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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 6
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0552

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544

Monatshefte für Kunstwissenschaft

Christusnische des Stiches, tragen Helm und
Wappenschild der Augsburger Familie Hörwarth.
Hierdurch wird die bisher unkontrollierbare Tra-
dition, daß der Salvator ursprünglidi auf dem
Altar der Hörwarthschen Begräbniskapelle bei
St. Georg in Augsburg gestanden haben soll,
zur Gewißheit erhoben. Über die Provenienz
der Statue und die Art ihrer ursprünglichen
Aufstellung fehlten bisher nähere und sichere
Angaben. Der Stich von Hieronymus Hopfer
löst nun die verschiedenen Fragen in befriedigen-
der Weise. 1506 war der Bau der Hörwarth-
kapelle beendigt; seit 1513 hatte Loy Hering
Augsburg verlassen und sich in Eichstätt nieder-
gelassen. Zwischen diese Grenzen müssen wir
auch den Altar ansetzen, und zwar dem Sti
des Salvators entsprechend, wahrscheinlich in
das Ende der Augsburger Zeit des Künstlers,
etwa in das Jahr 1512. Aus dem Flötnerschen
Opus hat der Altar in St. Georg, wie ihn
Hieronymus Hopfer uns überliefert hat, auszu-
scheiden. Er fügt sich in seinem Steindiarakter
ohne Zwang in die Weise des Loy Hering ein
und bereichert nicht unwesentlich unsere Kenntnis
über diesen aus der Augsburger Spätgotik her-
ausgewachsenen Meister, der in die Früh-
renaissance unmittelbar überleitet und zu ihren
eigenartigsten und fruchtbarsten Vertretern in
Süddeutschland zählt.
Mit den bisher veröffentlichten Baseler Gold-
schmiederissen haben Herings Werke nichts ge-
mein; trotzdem erscheint es angezeigt, auch nach
ihm in dieser Fundgrube einmal zu schürfen,
ebenso wie auch das umfangreiche Werk des
„räuberischsten Diebgesindels" der Hopfer noch
manche Entdeckung erwarten läßt. Gerade bei
dem großen Widerstreit der Meinungen über die
Urheberschaft der vier Fuggerreliefs in St. Anna
in Augsburg, der „Geburtsstätte der deutschen
Renaissance", in dem die Namen Daucher, Flötner,
Hering, Gregor Erhardt usw. abwechselnd er-
tönen, ist Klarheit und Sicherheit in allen Einzel-
heiten für einen nicht wankenden Aufbau Grund-
bedingung.Haupt schoß m. E. in seinem Enthusias-
mus für Flötner oft weit über das Ziel hinaus.
Bröckelt aber da und dort von seinem stolzen
Bau auch manches Stück ab, wie es Brinckmanns
Forschungen und auch unsere Untersuchungen
bewiesen haben, so wird man ihm dennoch
Dank wissen müssen für die neuen Spuren, die
er uns auf diesem dunkeln Gebiet gewiesen
hat.

WEITERES AUS MILET
Im 3. Heft dieser Zeitschrift, oben S. 195 ff.,
wurde auf Grund einer eben erschienenen Son-
derpublikation über einen wichtigen architekto-
nischen Einzelfund der milesischen Ausgrabungen,
das Rathaus, ausführlich gehandelt. Als Ergänzung
dazu kann im folgenden von dem Fortgange
und den Resultaten der Ausgrabungsarbeiten
während der Jahre 1906 und 1907 berichtet wer-
den, über welche deren Leiter Theodor Wiegand
im Anhang zu den Abhandlungen der K. Preußi-
schen Akademie der Wissenschaften 1908 soeben
Rechenschaft ablegt.
Während sich die bisherigen Untersuchungen
im Umkreise und auf dem Boden des hellenistisch-
römischen Milet bewegten, ist man jetzt auf
einen Teil der alten, vorhellenistischen Stadt ge-
stoßen, die im Jahre 494 v. Chr. dem Ansturm
der Perser zum Opfer fiel. Die Entdeckung ist
in erster Linie für die Stadtgeschichte und Topo-
graphie von Wichtigkeit, indem sie lehrt, daß
das alte Milet, dessen Macht eben durch den
Persersturm gebrochen wurde, um ein volles
Drittel über alle späteren Stadtgrenzen hinaus-
ragte. Die Kunstgeschichte erhält Bereicherung
und Aufklärung hauptsächlich auf dem Gebiete
der Vasenforschung. Es sind bei den Grabungen
zahlreiche Vasenscherben aller archaischen Gat-
tungen bis zu den spätmykenisdien rückwärts
in lückenloser Folge gefunden worden, und in
dieser Folge rangiert auch in Milet zwischen
dem spätmykenischen und dem orientalisieren-
den ein geometrischer Stil, dessen Auftreten
und Wirkung innerhalb der milesischen Keramik
Böhlau, Aus ionischen und italischen Nekropolen,
S. 77, noch nicht nachweisen konnte. Die von
Böhlau vorgenommene Scheidung zwischen sa-
mischen und milesischen Vasen erfährt durch
die neuen Funde zunächst wenigstens keine Be-
stätigung, denn es stehen unter ihnen die „sa-
mischen" Scherben den milesischen an Zahl un-
gefähr gleich, so daß Wiegand mit der Mög-
lichkeit rechnet, der „samische" Stil könne eine
jüngere Abwandlung des milesischen sein. Bei
dem klaren, fest umrissenen Charakterbild dieses
Stiles, wie es Böhlau gezeichnet hat, will mir
diese Annahme nicht sehr wahrscheinlich vor-
kommen, aber auch die zweite, dann allein fast
noch übrigbleibende Erklärung, daß von Samos
aus ein ausgedehnter Import von Tongefäßen
nach Milet erfolgt sei, stößt auf Schwierigkeiten
angesichts der Tatsache, daß Milet selbst über
eine blühende keramische Industrie verfügte. Es
muß abgewartet werden, ob weitere Funde und
Forschungen auf dem Boden Altmilets Licht über
diese Frage verbreiten.
 
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