Rundschau 71
scheinen eine Kreuzigung, Beweinung Christi
und eine Kreuzabnahme. Diesen Bildern gliedern
sich noch an eine Madonna mit dem Gnaden-
mantel, ein heiliger Christophorus und ein heiliger
Hieronymus. Die Gestaltung dieser religiösen
Vorwürfe führt in gerader Linie zu dem künst-
lerischen Hauptinteresse Boehles, zur Darstellung
des nackten Menschen in Verbindung mit dem
Tier, im besonderen mit dem Pferd. Einige
Bildtitel werden zur Illustration dienen: Raub
der Europa, Centaur und Jüngling, Adam und
Eva, nackte Jünglinge und Pferde, Pferde in
der Schwemme, Jüngling und Pferd, ein Fries
reitender Jünglinge und sich angliedernd:
sprengender Ritter, der heilige Georg; denn
auch die Rüstung ist ja eine Art Akt.
Somit wäre ungefähr ein Überblick über das
Gebotene gewonnen. Was an Boehle besonders
interessiert und ihm die beachtenswerte St llung
unter den heutigen Künstlern zuweist ist neben
der zeichnerischen Gediegenheit und der kolo-
ristischen Feinfühligkeit die Kraft seiner Er-
findung und die Eigenart seiner Komposition.
Bei seinen Gestalten und Köpfen sucht man
umsonst nach tastenden Unsicherheiten; die
Körper seiner Menschen sind reine „gottgegebne
Form"; die Köpfe gehen stets auf das Typische;
damit soll gesagt werden, daß alles Einzel-
persönliche wegfällt zugunsten einer höheren
Konzentration.
Wenn auch die Maltechnik keinesfalls im-
pressionistisch ist, so erfrischt sie um so mehr
durch diesen Gegensatz, zumal sie in ihrer
Wirkung ein gleiches gibt.
Und nun gelangen wir mit zu dem Erstaun-
lichsten, was die Ausstellung uns gebracht hat,
zu dem Reichtum der Vorwürfe, der uns schon
bei der Aufzählung der einzelnen Gemälde ent-
gegentrat. Boehle zeigt sich wieder als einer
der genialen Menschen vom Schlage Böcklins,
die eine eigne innere Welt in Farbe und Form
uns eröffnen. Aber noch ein andrer Name ver-
dient hier genannt zu werden: Hans von Marees.
Was dieser hochstrebende Künstler erreichen
wollte, scheint sich hier vollenden zu sollen,
und zwar auch wieder in der eigenartigen Syn-
these von Akt und Pferd. Auch in der An-
ordnung des Vorwurfs verspürt man gleiche
Ziele. Boehle geht auf monumentale Kompo-
sition aus. Der große Eindruck seiner Bilder
ist bedingt durch das Kernige, man möchte fast
sagen Derbe ihres Schemas. Die fast logische
Schlichtheit der Einordnung der Gestalten in den
Bildraum und in die sie umgebende Natur er-
innert im höchsten Sinne an den Grundriß eines
bedeutenden Architekten. E. A. B.
MÜNCHEN =========
In der Galerie Heinemann in München
war im Dezember eine vorzügliche Aus-
stellung von Werken der Schüler Wilhelms
von Diez zu sehen. Bedeutungsvoll wie
seit Jahren keine ähnliche Veranstaltung in
München, gab sie vor allem eine erstaunliche
Probe für das malerische Können zahlreicher
Münchener Künstler, deren Namen verschollen
sind oder die seither auf moderne Bahnen
abschwenkten, ohne hier eine ihrer ursprüng-
lichen Begabung entsprechende Leistung zu
schaffen. Duveneck-Herter-Breling, in diesen
drei Männern finden sich Eigenschaften, deren
künstlerisches Ausdrucksvermögen unbedenklich
neben dem Schaffen vielgepriesener und hoch-
bezahlter französischer Meister der gleichen
Zeitperiode (1870—1885) genannt werden darf
und muß. Münchens Kunstgeschichte hat ein
neues, reiches, abschließendes Kapitel. Wir haben
es einzuschalten vor dem Einsetzen der se-
zessionistischen Bewegung. Das Wichtige an
diesem Kapitel wird der Zusammenhang der
Diezschüler mit Leibi sein. Künftighin wird
man sich hüten müssen, die Kraft Leibls, des
Malers, allein aus seinem Verkehr mit Courbet
und dem in Paris gewonnenen Einfluß abzu-
leiten. Wer eben damals in München malen
lernen wollte, ging zu Diez, dessen Anregungen
und Lehren auch von anderen, wie von Marees,
befolgt wurden. Diezens Persönlichkeit als
Lehrer steht gewißlich nunmehr an der ersten
Stelle, wie es dem bescheidenen Meister voll-
auf gebührt.
