Studien und Forschungen
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aus einem be-
sonderen Grund
interessant, weil
sich Baldung mit
seinem Holz-
schnitt gleichzei-
tig dem Grüne-
waldsdien Altar-
flügel mit der
Versuchung des
Heiligen Anto-
nius nähert und
zwarin derGrup-
pierung derTiere
so sehr wie in
der Einzelgestal-
tungvon einigen
derselben. Vor-
ausgesetzt, daß
die Annäherung
einleuchtend ge-
nug ist,wäre da-
mit erwiesen,
daß dieserFlügel
zu Beginn des
Jahresl511 schon
in der Durchbil-
dung seiner Ein-
zelheiten fertig
war.
Die Übertra-
gung Grüne-
waldsdier Mo-
tive in den Holz-
schnitt des Hans
Abb. 2. Aus dem Granatapfel, Straßburg 1511
(0,137 br.; 0,171 h.)
Augsburger
Holzschnitt (Ab-
bild. 1) gruppie-
ren sich die Tiere
in der sichtlichen
Absidit den
Raum gleich-
mäßig zu füllen
um ein Haupttier
in der Mitte, um
jenes mit dem
Schwert der Hof-
fart, der Quelle
aller anderen
Fehler; bei Bal-
dung sind sie
aber, ganz wie
bei der Ver-
suchung des An-
tonius, rundum
angeordnet und
stürzen sich
wenn man so
sagen darf, auf
ein in der Mitte
fehlendes Ob-
jekt. Diese Lücke
in der Kompo-
sition verwehrt
es von Anfang
an, in Grünewald
etwa den Ent-
lehner aus Bal-
dung zu sehen,
was bei dem un-
Baldung (Abb. 2) ist, wie der Augenschein lehrt,
nicht durch direktes Nachzeichnen vor dem Ori-
ginal, sondern nur aus der Erinnerung geschehen.
Baldung muß nach einem Werkstattbesuch bei
Grünewald von dessen packender Phantasie noch
so erfüllt gewesen sein, daß er, als der Auftrag zur
Umzeichnung der Augsburger Illustrationen1)
an ihn erging, es sich nicht versagen mochte,
die Untiere aus der Erinnerung nach Grünewald
zu geben, anstatt die weniger originellen der
Augsburger Vorlage zu kopieren. In dem Um-
stand der Abweichung allein dürfte also schon
ein gut Teil des Beweises liegen. In dem
daß er von dieser Ausgabe nirgends die geringste Spur
gefunden habe, mir gelang das auch nicht. Wer Muthers
Arbeit kennt, wird daraufhin kaum weiter suchen.
9 Die sechs Illustrationen der Augsburger Ausgabe
sind: 1. Christus, Lazarus, Martha und Maria, bezeichnet
H. B. — 2. Pharaos Untergang im roten Meer, H. B. —
i. Elisabeth und spinnende Frauen, ohne Monogramm
(Abb. 3). — 4. Küche, in welcher ein Koch einen Hasen
ausweidet, H. B. — 5. Die sieben Hauptsünden, H. B. —
3. Die sieben Schwertsdieiden, ohne Monogramm.
gemeinen Phantasiereichtum des Malers in Isen-
heim auch sonst nicht ernstlich in Betracht käme.
Die Frage nach einer dritten gemeinsamen Quelle
wird wohl auch zu verneinen sein, zu Schon-
gauers Versuchung des Antonius z. B. haben die
Grünewalds und die beiden hier abgebildeten
Holzschnitte keine direkten Beziehungen.
Es empfiehlt sich noch, auf der einen Seite
die Abhängigkeit Baldungs von den fünf Augs-
burger Vorlagen, bei dem sechsten Holzschnitt
aber seine Übereinstimmung mit Grünewald
etwas näher zu erörtern. Die in den stark ver-
kleinerten Abbildungen 3 und 4 beigegebenen
Holzschnitte der heiligen Elisabeth mit ihren
spinnenden Frauen nach der Augsburger (Abb. 3)
und nach der Straßburger Ausgabe (Abb. 4)
zeigen, wie ähnlich der Gesamteindrude beider
ist, so daß das Auge erst genauer hinsehen
muß, um sich die immerhin nicht unerheblichen
Änderungen klar zu machen. Wer nicht Ge-
legenheit hat, selbst beide Ausgaben zu ver-
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aus einem be-
sonderen Grund
interessant, weil
sich Baldung mit
seinem Holz-
schnitt gleichzei-
tig dem Grüne-
waldsdien Altar-
flügel mit der
Versuchung des
Heiligen Anto-
nius nähert und
zwarin derGrup-
pierung derTiere
so sehr wie in
der Einzelgestal-
tungvon einigen
derselben. Vor-
ausgesetzt, daß
die Annäherung
einleuchtend ge-
nug ist,wäre da-
mit erwiesen,
daß dieserFlügel
zu Beginn des
Jahresl511 schon
in der Durchbil-
dung seiner Ein-
zelheiten fertig
war.
