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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 6
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0550

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542

Monatshefte für Kunstwissenschaft

auch genügend Abweichungen, um das von
Haupt angenommene Verhältnis zum wenigsten
zu erschüttern. Noch weniger glaubhaft aber
erachte ich es, daß der Stich ein wenn auch
modifiziertes Abbild des zugrunde gegangenen
Chorgestühls von St. Anna in Augsburg sei
und mehr als gewagt erscheint die Anschauung
Haupts, daß die „stehenden weiblichen Heiligen,
wenn wir sie zu Büsten in der Höhe der Lehnen


Abb. 5. Entwurf zu einem Altar im Museum

in Basel


abschneiden, fast alle direkt als Reminiszensen
an die bekannten Berliner Büsten zu bezeichnen"
seien, ich wenigstens kann nicht die geringste
Beziehung finden.
Es will nun hier keineswegs der Frage näher
getreten werden, ob wir es bei den Baseler
Zeichnungen in der Tat mit Flötnerschen Ent-
würfen zu tun haben, und ob Flötner der frei-
willige oder unfreiwillige „Lieferant" der Hopfer
war. Vielmehr sollen nur einige der von Haupt
in die Flötnerfrage gezogenen ausgeführten

Werke, Stiche und Zeichnungen in ihr richtiges
Verhältnis zueinander gesetzt werden.
Haupt reiht unter die Arbeiten Peter Flötners
einen Frührenaissance-Altar im Kreuzgang der
Gumbertikirche zu Ansbach (Abb. 3) ein, nach
welchem Hieronymus Hopfer einen Stich (Abb. 4)
gefertigt haben soll.1) Der Stich (B. 22) schien
mir nach anderer Richtung von Interesse und
gab mir Veranlassung zu einer Nachprüfung
dieser Behauptung.
Der Altar ist von mäßiger Größe und sehr
gefälligem Aufbau und verdient zweifellos als
Werk der Frührenaissance besondere Beachtung.
Meines Erachtens bestehen nun zwischen dem
Altärchen und dem Hopferschen Blatte nicht
mehr Berührungspunkte, als wie sich solche bei
unzähligen Altären und Epitaphien jener Zeit
herausgrübeln lassen. Ganz abgesehen von den
völlig veränderten Verhältnissen ergeben sich
wesentliche Unterschiede schon dadurch, daß
die flügelartigen Seitenteile des Ansbacher Altars
Heiligengestalten in ganzer Figur und zwar ge-
malt tragen — nicht bloß Nischen für Statuetten,
wie Haupt sagt — während auf dem Hopferschen
Stich diese Heiligen als kräftig modellierte Büsten
in tiefen Nischen gedacht sind. Auch der Mittel-
schrein des Altars umschloß ursprünglich ein
kleines, jetzt verloren gegangenes Bildchen, das
nach seinem Format und den beiden Bibelstellen
über und unter demselben wohl eine Kreuzigung
Christi darstellte. Die Architektur ist eine völlig
andere als jene des Stiches und gibt sich in der
Ausführung, die nicht gerade sehr fein und
etwas bäuerlich bunt ist, als eine von allem
Anfang an auf Bemalung berechnete „Kistler-
arbeit"; nichts deutet auf ein plastisches Werk
von Holz oder Stein im Sinne der Radierung
des Hieronymus Hopfer. Vor der flachen leeren
Bildnische des Schreines des Altärchens steht
seit Jahren eine in Holz geschnittene Salvator-
statue, die Haupt verführt haben mag, Altar
und Stich zu identifizieren. Die Figur gehört
jedoch sicherlich nicht zum Altar, denn sie ist eine
noch durchaus gotische Arbeit, die um wenigstens
zwanzig Jahre älter ist als jener. Kurzum von
einer „fast wörtlichen" Abbildung des Altares
kann bei dem Stiche des Hieronymus Hopfer
nicht die Rede sein. Dagegen halte ich es nicht
für ausgeschlossen, was Haupt vollständig ent-
gangen ist, daß ein Altarentwurf unter den
Baseler Goldschmiedrissen dem Meister des
Ansbacher Altärchens bekannt war (Abb. 5).
') Jahrbuch der K. Preußischen Kunstsammlung XXVI
(1905) S. 149 u. Abb. 26. Davon daß „der Altar halb zer-
trümmert im Kreuzgang liege" und daß „das schöne Werk
dort langsam zugrunde gehe", kann keine Rede sein.
Ich kenne den Altar seit Jahren und fand ihn stets in dem
gleich guten Zustande, in dem ihn unsere Aufnahme zeigt.
Er wechselte nur einmal seinen Standort.
 
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