Wie die Ausstellung von der Presse nur ge-
ringe Beachtung gefunden hat, so daß leider
der Besuch recht kläglich war, hat die An-
kaufskommission der Pinakothek hier
neuerdings ihre bekannte Fähigkeit bewiesen,
nur diejenigen Bilder zu wählen, welche die
geringste künstlerische Qualität besitzen. Das
Konventionellste des Konventionellen hat allein
vor ihren Augen Gnade gefunden. Sie ließ die
weichen, lichtvollen Interieurs von Löfftz bei-
seite, um eine wenig sagende Baumstudie an-
zukaufen, nahm zu den ohnehin bereits vor-
handenen Bildern von Herterich eine zerfahrene
historische Skizze. Entzückende kleine Land-
schaften blieben ohne Beachtung. Duveneck,
nach Muther in Amerika geboren — er stammt
aus Ingolstadt! — wurde wohl als lästiger Aus-
länder empfunden und deshalb übergangen.
Allein ein feiner Mädchenkopf von Herter mit
großen, träumerisch sinnenden Augen ist aus-
zunehmen unter den 17 Stücken, von welchen
16 wohl angetan sind, jeden davorstehenden
Künstler, jeden künstlerisch empfindenden und
scheinen eine Kreuzigung, Beweinung Christi
und eine Kreuzabnahme. Diesen Bildern gliedern
sich noch an eine Madonna mit dem Gnaden-
mantel, ein heiliger Christophorus und ein heiliger
Hieronymus. Die Gestaltung dieser religiösen
Vorwürfe führt in gerader Linie zu dem künst-
lerischen Hauptinteresse Boehles, zur Darstellung
des nackten Menschen in Verbindung mit dem
Tier, im besonderen mit dem Pferd. Einige
Bildtitel werden zur Illustration dienen: Raub
der Europa, Centaur und Jüngling, Adam und
Eva, nackte Jünglinge und Pferde, Pferde in
der Schwemme, Jüngling und Pferd, ein Fries
reitender Jünglinge und sich angliedernd:
sprengender Ritter, der heilige Georg; denn
auch die Rüstung ist ja eine Art Akt.
Somit wäre ungefähr ein Überblick über das
Gebotene gewonnen. Was an Boehle besonders
interessiert und ihm die beachtenswerte St llung
unter den heutigen Künstlern zuweist ist neben
der zeichnerischen Gediegenheit und der kolo-
ristischen Feinfühligkeit die Kraft seiner Er-
findung und die Eigenart seiner Komposition.
Bei seinen Gestalten und Köpfen sucht man
umsonst nach tastenden Unsicherheiten; die
Körper seiner Menschen sind reine „gottgegebne
Form"; die Köpfe gehen stets auf das Typische;
damit soll gesagt werden, daß alles Einzel-
persönliche wegfällt zugunsten einer höheren
Konzentration.
Wenn auch die Maltechnik keinesfalls im-
pressionistisch ist, so erfrischt sie um so mehr
durch diesen Gegensatz, zumal sie in ihrer
Wirkung ein gleiches gibt.
