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Monatshefte für Kunstwissenschaft
den Figuren anderer zeitgenössischer Maler begegnen. Möglicherweise könnte man an
einige Typen ähnlicher Anlage in Antonio Venezianos Fresken denken; jedenfalls aber
ist die Verwandtschaft mit ihnen nicht so stark wie mit den Christusfiguren Giottinos.
Wir haben hier eines der schlagendsten Zeugnisse dafür, daß der Maler im
Schülerverhältnis zu Giottino gestanden hat. Er hat sich mit Erfolg dessen Typen-
charaktere angeeignet, er hat in derselben Richtung auf dem Gebiete der Figurenzeich-
nung und Modellierung gearbeitet, er hat die gedämpften und ruhigen psychologischen
Stimmungsausdrücke angestrebt, aber seine individuelle Begabung hat der dekorativen
Wirkung seiner größeren Kompositionen ziemlich enge Grenzen gesteckt. Er verweilt
vorzugsweise auf der „Gemeinweide" der Trecentomalerei
wenn er sich ganz enge
an ein Vorbild wie Giottino
anschließt.
Fragt man nach
einer Datierung dieser
Fresken in der S.Antonius-
Kapelle der alten Campora-
kirche, so läßt sich, auf
Grund der obigen Unter-
suchung, am ehesten ant-
worten: die Zeit gleich
nach Giottinos Wirken.
Dieser Maler läßt sich bis
gegen 1370 verfolgen; wir
haben somit Grund zu der
Abb. 6. Der Evangelist Lukas
Einen bestimmten Namen für den Künstler können
und ist am erfolgreichsten,
Annahme, daß der Maler
der Antonius-Kapelle wäh-
rend des Anfangs und
der Mitte der 1370er Jahre
tätig gewesen ist. Es wurde
oben, im Anschluß an eine
Angabe bei Puccinelli be-
merkt, daß die Kapelle
wahrscheinlich 1372 ge-
stiftet worden ist. Die Zeit
um 1372—1375 kann so
aus doppelten Gründen als
wahrscheinlichster Termin
für die Ausführung derFres-
ken angegeben werden,
wir nicht angeben, auch
kennen wir keine anderen Gemälde, die mit Sicherheit derselben Persönlichkeit zuge-
wiesen werden könnten. Giottinos nächste Nachfolger sind noch zu wenig studiert worden,
als daß wir eine Sonderung derselben wagen könnten. Vasari vermengt in dieser
Gruppe Namen aus verschiedenen Zeiten, wie Michelino, Giovanni Tossicani, Lippo
und Giovanni del Ponte. Die drei letztgenannten Künstler gehören hauptsächlich dem
XV. Jahrhundert an und dürften zu Lorenzo Monacos Nachfolgern zu rechnen sein.
Ob das gleiche bei Michelino der Fall war, ist dagegen bis auf weiteres unmöglich zu
entscheiden, es ist ein Name, der vorläufig nicht mit bekannten Malereien in Zu-
sammenhang gebradit werden kann und auch in keiner Urkunde angetroffen worden
ist. Sollte sich finden, daß Vasari mit Recht Michelino zu Giottinos nächstem Nach-
folger rechnet, so könnte man ihn möglicherweise für den Meister der Camporafresken
halten, solange aber dieses nicht geschehen, kann man mit dem Namen keinen Begriff
verbinden. Bis auf weiteres müssen wir uns daran genügen lassen zu betonen, daß
Giottinos Figurenstil in abgeschwächter und verkümmerter Gestalt in den Campora-
fresken auftritt, von denen sich somit sagen läßt, daß sie von des „kleinen Giotto"
kleinem Schüler ausgeführt worden sind.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
den Figuren anderer zeitgenössischer Maler begegnen. Möglicherweise könnte man an
einige Typen ähnlicher Anlage in Antonio Venezianos Fresken denken; jedenfalls aber
ist die Verwandtschaft mit ihnen nicht so stark wie mit den Christusfiguren Giottinos.
Wir haben hier eines der schlagendsten Zeugnisse dafür, daß der Maler im
Schülerverhältnis zu Giottino gestanden hat. Er hat sich mit Erfolg dessen Typen-
charaktere angeeignet, er hat in derselben Richtung auf dem Gebiete der Figurenzeich-
nung und Modellierung gearbeitet, er hat die gedämpften und ruhigen psychologischen
Stimmungsausdrücke angestrebt, aber seine individuelle Begabung hat der dekorativen
Wirkung seiner größeren Kompositionen ziemlich enge Grenzen gesteckt. Er verweilt
vorzugsweise auf der „Gemeinweide" der Trecentomalerei
wenn er sich ganz enge
an ein Vorbild wie Giottino
anschließt.
Fragt man nach
einer Datierung dieser
Fresken in der S.Antonius-
Kapelle der alten Campora-
kirche, so läßt sich, auf
Grund der obigen Unter-
suchung, am ehesten ant-
worten: die Zeit gleich
nach Giottinos Wirken.
Dieser Maler läßt sich bis
gegen 1370 verfolgen; wir
haben somit Grund zu der
Abb. 6. Der Evangelist Lukas
Einen bestimmten Namen für den Künstler können
und ist am erfolgreichsten,
Annahme, daß der Maler
der Antonius-Kapelle wäh-
rend des Anfangs und
der Mitte der 1370er Jahre
tätig gewesen ist. Es wurde
oben, im Anschluß an eine
Angabe bei Puccinelli be-
merkt, daß die Kapelle
wahrscheinlich 1372 ge-
stiftet worden ist. Die Zeit
um 1372—1375 kann so
aus doppelten Gründen als
wahrscheinlichster Termin
für die Ausführung derFres-
ken angegeben werden,
wir nicht angeben, auch
kennen wir keine anderen Gemälde, die mit Sicherheit derselben Persönlichkeit zuge-
wiesen werden könnten. Giottinos nächste Nachfolger sind noch zu wenig studiert worden,
als daß wir eine Sonderung derselben wagen könnten. Vasari vermengt in dieser
Gruppe Namen aus verschiedenen Zeiten, wie Michelino, Giovanni Tossicani, Lippo
und Giovanni del Ponte. Die drei letztgenannten Künstler gehören hauptsächlich dem
XV. Jahrhundert an und dürften zu Lorenzo Monacos Nachfolgern zu rechnen sein.
Ob das gleiche bei Michelino der Fall war, ist dagegen bis auf weiteres unmöglich zu
entscheiden, es ist ein Name, der vorläufig nicht mit bekannten Malereien in Zu-
sammenhang gebradit werden kann und auch in keiner Urkunde angetroffen worden
ist. Sollte sich finden, daß Vasari mit Recht Michelino zu Giottinos nächstem Nach-
folger rechnet, so könnte man ihn möglicherweise für den Meister der Camporafresken
halten, solange aber dieses nicht geschehen, kann man mit dem Namen keinen Begriff
verbinden. Bis auf weiteres müssen wir uns daran genügen lassen zu betonen, daß
Giottinos Figurenstil in abgeschwächter und verkümmerter Gestalt in den Campora-
fresken auftritt, von denen sich somit sagen läßt, daß sie von des „kleinen Giotto"
kleinem Schüler ausgeführt worden sind.