Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

DOI issue:
Heft 6
DOI article:
Suida, Wilhelm: Altsteirische Bilder im Landesmuseum "Johanneum" zu Graz
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0534

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
526

Monatshefte für Kunstwissenschaft


Abb. 2. österreichischer Maler um
1430. Der hl. Oswald, König
von England □
□ Landesmuseum, Graz

zu füllen als eine bestimmte Begebenheit anschaulich zu schildern, in der Farbengebung
eine Vorliebe für zarte und gebrochene Töne, — all das sind Momente, die insbe-
sondere den Martinsaltar mit dem des heiligen Sylvester verbinden, wogegen das
Madonnenfresko schon als eine etwas vorgeschrittenere Arbeit aufzufassen sein dürfte.
Der Martinsaltar ist ein sehr frühes Beispiel dieses Stiles, an welchen sehr deutliche
Anklänge noch das große Wandbild mit der Darstellung
der Landplagen von 1480 an der Außenseite des Grazer
Doms aufweist. Ähnlich ist dort noch das Architektonische,
die dekorative Verwendung der Schriftbänder, der Aufbau
der Komposition, vorgeschritten der Sinn für das Land-
schaftliche, sowie die treffliche Naturbeobachtung in den
drastisch erzählten historischen Szenen.
Der Frühzeit des XV. Jahrhunderts gehört auch
noch ein Altarflügel an, der in zweidrittel Lebensgröße
die Gestalt des heiligen Oswald, Königs von England,
zeigt; (Abbildung 2) in Eisenrüstung, die Krone auf dem
Haupte, hält er in der Rechten eine Fahne, auf der wir
drei Löwen sehen, die Linke hält den Reichsapfel, auf dem
der treue Rabe mit dem Ringlein im Schnabel Platz ge-
nommen hat. Diese derbknochige, etwas ungeschlachte
Erscheinung ist von dem Menschenschlag des Martins-
altars außerordentlich verschieden. Und dodi kann die
Entstehungszeit beider Werke nicht so weit auseinander
liegen. Wir stehen noch auf einer primitiveren Stil-
stufe, als sie das Dombild von 1457,9 die große
Kreuzigung des Konrad Laib, kennzeichnet. Zum Ver-
gleiche mag man Einzelfiguren des Laib, allerdings Spät-
werke dieses Künstlers, die Heiligen Primus und Hermes
aus dem Salzburger Museum, neben unseren heiligen
Oswald halten. (Abbildung 3.) Sehr tüchtig schon hier
der in rötlichen und bräunlichen Tönen durchmodellierte
Kopf, schwächer und schwammiger die Hand des Königs;
wogegen an dem heiligen Hermes jene erstaunliche
Kenntnis des Knochengerüstes auffällt, wodurch die
Drastik und Präzision der Bewegung der Gestalt er-
möglicht war. Neben dem hühnen Kontrapost der

Glieder des Hermes, der ruhig aufgebauten Gestalt des Primus, erscheint unser

geharnischter König noch etwas lahm und primitiv.
Von den Stileinflüssen, die mit dem Dombilde in die Hauptstadt Steiermarks

9 Dem Meister der Wiener Kreuzigung wird im Museum von Basel eine schmale hohe
Tafel der Kreuzigung zugeschrieben. Mag dieselbe auch österreichisch sein, so gehört sie doch
nicht der Laib-Pfenning-Gruppe an, eher könnte man an anderer Stelle, wie zum Beispiel in
einer Beweinung Christi in St. Leonhard in Kärnten, Stilanalogien zum Baseler Bilde finden.
 
Annotationen