Und nun gelangen wir mit zu dem Erstaun-
lichsten, was die Ausstellung uns gebracht hat,
zu dem Reichtum der Vorwürfe, der uns schon
bei der Aufzählung der einzelnen Gemälde ent-
gegentrat. Boehle zeigt sich wieder als einer
der genialen Menschen vom Schlage Böcklins,
die eine eigne innere Welt in Farbe und Form
uns eröffnen. Aber noch ein andrer Name ver-
dient hier genannt zu werden: Hans von Marees.
Was dieser hochstrebende Künstler erreichen
wollte, scheint sich hier vollenden zu sollen,
und zwar auch wieder in der eigenartigen Syn-
these von Akt und Pferd. Auch in der An-
ordnung des Vorwurfs verspürt man gleiche
Ziele. Boehle geht auf monumentale Kompo-
sition aus. Der große Eindruck seiner Bilder
ist bedingt durch das Kernige, man möchte fast
sagen Derbe ihres Schemas. Die fast logische
Schlichtheit der Einordnung der Gestalten in den
Bildraum und in die sie umgebende Natur er-
innert im höchsten Sinne an den Grundriß eines
bedeutenden Architekten. E. A. B.
MÜNCHEN =========
In der Galerie Heinemann in München
war im Dezember eine vorzügliche Aus-
stellung von Werken der Schüler Wilhelms
von Diez zu sehen. Bedeutungsvoll wie
seit Jahren keine ähnliche Veranstaltung in
München, gab sie vor allem eine erstaunliche
Probe für das malerische Können zahlreicher
Münchener Künstler, deren Namen verschollen
sind oder die seither auf moderne Bahnen
abschwenkten, ohne hier eine ihrer ursprüng-
lichen Begabung entsprechende Leistung zu
schaffen. Duveneck-Herter-Breling, in diesen
drei Männern finden sich Eigenschaften, deren
künstlerisches Ausdrucksvermögen unbedenklich
neben dem Schaffen vielgepriesener und hoch-
bezahlter französischer Meister der gleichen
Zeitperiode (1870—1885) genannt werden darf
und muß. Münchens Kunstgeschichte hat ein
neues, reiches, abschließendes Kapitel. Wir haben
es einzuschalten vor dem Einsetzen der se-
zessionistischen Bewegung. Das Wichtige an
diesem Kapitel wird der Zusammenhang der
Diezschüler mit Leibi sein. Künftighin wird
man sich hüten müssen, die Kraft Leibls, des
Malers, allein aus seinem Verkehr mit Courbet
und dem in Paris gewonnenen Einfluß abzu-
leiten. Wer eben damals in München malen
lernen wollte, ging zu Diez, dessen Anregungen
und Lehren auch von anderen, wie von Marees,
befolgt wurden. Diezens Persönlichkeit als
Lehrer steht gewißlich nunmehr an der ersten
Stelle, wie es dem bescheidenen Meister voll-
auf gebührt.
Wie die Ausstellung von der Presse nur ge-
ringe Beachtung gefunden hat, so daß leider
der Besuch recht kläglich war, hat die An-
kaufskommission der Pinakothek hier
neuerdings ihre bekannte Fähigkeit bewiesen,
nur diejenigen Bilder zu wählen, welche die
geringste künstlerische Qualität besitzen. Das
Konventionellste des Konventionellen hat allein
vor ihren Augen Gnade gefunden. Sie ließ die
weichen, lichtvollen Interieurs von Löfftz bei-
seite, um eine wenig sagende Baumstudie an-
zukaufen, nahm zu den ohnehin bereits vor-
handenen Bildern von Herterich eine zerfahrene
historische Skizze. Entzückende kleine Land-
schaften blieben ohne Beachtung. Duveneck,
nach Muther in Amerika geboren — er stammt
aus Ingolstadt! — wurde wohl als lästiger Aus-
länder empfunden und deshalb übergangen.
Allein ein feiner Mädchenkopf von Herter mit
großen, träumerisch sinnenden Augen ist aus-
zunehmen unter den 17 Stücken, von welchen
16 wohl angetan sind, jeden davorstehenden
Künstler, jeden künstlerisch empfindenden und