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Monatshefte für Kunstwissenschaft
von neueren Meistern Bilder von Orchardson,
Guthrie, Lavery, D. Y. Cameron usw. In den
nach der Zeit des Entstehens geordneten Sälen
finden sich u. a. zwei Porträts William Aikmans
(XVII. und XVIII. Jahrh.); Werke Allan Ramsays
und dessen Schüler David Martin, der wiederum
Raeburn einigen Unterricht zuteil werden ließ;
John Scougals und Alexander Runcimans, alles
Künstler des XVIII. Jahrhunderts; sodann eine
Reihe ausgezeichneter Raeburns, darunter ein
bisher noch nie ausgestelltes weibliches Porträt
„Miss Emily de Vismes"; Wilkies, Sir John Wat-
son Gordons, James Drummonds usw. Robert
Scott Lauder, der Vater und Lehrer der mo-
dernen schottischen Künstler, ist durch „The
Trial of Effice Deans" vertreten; Wm. Dyce,
„der schottische Prärafaelit", durch „Titian ma-
king his first essay in colour". Von älteren
Landschaftern finden sich Beispiele von John
Thompson, P. Nasmyth u. a. m. — Mit Recht
darf das Vorwort des Katalogs wohl behaupten,
daß diese Ausstellung „die umfassendste und
feinste sei, die je von schottischer Kunst statt-
gefunden habe. Wenn man bedenkt, welche
Anregungen vor mehreren Jahren die modernen
Schotten in Deutschland den Landschaftern ge-
geben und welches Interesse sie damals gefun-
den haben und zum Teil noch finden, so darf
man wohl annehmen, daß die Ausstellung, die
die historische Entwicklung dieser nordischen
Kunst vorführt, auch in Deutschland hohem
Interesse begegnen wird. — Noch ein drittes
britisches Kunstzentrum hat eine retrospektive
Ausstellung eröffnet: Liverpool. Die englische
Kultur freilich, die namentlich früher sich ganz
in London konzentrierte, ließ große und bedeut-
same Nebenzentren nicht recht aufkommen, ab-
gesehen nur von Schottland, das ja besonders
in früherer Zeit immer eine gewisse nationale
und kulturelle und damit künstlerische Eigenart
bewahrt hat. Jedoch Liverpool besaß seine
eigene „Academy", und dieser gebührt das Ver-
dienst, als einzige offizielle Körperschaft schon
frühzeitig die Prärafaeliten - Bewegung nach
Kräften unterstützt zu haben, zu einer Zeit, als sie
noch als Sauerteig in den sonst völlig charakterlos
gewordenen Teig der englischen Kunst Gährung
und Bewegung brachte. Und die Liverpool
Society of Artists, die Vorläuferin dieser Aca-
demy, hatte seinerzeit, 1774, die erste Kunst-
ausstellung in der englischen Provinz überhaupt
zustande gebracht. So kann die jetzige Aus-
stellung der Liverpooler Schule keine Künstler
ersten Ranges aufweisen, hat aber ihr ent-
schiedenes Interesse darin, daß sie es ermöglicht,
eine wenigstens teilweise bodenständigeProvinz-
kunst durch 200 Jahre hindurch zu verfolgen.
Namen wie George Stubbs, William Huggins,
A. W. Hunt und namentlich W. L. Windus, ein
Blutsverwandter der Prärafaeliten, den Ruskin
aufs Schild erhob, haben in der englischen
Malerei einen gewissen Klang. — Kunst ist
jetzt der fashionable Gesprächsstoff in London,
denn die Royal Academy mit ihren 1200 Bildern
steht offen, und jeder muß sie gesehen haben.
Es hätte hier keinen Sinn, auf diesen Bilder-
markt, der meist Gesellschaftszwecken dient,
näher einzugehen, Nur eines soll man wohl
sagen. Es findet sich unter diesen zahireidien
unterschiedlichen Bildern eines, das „auf Befehl
des Königs" ausgestellt ist und die Verleihung
des Hosenbandordens an den König von Nor-
wegen durch den König in Windsor darstellt.
