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Monatshefte für Kunstwissenschaft
persönliches Verhältnis zwischen beiden Künstlern an, das Ammanati bis zum Tode
Michelangelos mit großer Treue gepflegt hat.1)
Man muß Ammanatis Hauptwerk in Rom, die Skulpturen der Capella del Monte
in S. Pietro in Montorio studieren, um den verhängnisvollen Einfluß Michelangelos auf
seinen Freund und Landsmann ganz zu ermessen. Schon Bottari war von der meister-
haften Technik dieser Skulpturen entzückt und schrieb, sie schienen aus Wachs und
nicht aus Marmor hergestellt.2) Und selbst Burckhardt, der die Schöpfungen der späten
Renaissance nichts weniger als wohlwollend beurteilt hat, gibt zu, daß hier zwischen
der manierierten Nachahmung Michelangelos doch einige schönere Züge durchschimmern.")
Das Hauptstück unter den Skulpturen in S. Pietro in Montorio aber ist zweifelsohne die
liegende Statue des Cardinals mit der vielsagenden Geste der auf dem erhobenen Knie
ruhenden Rechten, die Ammanati einfach dem Ledabilde Michelangelos entlehnt hat,
um sie dann bei der Allegorie von Pisa noch einmal zu verwenden.
Auch die beiden wundervoll gearbeiteten Flachreliefs an den Kapellenschranken
— unbekannte Porträts eines bartlosen Mannes und einer älteren Frau — bieten be-
sonders schlagende Übereinstimmungen mit den ebenso flach gearbeiteten Köpfen links
im Hintergründe des vatikanischen Reliefs. Hier und dort kann man dieselbe subtile
Technik in der Marmorbearbeitung beobachten, hier und dort begegnen uns so charak-
teristische Einzelheiten wie die Behandlung der kurzen, krausen Haarbüschel, welche
regelmäßig das Ohr mit der breiten Muschel freilassen.
Die Freude an höchster technischer Vollkommenheit in der Bearbeitung des
Marmors erscheint als einer der vornehmsten Charakterzüge in Ammanatis Kunst. Das
erkennt man in S. Pietro in Montorio sowohl wie im Vatikan an der Behandlung des
Nackten, wo durch die feine Haut das ganze Knochengerüst hindurchzuschimmern
scheint, an den Händen mit dem herausgebogenen Handgelenk und den feinen beweg-
lichen Fingern und an der zierlichen Faltengebung der Gewänder, durch welche die
Körperformen sichtbar werden.4)
Ist Ammanatis Michelangelo-Porträt, welches wahrscheinlich in den Jahren zwischen
1555 und 1564 entstanden ist, eins der spätesten Michelangelo-Bildnisse, die wir kennen,
9 Vgl. über Ammanati: Vasari VI, 574, VII, 227, 521. Borghini, Riposo (Mailänder Aus-
gabe) III p. 164 ff. gibt eine zusammenhängende Darstellung von Ammanatis Leben und Wirken.
Etwas kürzer faßt sich Baglione (Le vite de' pittori, scultori, architetti etc. Napoli 1733. p. 26);
am ausführlichsten ist Baldinucci (Mailänder Ausgabe) VII, 399. Wenig befriedigen die Aus-
führungen von Marcel Reymond, Sculpture Florentine IV, 157. Florence 1900. Über die Arbeiten
Ammanatis in Pisa vgl. Morrona, Pisa illustrata. Livorno 1812. I, 211 und II, 314. Zahlreiche
Briefe Ammanatis an Cosimo de' Medici hat Gaye im III. Bande des Carteggio publiziert. Vgl.
auch Guhl, Künstlerbriefe I, 307 ff und Bottari, Lettere pittoriche III, 529 u. V, 39.
2) Ausgabe Vasaris. Rom 1760. p. 273.
^ Achte Auflage II, 550.
