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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0066

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Monatshefte für Kunstwissenschaft



Abb. 3. Aus dem Granatapfel, Augs-
burg 1510 (0,122 br.; 0,171 h.)

Abb. 4. Aus dem Granatapfel. Straßburg 1511
(0,136 br.; 0,172 h.)

gleichen, darf mir glauben, daß das Beispiel
richtig gewählt ist und daß größere Abweich-
ungen als wie sie hier zu erkennen sind, bei
keinem der anderen Holzschnittpaare vorkom-
men, bei dem Bild vom „Has' im Pfeffer" aber
und bei den „sieben Scheiden" jedenfalls nur
geringere.
Die Übereinstimmung von Baldungs sieben
Untieren mit Grünewalds Versuchungsbild,1) die
jedenfalls nur aus der Erinnerung stammt, be-
steht wie gesagt in der Anordnung und in dem
Einstürmen auf die Mitte, ferner in der Ge-
staltung von drei oder vier Tieren, die, und
das ist wichtig, auch an den gleichen Plätzen
auftreten. Da ist in Mitte oben der breitnasige
hundsköpfige „Zorn", in halber Höhe rechts die
„Tragkait" mit dem fleischigen Maul und halb-
offenem Rachen, in Mitte unten die „Geitikat"
als flaches, vierbeiniges Schalentier mit langem
Hals und links in halber Höhe die „Hochfart",
zwar bei Baldung mit einem Vogelkopf ver-

9 Abbildungen der Versuchung des Heiligen Antonius
vom Isenheimer Altar bei H. A. Sdimidt, die Werke des
Mathias Grünewald, Straßburg 1907, ferner in der Grüne-
waldmappe des Kunstwart; klein aber recht gut bei
J. Fleurent, der Isenheimer Altar, Colmar 1903.

sehen, der mit seiner Federklappe am Ohr an
den Vogel rechts unten bei Grünewald erinnern
kann, aber die Hoffart hat das sehr charakte-
ristische Bewegungsmotiv des bei Grünewald
an gleicher Stelle befindlichen Teufels deutlich
beibehalten, nämlich den über die Achsel ge-
drehten Kopf und den steif abgebogenen Ell-
bogen. Der Kopf dieses Teufels wieder und
seine Schmetterlingsflügel mögen in dem Bal-
dungschen „Neid" rechts oben ihre Spuren
hinterlassen haben. Da wo ihn seine Erinnerung
verließ, hat Baldung rechts unten die bebrillte
Unkeuschheit aus Eigenem eingeflickt, für die
Fresserei aber die Trägheit aus Burgkmair her-
über genommen.
Sind nun die Ähnlichkeiten zu Grünewalds
Bild zwar nur bescheidene, so scheinen sie mir
bei Geizigkeit und Hoffart und in der allgemeinen
Anordnung doch sicher zu sein; rechnet man
das Abweichen von der Augsburger Vorlage
einzig bei dieser Szene hinzu, so gibt das zu-
sammen doch wohl mehr als bloßen Zufall.
Dann aber gilt auch die Frage nach der Datierung
des Altarflügels als beantwortet.
Hans Koegler.
 
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