Vielleicht hätte man ohne diesen höchsten Be-
fehl das Bild abgelehnt, vielleicht, aber wenn
derartige Machwerke, die mit Kunst überhaupt
nichts zu tun haben, von der Gesellschaft und
ihren Spitzen bevorzugt werden, dann begreift
man, welchen unsäglich schweren Kampf die
heutige Kunst hier durchzumachen hat. Ein
Hofzeremoniell ist ja freilich nicht leicht zu einem
Kunstwerk zu erheben, deswegen braucht man
aber nicht einen Mann zu engagieren, dem die
einfachsten Prinzpien seiner Kunst ermangeln.
Menzel hat ja doch gezeigt, wie man auch aus
solchen Aufgaben wenn nicht Gold, so doch
Silber schlagen kann. Aber in jeder Academy-
ausstellung sieht man, daß gesellschaftliche Ge-
sichtspunkte den Pinsel dirigieren und schon
von vornherein aussuchen und dadurch Reynolds
stolze Schöpfung eigentlich zur Magd erniedri-
gen. Seltsames Los! Damals wurden die
Künstler noch zum guten Teil über die Schulter
angesehen, ihre Bilder aber waren stolz, selbst-
herrlich, besaßen etwas von der Würde wirk-
lichen Adels. Heute sind die Herren Maler,
die ein R. A. hinter ihren Namen setzen können,
gesuchte Gesellschafter, selber stolze, vornehme
Herren, ihre Bilder aber schmeicheln und dienen.
Reynolds würde seine Academy nicht wieder
erkennen. Wahrlich, nicht bloß aus Einseitig-
keit und Verschlossenheit einer neuen, nach
Problemen und Leben ringenden Kunst gegen-
über, repräsentiert diese sogen. Royal Academy
die englische Kunst nicht mehr. — Und die
zweite große Sommerausstellung in der New
Gallery, die einst neu, jetzt aber greisenhaft alt ist,
die war einst der Zufluchtsort solcher, die in der
Academy nicht zu Worte kommen konnten. Jetzt
ist sie das vielleicht auch noch zum Teil, aber aus
anderen Gründen. Aus der ganzen Ausstellung
braucht man nur einen Frank Brangwyn und
eine schöne, schlichte Tierlandschaft des leider
aber begreiflicherweise selten hier ausstellenden
Monatshefte für Kunstwissenschaft
von neueren Meistern Bilder von Orchardson,
Guthrie, Lavery, D. Y. Cameron usw. In den
nach der Zeit des Entstehens geordneten Sälen
finden sich u. a. zwei Porträts William Aikmans
(XVII. und XVIII. Jahrh.); Werke Allan Ramsays
und dessen Schüler David Martin, der wiederum
Raeburn einigen Unterricht zuteil werden ließ;
John Scougals und Alexander Runcimans, alles
Künstler des XVIII. Jahrhunderts; sodann eine
Reihe ausgezeichneter Raeburns, darunter ein
bisher noch nie ausgestelltes weibliches Porträt
„Miss Emily de Vismes"; Wilkies, Sir John Wat-
son Gordons, James Drummonds usw. Robert
Scott Lauder, der Vater und Lehrer der mo-
dernen schottischen Künstler, ist durch „The
Trial of Effice Deans" vertreten; Wm. Dyce,
„der schottische Prärafaelit", durch „Titian ma-
king his first essay in colour". Von älteren
Landschaftern finden sich Beispiele von John
Thompson, P. Nasmyth u. a. m. — Mit Recht
darf das Vorwort des Katalogs wohl behaupten,
daß diese Ausstellung „die umfassendste und
feinste sei, die je von schottischer Kunst statt-
gefunden habe. Wenn man bedenkt, welche
Anregungen vor mehreren Jahren die modernen
Schotten in Deutschland den Landschaftern ge-
geben und welches Interesse sie damals gefun-
den haben und zum Teil noch finden, so darf
man wohl annehmen, daß die Ausstellung, die
die historische Entwicklung dieser nordischen
Kunst vorführt, auch in Deutschland hohem
Interesse begegnen wird. — Noch ein drittes
britisches Kunstzentrum hat eine retrospektive
Ausstellung eröffnet: Liverpool. Die englische
Kultur freilich, die namentlich früher sich ganz
in London konzentrierte, ließ große und bedeut-
same Nebenzentren nicht recht aufkommen, ab-
gesehen nur von Schottland, das ja besonders
in früherer Zeit immer eine gewisse nationale
und kulturelle und damit künstlerische Eigenart
bewahrt hat. Jedoch Liverpool besaß seine
eigene „Academy", und dieser gebührt das Ver-
dienst, als einzige offizielle Körperschaft schon
frühzeitig die Prärafaeliten - Bewegung nach
Kräften unterstützt zu haben, zu einer Zeit, als sie
noch als Sauerteig in den sonst völlig charakterlos
gewordenen Teig der englischen Kunst Gährung
und Bewegung brachte. Und die Liverpool
Society of Artists, die Vorläuferin dieser Aca-
demy, hatte seinerzeit, 1774, die erste Kunst-
ausstellung in der englischen Provinz überhaupt
zustande gebracht. So kann die jetzige Aus-
stellung der Liverpooler Schule keine Künstler
ersten Ranges aufweisen, hat aber ihr ent-
schiedenes Interesse darin, daß sie es ermöglicht,
eine wenigstens teilweise bodenständigeProvinz-
kunst durch 200 Jahre hindurch zu verfolgen.
