaler aus jener Zeit. Der Hintergrund besteht in allen Fres-
ken (außer der Almosenverteilung) aus den bereits erwähnten kristallinischen Felsen,
die meistens die Aussicht versperren und überhaupt keine Illusion der dritten Dimension
gewähren. Nur auf einer schmalen Vordergrundszene haben die Figuren Platz sich zu
bewegen; die Hintergründe drängen sich vor, noch schlimmer als in Taddeo Gaddis Fresken.
Das dekorative Gefühl des Malers ist überhaupt sehr wenig entwickelt gewesen;
er hat sich die Fortschritte auf dem Gebiete der Raumgestaltung, wie sie Giottinos
spätere Arbeiten aufweisen, nicht zunutze machen können. Doch hat er aller Wahr-
scheinlichkeit nach die florentinischen Fresken des Meisters studiert — die erwähnten
stilistischen Ähnlichkeiten legen deutlich Zeugnis hierfür ab — aber seine künstlerische
Begabung hat ihm niemals gestattet, das Wertvollste in ihnen völlig zu verstehen und
nachzubilden. Er ist bei den allgemeinen typologischen Zügen stehen geblieben. Ein
Mangel an individueller Vertiefung macht sich überhaupt in den Campora-Fresken
sehr bemerkbar, der Maler versteht es nicht, uns durch einen persönlichen Erzählerton
zu fesseln.