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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Heilige nahen, darunter vornan der hl. Bartho-
lomäus und Ulrich, die den [knieenden Stifter,
einen Geistlichen, empfehlen. Oben mit Maß-
werk abgeschlossen. Anscheinend Entwurf für
einen geschnitzten Altarschrein. Die Heiligen
Ulrich und Afra weisen auf Augsburg hin. Breit
getuschte Federzeichnung."
Die hier nicht näher [erwähnten Heiligen
sind rechts neben dem hl. Ulrich St. Hierony-
mus im Kardinalsgewand und St. Simpertus,
welche von den hinter ihnen stehenden Heiligen
Afra, Benediktas und Scholastika überragt
werden.
Abb. 1. Zeichnung, Hans Holbein d. Ä. zu-
geschrieben in der öffentlichen Kunst-
sammlung in Basel □
Glasers Vermutung, daß die Arbeit durch die
Heiligen Ulrich und Afra — er hätte auch noch
den heiligen Simpertus hinzusetzen dürfen —
auf Augsburg hinweise, findet ihre Bestätigung
durch ein noch vollständig erhaltenes Werk,
welches sich wortwörtlich mit der Zeichnung
deckt. Es ist das schöne Sandstein-Epitaph des
Abtes Konrad Mörlin im Maximilians-Museum
in Augsburg (Abb. 2).
Konrad Mörlin (1496—1510), der kunstbe-
geistertste Abt, der je dem Konvent von St.
Ulrich und Afra vorstand, hatte bereits ein
Jahr nach seiner Erwählung (1497) den Ge-
danken gefaßt, sich ein Denkmal zu setzen.1)
Es mag um 1500 vollendet worden sein. Bis
9 Felix Mader, Studien über den Meister des Mörlin-
Denkmals (Gregor Erhardt ?) in „die christliche Kunst III"
(1906) S. 18 ff. Abbild. S. 23.
1850 blieb es im Kapitelsaal des Klosters an
seinem ursprünglichen Standort, dann wurde es
in das Maximiliansmuseum verbracht.
Würde nicht schon die völlig gleiche Gruppie-
rung der sieben männlichen Heiligenfiguren1)
einen engeren Zusammenhang der Baseler Zeich-
nung und des Augsburger Epitaphs bezeugen,
so müßte doch schließlich jeder Zweifel weichen
in Anbetracht des Stifterwappens auf der Baseler
Skizze, das eben jenes des Abtes Mörlin ist.
Nun aber fragt es sich, in welchem Verhält-
nisse stehen Zeichnung und Skulptur zueinander.
Stellt jene, wie Glaser vermutet, einen Entwurf
dar? Ich glaube nicht. Vielmehr erweckt die
Skizze in ihrer ganzen, gleichmäßig strengen
und kräftigen Schattenbehandlung den Eindruck
einer Nachzeichnung nach dem schon vorhan-
denen plastischen Werk. Dafür spricht auch die
Gleichheit einzelner Faltenpartien wie z. B. die
Schoßfalte der Maria, dann der über die Stufe
des Thrones herabfallende Gewandsaum, der
Rauchmantel des heiligen Ulrich und anderes
mehr. Es läßt sich nicht wohl annehmen, daß
ein Meister von der Bedeutung, der feinen
Empfindung und der Selbstständigkeit wie der
Schöpfer des Mörlin-Epitaphes sich in so ängst-
lich-sklavischer Weise an eine Vorzeichnung ge-
halten hätte, ganz abgesehen davon, daß es
dem bildhauerischen Schaffen überhaupt wider-
strebt, derartige Einzelheiten so peinlich genau
aus einer graphischen Skizze ins Plastische zu
übertragen; sie müßte denn höchstens schon
vollständig im bildhauerischen Sinne konzipiert
und vorbereitet sein.
Eine Reihe von Unterschieden, wie die Hal-
tung einzelner Figuren, namentlich in den
Köpfen, oder die malerische Überschneidung des
unteren Bildrandes durch eine Falte des Ge-
wandes wird man auf die Flüchtigkeit der
Skizze zu setzen haben.
Gegen die Annahme, daß die Skizze die
Vorlage für das Epitaph bildete, und daß sie
Hans Holbein der Ältere zu diesem Zwecke ent-
worfen hätte, scheint mir auch die ganze Kompo-
sition nachdrücklich zu sprechen. Es läßt sich
zwar nicht leugnen, daß ein gewisser malerischer
Zug durch die ganze Gruppierung geht; aber
das eignet schließlich allen Werken des Mörlin-
meisters. Wie beschränkt aber ist dieses Male-
rische gegenüber der Freiheit in Holbeins Kompo-
sitionen! Freilich könnte man entgegnen, daß
der Maler in diesem Falle eben mit Rücksicht
auf den Zweck der Zeichnung seinem bildlichen
9 Maders Annahme, der vordere Heilige sei Petrus,
wird durch die Zeichnung, welche den hl. Bartholomäus
durch das im Relief abgebrochene Messer kennzeichnet,
richtig gestellt.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Heilige nahen, darunter vornan der hl. Bartho-
lomäus und Ulrich, die den [knieenden Stifter,
einen Geistlichen, empfehlen. Oben mit Maß-
werk abgeschlossen. Anscheinend Entwurf für
einen geschnitzten Altarschrein. Die Heiligen
Ulrich und Afra weisen auf Augsburg hin. Breit
getuschte Federzeichnung."