Namen wie George Stubbs, William Huggins,
A. W. Hunt und namentlich W. L. Windus, ein
Blutsverwandter der Prärafaeliten, den Ruskin
aufs Schild erhob, haben in der englischen
Malerei einen gewissen Klang. — Kunst ist
jetzt der fashionable Gesprächsstoff in London,
denn die Royal Academy mit ihren 1200 Bildern
steht offen, und jeder muß sie gesehen haben.
Es hätte hier keinen Sinn, auf diesen Bilder-
markt, der meist Gesellschaftszwecken dient,
näher einzugehen, Nur eines soll man wohl
sagen. Es findet sich unter diesen zahireidien
unterschiedlichen Bildern eines, das „auf Befehl
des Königs" ausgestellt ist und die Verleihung
des Hosenbandordens an den König von Nor-
wegen durch den König in Windsor darstellt.
Vielleicht hätte man ohne diesen höchsten Be-
fehl das Bild abgelehnt, vielleicht, aber wenn
derartige Machwerke, die mit Kunst überhaupt
nichts zu tun haben, von der Gesellschaft und
ihren Spitzen bevorzugt werden, dann begreift
man, welchen unsäglich schweren Kampf die
heutige Kunst hier durchzumachen hat. Ein
Hofzeremoniell ist ja freilich nicht leicht zu einem
Kunstwerk zu erheben, deswegen braucht man
aber nicht einen Mann zu engagieren, dem die
einfachsten Prinzpien seiner Kunst ermangeln.
Menzel hat ja doch gezeigt, wie man auch aus
solchen Aufgaben wenn nicht Gold, so doch
Silber schlagen kann. Aber in jeder Academy-
ausstellung sieht man, daß gesellschaftliche Ge-
sichtspunkte den Pinsel dirigieren und schon
von vornherein aussuchen und dadurch Reynolds
stolze Schöpfung eigentlich zur Magd erniedri-
gen. Seltsames Los! Damals wurden die
Künstler noch zum guten Teil über die Schulter
angesehen, ihre Bilder aber waren stolz, selbst-
herrlich, besaßen etwas von der Würde wirk-
lichen Adels. Heute sind die Herren Maler,
die ein R. A. hinter ihren Namen setzen können,
gesuchte Gesellschafter, selber stolze, vornehme
Herren, ihre Bilder aber schmeicheln und dienen.
Reynolds würde seine Academy nicht wieder
erkennen. Wahrlich, nicht bloß aus Einseitig-
keit und Verschlossenheit einer neuen, nach
Problemen und Leben ringenden Kunst gegen-
über, repräsentiert diese sogen. Royal Academy
die englische Kunst nicht mehr. — Und die
zweite große Sommerausstellung in der New
Gallery, die einst neu, jetzt aber greisenhaft alt ist,
die war einst der Zufluchtsort solcher, die in der
Academy nicht zu Worte kommen konnten. Jetzt
ist sie das vielleicht auch noch zum Teil, aber aus
anderen Gründen. Aus der ganzen Ausstellung
braucht man nur einen Frank Brangwyn und
eine schöne, schlichte Tierlandschaft des leider
aber begreiflicherweise selten hier ausstellenden