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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0574

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566

Monatshefte für Kunstwissenschaft

auch die mit Freude noch zu erwartenden an-
deren Bände hier die Lücke ausfüllen, schon
deshalb, weil die Villa Madama eigentlich der
letzte große Bau Raffaels überhaupt ist. So
hätten wir mit jenem anderen Werke zusammen
jetzt erst Anfang und Ende vor uns.
Immerhin gibt uns Hofmann wenigstens
darin einen Fingerzeig auf das Ziel seiner Auf-
fassung, als er meint, Raffaels architektonische
Entwicklung habe offenbar mehr und mehr auf
eine Annäherung an die römische Antike hin-
gedrängt und würde ihn bei längerem Leben
wohl zu einer Auffassung haben gelangen lassen,
die sich der späteren Sanmichelis und Palladios
genähert haben würde. Jedenfalls habe er sich
von der Richtung Michelangelos und der fol-
genden barocken immer weiter entfernt, obwohl
auch er mehr und mehr ins Große gegangen sei.
Das letztere können wir ja ohne weiteres
zugeben. Und was die raffaelische Innen-
dekoration anlangt, so fußt diese so aus-
schließlich und stark auf den Stukkaturen und
Grotesken der Antike, daß wir auch hier kaum
widersprechen wollen. Vielmehr ist Raffael
mit seiner Schule der eigentliche Träger dieser
Richtung, die nachher ganz bedeutungslos wird,
wenn sie auch noch fast zwei Menschenalter
weiter lebt.
Seine Architektur aber ist doch, wie gerade
die Villa Madama deutlich zeigt, eine so ge-
waltig persönliche, so sehr der Ausdruck inneren
Wollens und innen geschauter und erlebter
eigenster künstlerischer Bilder, daß das Vor-
handensein einer geistigen Verwandtschaft mit
der immer regelrichtiger und kühler werdenden
Richtung jener beiden, die nur in ihrer Jugend-
zeit sich zu ganz frei gefühlten Werken auf-
schwangen, mehr und mehr aber ihrem Wirken
selbstgeschmiedete wissenschaftliche Fesseln an-
legten, doch bestritten werden muß.
Raffael war, wie schon der gleichgestimmte
Peruzzi, nicht bloßer Architekt wie jene, son-
dern Universalkünstler, vor allem Maler, und
ich finde, daß gerade die Richtung, die mit Lau-
rana beginnt, in ihrer Art eine so frei künst-
lerische und vor allem gefühlte ist, daß sie mit
jener wissenschaftlichen Systematisierung der
Baukunst nichts gemein haben kann, deren letzte
Blüte der ja oft sehr schöne aber eiskalte palla-
dianisch-klassische Zopf ist. Albrecht Haupt.
Th. Kirchberger, Anfänge der Kunst
und der Schrift. (Führer zur Kunst, hrsg. von
Dr. Herm. Popp, Bd. X.) Eßlingen, Paul Neff, 1907.
Man muß dem Gelehrten dankbar sein, der
nicht ohne Glück versucht, das gewaltige Thema

auf dem engen Raume von 49 Seiten und un-
terstützt durch eine Tafel und 19 Textbilder in
einer für jeden interessierten und gebildeten
Leser genießbaren Form darzubieten. Vieles
kann nur gestreift, mandies überhaupt nicht
erwähnt werden. Aber die Kritik sollte ange-
sichts des guten Zweckes, den das Büchlein
tatsächlich erfüllt, und angesichts dessen, was
um billigsten Preis geboten wird, möglichst
schweigen.
Der Leser erfährt vom ersten Körperschmucke
des Menschen, der Bemalung, die dem beweg-
lichen Schmucke und der Kleidung vorausging,
von den Familienabzeichen — Totem —, die
von der Haut allmählich auf Gegenstände über-
gehen, von der Entwicklung der Schrift aus
dem Bilde, dem Weg vom Piktogramm über
das Ideogramm zum Phonogramm. Über die
Entstehung des Alphabetes wird das Wissens-
werteste gesagt und der Beweis erbracht, daß
alle Buchstaben Bildrudimente sind. Die An-
fänge der bildenden Kunst werden an den süd-
französischen Höhlenfunden, der ägyptischen und
mykenischen Kunst in knappster Form bespro-
chen, und so der Weg beleuchtet, den die Kunst-
entwicklung von der Fetischkunst bis zur indi-
viduell belebten Kunst der Hellenen genommen
hat. — Ein paar Worte wenigstens über die
altbabylonische Bilderschrift und Keilschrift sowie
über die früheste Kunst Mesopotamiens möch-
ten wir bei der Wichtigkeit dieser Faktoren
für Schrift und Kunst des Westens noch nach-
getragen wissen.

Histoire de l'Art depuis les premiers
temps Chretiens jusqu'ä nos jours. ouvrage
publie sous la direction de M. Andre Michel,
conservateur aux musees nationaux, professeur
ä l'Ecole du Louvre. Librairie Armand Colin,
Paris: Tome II. Formation, expansion et evolution
de l'art gothique. seconde partie, gr. 8°, 491 S.
Zahlreiche 111.
Seit einigen Jahren erscheint unter der Lei-
von Andre Midiel diese großartig angelegte
Kunstgeschichte von der frühchristlichen Zeit bis
auf unsere Tage, an der die bekanntesten fran-
zösischen Kunsthistoriker mitarbeiten. Es genügt
Henri Bouchot, Paul Durrieu, Camille Enlart,
Raymond Koechlin, Emile Male, Andre Perate,
J. J. Guiffrey und Emile Berteaux zu nennen.
Auch Arthur Haseloff vom Deutschen Institut in
Rom finden wir unter den Mitarbeitern. Das
groß angelegte Werk ist auf im ganzen vier-
zehn Halbbände berechnet, von denen uns der
 
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