Die hier nicht näher [erwähnten Heiligen
sind rechts neben dem hl. Ulrich St. Hierony-
mus im Kardinalsgewand und St. Simpertus,
welche von den hinter ihnen stehenden Heiligen
Afra, Benediktas und Scholastika überragt
werden.
Abb. 1. Zeichnung, Hans Holbein d. Ä. zu-
geschrieben in der öffentlichen Kunst-
sammlung in Basel □
Glasers Vermutung, daß die Arbeit durch die
Heiligen Ulrich und Afra — er hätte auch noch
den heiligen Simpertus hinzusetzen dürfen —
auf Augsburg hinweise, findet ihre Bestätigung
durch ein noch vollständig erhaltenes Werk,
welches sich wortwörtlich mit der Zeichnung
deckt. Es ist das schöne Sandstein-Epitaph des
Abtes Konrad Mörlin im Maximilians-Museum
in Augsburg (Abb. 2).
Konrad Mörlin (1496—1510), der kunstbe-
geistertste Abt, der je dem Konvent von St.
Ulrich und Afra vorstand, hatte bereits ein
Jahr nach seiner Erwählung (1497) den Ge-
danken gefaßt, sich ein Denkmal zu setzen.1)
Es mag um 1500 vollendet worden sein. Bis
9 Felix Mader, Studien über den Meister des Mörlin-
Denkmals (Gregor Erhardt ?) in „die christliche Kunst III"
(1906) S. 18 ff. Abbild. S. 23.
1850 blieb es im Kapitelsaal des Klosters an
seinem ursprünglichen Standort, dann wurde es
in das Maximiliansmuseum verbracht.
Würde nicht schon die völlig gleiche Gruppie-
rung der sieben männlichen Heiligenfiguren1)
einen engeren Zusammenhang der Baseler Zeich-
nung und des Augsburger Epitaphs bezeugen,
so müßte doch schließlich jeder Zweifel weichen
in Anbetracht des Stifterwappens auf der Baseler
Skizze, das eben jenes des Abtes Mörlin ist.
Nun aber fragt es sich, in welchem Verhält-
nisse stehen Zeichnung und Skulptur zueinander.
Stellt jene, wie Glaser vermutet, einen Entwurf
dar? Ich glaube nicht. Vielmehr erweckt die
Skizze in ihrer ganzen, gleichmäßig strengen
und kräftigen Schattenbehandlung den Eindruck
einer Nachzeichnung nach dem schon vorhan-
denen plastischen Werk. Dafür spricht auch die
Gleichheit einzelner Faltenpartien wie z. B. die
Schoßfalte der Maria, dann der über die Stufe
des Thrones herabfallende Gewandsaum, der
Rauchmantel des heiligen Ulrich und anderes
mehr. Es läßt sich nicht wohl annehmen, daß
ein Meister von der Bedeutung, der feinen
Empfindung und der Selbstständigkeit wie der
Schöpfer des Mörlin-Epitaphes sich in so ängst-
lich-sklavischer Weise an eine Vorzeichnung ge-
halten hätte, ganz abgesehen davon, daß es
dem bildhauerischen Schaffen überhaupt wider-
strebt, derartige Einzelheiten so peinlich genau
aus einer graphischen Skizze ins Plastische zu
übertragen; sie müßte denn höchstens schon
vollständig im bildhauerischen Sinne konzipiert
und vorbereitet sein.
Eine Reihe von Unterschieden, wie die Hal-
tung einzelner Figuren, namentlich in den
Köpfen, oder die malerische Überschneidung des
unteren Bildrandes durch eine Falte des Ge-
wandes wird man auf die Flüchtigkeit der
Skizze zu setzen haben.
Gegen die Annahme, daß die Skizze die
Vorlage für das Epitaph bildete, und daß sie
Hans Holbein der Ältere zu diesem Zwecke ent-
worfen hätte, scheint mir auch die ganze Kompo-
sition nachdrücklich zu sprechen. Es läßt sich
zwar nicht leugnen, daß ein gewisser malerischer
Zug durch die ganze Gruppierung geht; aber
das eignet schließlich allen Werken des Mörlin-
meisters. Wie beschränkt aber ist dieses Male-
rische gegenüber der Freiheit in Holbeins Kompo-
sitionen! Freilich könnte man entgegnen, daß
der Maler in diesem Falle eben mit Rücksicht
auf den Zweck der Zeichnung seinem bildlichen
9 Maders Annahme, der vordere Heilige sei Petrus,
wird durch die Zeichnung, welche den hl. Bartholomäus
durch das im Relief abgebrochene Messer kennzeichnet,
richtig gestellt.