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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0071

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Studien und Forschungen

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DIE AUSGRABUNGEN IN
PERGAMON
Was an neuen Nachrichten aus Pergamon
kommt, ist dem Archäologen besonders erfreu-
liche Kunde. Knüpft sich an diesen Namen ja
die Hoffnung, endlich in ein intimeres Verhält-
nis zur hellenistischen Kultur und Kunst zu kom-
men, einen Stützpunkt zu gewinnen, von dem
aus die Ausfüllung der peinlich empfundenen
Lücke in unserer Kenntnis der griechischen Ent-
wickelung, die zwischen Alexander dem Großen
und Rom klafft, begonnen werden kann. Wie
fördernd nach dieser Richtung die Auffindung
der Skulpturen des großen Altars von Perga-
mon schon gewirkt hat, ist bekannt. Aber
schon die Grabungen an der Stätte des Altar-
baues wuchsen sich zur Aufdeckung des ganzen
Burgplateaus aus und führten zur Freilegung
des Athenaheiligtums mit den umlaufenden
Hallenbauten und der daran anschließenden
Bibliothek, des Trajaneums und der Theater-
terrasse am Abhang des Burgberges. Nachdem
diese Spatenforschungen zu einem vorläufigen
Abschlusse gebracht waren, hat man nach mehr-
jähriger Pause den mit ihnen beschrittenen Weg
wieder aufgenommen. Dank der werbenden
und treibenden Energie Alexander Conzes sind
seit 1900 neue Ausgrabungen in Pergamon im
Gange mit dem Ziele, die ganze Attalidenstadt
freizulegen und damit ein möglichst vollständi-
ges Bild eines hellenistischen Fürstensitzes zu
gewinnen, ein Unternehmen, das in seinen Ab-
sichten aufs dankbarste begrüßt, in seinem
Fortschreiten aufs aufmerksamste verfolgt wer-
den muß. In regelmäßigen dreimonatlichen
Jahreskampagnen ist die Athenische Zweig-
anstalt des Deutschen Archäologischen Instituts
mit ihrem Leiter Wilhelm Dörpfeld an der Spitze
in der Verfolgung dieses großen Zieles tätig,
und in den „Athenischen Mitteilungen" wird
über die gewonnenen Resultate Rechenschaft
abgelegt. Ein solcher Bericht, die Ausgrabungen
der Jahre 1904 und 1905 umfassend, ist soeben
in dem kürzlich zur Ausgabe gelangten Doppel-
heft 2/3 des 32. Bandes der „Mitteilungen" wie-
der veröffentlicht; über seinen Inhalt soll im
Folgenden kurz referiert werden.
Der Ausgangspunkt war auch diesmal wieder,
wie in den Vorjahren, die Gegend um das
Haupttor am Südfuße des Burghügels, von dem
aus die Hauptstraße zur Höhe emporführt. Diese
stößt nach kurzem Verlauf auf die Agora der
Unterstadt und umgibt sie an zwei Seiten, um
an der westlichen Ecke wieder mit scharfem
Knick umzubiegen. An dieser Stelle wurde
nördlich der Straße die Ruine eines großen

Wohnhauses aufgedeckt. Es ist im Anfänge
der Königszeit errichtet, dann aber schon in
griechischer Zeit einmal umgebaut worden. Einen
zweiten, weit gründlicheren Umbau erfuhr es in
römischer Zeit, als es im Besitz eines Attalos
war, der die Würde eines römischen Konsuls
bekleidete. Seine inschriftlich bezeichnete, leider
des Bildniskopfes beraubte Herme war in einer
Ecke des Hofraumes aufgestellt. Dieser Hof,
von beträchtlichen Abmessungen, bildet den
Mittelpunkt des Hauses. Er ist auf allen vier
Seiten von einer doppelgeschossigen, in den
Interkolumnien durch Schranken geschlossenen
Säulenhalle — unten dorischer, oben jonischer
Version — umgeben, hinter der sich die Zimmer-
reihen ordnen, zum Teil gleichfalls in zwei-
geschossiger Anlage. Auf der einen Schmal-
seite nimmt den Mittelpunkt ein saalartiger
Raum von besonders großen Abmessungen ein,
nach dem die Mittelachse der Längsrichtung ge-
legt war. Dies der Typus eines vornehmen
griechischen Wohnhauses hellenistischer Zeit in
anschaulicher und gut erhaltener Vertretung mit
dem die Anlage beherrschenden peristylen Hof,
an dem der Unterschied des römischen Atrium-
hauses gut gemessen werden kann. Es ver-
dient Beachtung, daß in den großen, palast-
ähnlichen Anlagen des hellenistischen Pompeji
das Atriumhaus dominiert. Jetzt schon Schluß-
folgerungen aus dieser Erscheinung zu ziehen,
wäre verfrüht, aber als Erscheinung mag sie
festgelegt werden. Von der Dekoration und
der künstlerischen Ausstattung des Pergamener
Hauses hat sich wenig erhalten. In einigen
Räumen hat sich der Mosaikbelag des Fuß-
bodens gefunden, darunter in zwei Zimmern
aus griechischer, im übrigen aus römischer Zeit.
Dem römischen Umbau gehören auch die ge-
ringen Reste eines Marmorbelags der Wände
an. An einer Stelle ist darunter der alte Wand-
putz zum Vorschein gekommen, mit Malereien,
von denen Stücke grüner Ranken und Blätter
auf weißem Grunde zu erkennen sind. Erwähnt
sei noch, daß wahrscheinlich aus dem Attalos-
hause die früher gefundene Herme des Alka-
menes stammt; sie wird aus dem Hause in den
tiefer liegenden Magazinraum an der Straße, in
dem sie zutage kam, herabgestürzt sein.
Die Grabungen haben dann erneut die un-
weit gelegene, komplizierte Anlage des Gym-
nasions angegriffen, das sich über drei hinter-
und übereinanderliegende, durch künstliche An-
schüttungen gewonnene Terrassen ausdehnte.
Die untere und mittlere dieser Terrassen, das
Gymnasion der Knaben und der Epheben, waren
schon früher freigelegt worden, jetzt hat man
sich zur obersten Terrasse, die das Gymnasion
 
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