4) Die Möglichkeit einer erschöpfenden Stilkritik der plastischen Arbeiten Ammanatis ist
heute noch nicht gegeben, da von seinen Werken in Pisa, Florenz, Padua und Neapel gute Auf-
nahmen fast vollständig fehlen.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
persönliches Verhältnis zwischen beiden Künstlern an, das Ammanati bis zum Tode
Michelangelos mit großer Treue gepflegt hat.1)
Man muß Ammanatis Hauptwerk in Rom, die Skulpturen der Capella del Monte
in S. Pietro in Montorio studieren, um den verhängnisvollen Einfluß Michelangelos auf
seinen Freund und Landsmann ganz zu ermessen. Schon Bottari war von der meister-
haften Technik dieser Skulpturen entzückt und schrieb, sie schienen aus Wachs und
nicht aus Marmor hergestellt.2) Und selbst Burckhardt, der die Schöpfungen der späten
Renaissance nichts weniger als wohlwollend beurteilt hat, gibt zu, daß hier zwischen
der manierierten Nachahmung Michelangelos doch einige schönere Züge durchschimmern.")
Das Hauptstück unter den Skulpturen in S. Pietro in Montorio aber ist zweifelsohne die
liegende Statue des Cardinals mit der vielsagenden Geste der auf dem erhobenen Knie
ruhenden Rechten, die Ammanati einfach dem Ledabilde Michelangelos entlehnt hat,
um sie dann bei der Allegorie von Pisa noch einmal zu verwenden.
Auch die beiden wundervoll gearbeiteten Flachreliefs an den Kapellenschranken
— unbekannte Porträts eines bartlosen Mannes und einer älteren Frau — bieten be-
sonders schlagende Übereinstimmungen mit den ebenso flach gearbeiteten Köpfen links
im Hintergründe des vatikanischen Reliefs. Hier und dort kann man dieselbe subtile
Technik in der Marmorbearbeitung beobachten, hier und dort begegnen uns so charak-
teristische Einzelheiten wie die Behandlung der kurzen, krausen Haarbüschel, welche
regelmäßig das Ohr mit der breiten Muschel freilassen.
Die Freude an höchster technischer Vollkommenheit in der Bearbeitung des
Marmors erscheint als einer der vornehmsten Charakterzüge in Ammanatis Kunst. Das
erkennt man in S. Pietro in Montorio sowohl wie im Vatikan an der Behandlung des
Nackten, wo durch die feine Haut das ganze Knochengerüst hindurchzuschimmern
scheint, an den Händen mit dem herausgebogenen Handgelenk und den feinen beweg-
lichen Fingern und an der zierlichen Faltengebung der Gewänder, durch welche die
Körperformen sichtbar werden.4)
Ist Ammanatis Michelangelo-Porträt, welches wahrscheinlich in den Jahren zwischen
1555 und 1564 entstanden ist, eins der spätesten Michelangelo-Bildnisse, die wir kennen,
9 Vgl. über Ammanati: Vasari VI, 574, VII, 227, 521. Borghini, Riposo (Mailänder Aus-
gabe) III p. 164 ff. gibt eine zusammenhängende Darstellung von Ammanatis Leben und Wirken.
Etwas kürzer faßt sich Baglione (Le vite de' pittori, scultori, architetti etc. Napoli 1733. p. 26);
am ausführlichsten ist Baldinucci (Mailänder Ausgabe) VII, 399. Wenig befriedigen die Aus-
führungen von Marcel Reymond, Sculpture Florentine IV, 157. Florence 1900. Über die Arbeiten
Ammanatis in Pisa vgl. Morrona, Pisa illustrata. Livorno 1812. I, 211 und II, 314. Zahlreiche
Briefe Ammanatis an Cosimo de' Medici hat Gaye im III. Bande des Carteggio publiziert. Vgl.
auch Guhl, Künstlerbriefe I, 307 ff und Bottari, Lettere pittoriche III, 529 u. V, 39.
2) Ausgabe Vasaris. Rom 1760. p. 273.
^ Achte Auflage II, 550.
4) Die Möglichkeit einer erschöpfenden Stilkritik der plastischen Arbeiten Ammanatis ist
heute noch nicht gegeben, da von seinen Werken in Pisa, Florenz, Padua und Neapel gute Auf-
nahmen fast vollständig fehlen.