Die Übertra-
gung Grüne-
waldsdier Mo-
tive in den Holz-
schnitt des Hans
Abb. 2. Aus dem Granatapfel, Straßburg 1511
(0,137 br.; 0,171 h.)
Augsburger
Holzschnitt (Ab-
bild. 1) gruppie-
ren sich die Tiere
in der sichtlichen
Absidit den
Raum gleich-
mäßig zu füllen
um ein Haupttier
in der Mitte, um
jenes mit dem
Schwert der Hof-
fart, der Quelle
aller anderen
Fehler; bei Bal-
dung sind sie
aber, ganz wie
bei der Ver-
suchung des An-
tonius, rundum
angeordnet und
stürzen sich
wenn man so
sagen darf, auf
ein in der Mitte
fehlendes Ob-
jekt. Diese Lücke
in der Kompo-
sition verwehrt
es von Anfang
an, in Grünewald
etwa den Ent-
lehner aus Bal-
dung zu sehen,
was bei dem un-
Baldung (Abb. 2) ist, wie der Augenschein lehrt,
nicht durch direktes Nachzeichnen vor dem Ori-
ginal, sondern nur aus der Erinnerung geschehen.
Baldung muß nach einem Werkstattbesuch bei
Grünewald von dessen packender Phantasie noch
so erfüllt gewesen sein, daß er, als der Auftrag zur
Umzeichnung der Augsburger Illustrationen1)
an ihn erging, es sich nicht versagen mochte,
die Untiere aus der Erinnerung nach Grünewald
zu geben, anstatt die weniger originellen der
Augsburger Vorlage zu kopieren. In dem Um-
stand der Abweichung allein dürfte also schon
ein gut Teil des Beweises liegen. In dem
daß er von dieser Ausgabe nirgends die geringste Spur
gefunden habe, mir gelang das auch nicht. Wer Muthers
Arbeit kennt, wird daraufhin kaum weiter suchen.
9 Die sechs Illustrationen der Augsburger Ausgabe
sind: 1. Christus, Lazarus, Martha und Maria, bezeichnet
H. B. — 2. Pharaos Untergang im roten Meer, H. B. —
i. Elisabeth und spinnende Frauen, ohne Monogramm
(Abb. 3). — 4. Küche, in welcher ein Koch einen Hasen
ausweidet, H. B. — 5. Die sieben Hauptsünden, H. B. —
3. Die sieben Schwertsdieiden, ohne Monogramm.
gemeinen Phantasiereichtum des Malers in Isen-
heim auch sonst nicht ernstlich in Betracht käme.
Die Frage nach einer dritten gemeinsamen Quelle
wird wohl auch zu verneinen sein, zu Schon-
gauers Versuchung des Antonius z. B. haben die
Grünewalds und die beiden hier abgebildeten
Holzschnitte keine direkten Beziehungen.
Es empfiehlt sich noch, auf der einen Seite
die Abhängigkeit Baldungs von den fünf Augs-
burger Vorlagen, bei dem sechsten Holzschnitt
aber seine Übereinstimmung mit Grünewald
etwas näher zu erörtern. Die in den stark ver-
kleinerten Abbildungen 3 und 4 beigegebenen
Holzschnitte der heiligen Elisabeth mit ihren
spinnenden Frauen nach der Augsburger (Abb. 3)
und nach der Straßburger Ausgabe (Abb. 4)
zeigen, wie ähnlich der Gesamteindrude beider
ist, so daß das Auge erst genauer hinsehen
muß, um sich die immerhin nicht unerheblichen
Änderungen klar zu machen. Wer nicht Ge-
legenheit hat, selbst beide Ausgaben zu ver-