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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Steinmann, Ernst: Zur Ikonographie Michelangelos
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0053

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Steinmann. Zur Ikonographie Michelangelos

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gleichaltrig dargestellt sind und ausnahmslos lange Vollbärte tragen, muß bei der wenig
ausgeprägten Porträtkunst des späten Cinquecento zur größten Vorsicht mahnen.1)
Die Entstehungszeit des Reliefs wird in die fünfziger oder sechziger Jahre des
16. Jahrhunderts zu setzen sein. Denn Cosimo de' Medici (f 1574) hatte ja erst im
Jahre 1547 mit der langwierigen Arbeit der Austrocknung der Sümpfe um Pisa be-
gonnen, und seine Sorge für den Ausbau des Hafens fällt in eine noch spätere Zeit.
In den Jahren 1550—55 arbeitete Ammanati meist mit Vasari zusammen in Rom, erst
in der Capella del Monte in S. Pietro in Montorio, dann in der Villa di Papa Giulio.
Vasari war es auch, welcher seinen Freund und Landsmann gegen Bandinellis Intriguen
in Schutz nahm und ihn in Florenz dem Herzog Cosimo vorstellte, in dessen Dienst
er dann fast zwanzig Jahre lang als Architekt und Bildhauer tätig gewesen ist. Die
glänzenden Aufträge Cosimos, der Carteggio zwischen Fürst und Künstler, der noch
zum Teil erhalten ist, bezeugen das unbegrenzte Vertrauen, welches Cosimo I. in
Ammanati setzte, den Vasari nicht mit Unrecht als „protomastro del granduca di Tos-
cana" bezeichnen konnte.2)
Aber nicht nur immerhin allgemeine Porträtähnlichkeiten, nicht nur die zutreffenden
Bestimmungen von Ort und Zeit, nicht nur Ammanatis persönliches Verhältnis zu Cosimo I.
berechtigen zu der Annahme, daß er es gewesen, den sich der Herzog zur Ausführung
dieses Huldigungsreliefs erkoren hat. Auch die schließlich allein entscheidende Frage,
ob Ammanatis Stil und seine sonst bekannten Leistungen als Bildhauer uns ein An-
recht geben, ihn mit jenem Unbekannten des Museo Pio-Clementino zu identifizieren,
läßt sich zu seinen Gunsten beantworten.
Wenn ein so erfahrener Kenner und Sammler wie Cavaceppi seinen köstlichen
Besitz als ein Originalwerk Michelangelos in die Kunstgeschichte einzuführen wagte,
so konnte das nicht ohne einen Schein von Berechtigung geschehen. Das Relief spricht
in der Tat zu uns in der Formensprache Michelangelos, und wie ein Tribut der Dank-
barkeit des Schülers gegen den Meister erscheint hier das Porträt des großen Floren-
tiners. Nun ist aber Ammanati von Jugend an ein besonders eifriger Verehrer
Buonarrotis gewesen. Ja, er erregte des Meisters berechtigten Zorn, als er gemeinsam
mit anderen Kunstjüngern aus seinem Atelier unschätzbare Zeichnungen entwendete.
Ursprünglich Schüler Bandinellis, dann weiter unter Jacopo Sansovino in Venedig ge-
bildet, gab Ammanati den Lockungen Michelangelos seine ganze Vergangenheit preis,
nachdem er Gelegenheit gefunden, die Skulpturen der Sakristei von San Lorenzo zu
zeichnen und nadizubilden. In Rom knüpfte sich dann durch Vasaris Vermittlung ein

9 In S. Giovannino degli Scolopi in Florenz wurde Ammanati auch von Alessandro Allori
als h. Bartholomäus gemalt. An das Modell, welches Ammanati auf dem vatikanischen Relief im
Arme trägt, läßt sich die Vermutung knüpfen, daß es ein Modell vorstellt, welches Michelangelo
lange schon Ammanati versprochen hatte und am 14. Januar 1560 endlich wohlverpackt in einer
Schachtel durch den Mulattiere Marco da Luca an ihn absandte. Vgl. Milanesi, Lettere p. 349
n. CCCXVIII. Würde diese Vermutung zutreffen, so wäre also das vatikanische Relief erst
nach 1560 in Florenz entstanden.
2) Ed. Milanesi VII, 510.
 
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