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Monatshefte für Kunstwissenschaft
vergleichenden Menschen in der Überzeugung
des Erstaunens über das bayerische Kommissions-
wesen in Kunstdingen zu bestärken.
Uhde-Bernays.
g
NÜRNBERG =.- .—=
Beim Rückblick auf Ausübung und Pflege
der bildenden Kunst in Nürnberg während
des verflossenen Jahres bieten sich dem
Auge zwar keine bedeutsam hervorragende
Punkte dar, aber eine gewisse Stetigkeit der
Entwicklung zu höheren Zielen wird man, wenn
man den Blick nur nicht starr auf Nürnbergs
wunderbare Kunstblüte im 15. und 16. Jahr-
hundert gerichtet hält, doch nicht verkennen
können. Einen ansehnlichen Teil des Interesses,
der Pflege und der für Kunstzwecke zur Ver-
fügung stehenden Mittel wird ja freilich stets
die große Vergangenheit der Stadt und die Er-
haltung und Erforschung der uns aus ihr in ver-
hältnismäßig reicher Zahl überkommenen Denk-
mäler absorbieren müssen. So bildet ein Haupt-
kapitel in der Geschichte der Nürnberger Kunst-
pflege schon seit vielen Jahren die Wieder-
herstellung namentlich unserer ehr-
würdigen gotischen Kirchen, an denen
sich frühere Zeiten durch mangelhafte Aus-
besserung mit schlechtem Material nicht selten
arg versündigt haben und deren äußerer Skulp-
turenschmuck vollständigem Verfall durch Ver-
witterung anheimzufallen drohte oder bereits
anheimgefallen war. Nach der mustergültigen
Restaurierung der Sebalduskirche durch Pro-
fessor Joseph Schmitz hat sich dieser hoch-
verdiente Meister gotischer Baukunst bekannt-
lich der teilweise in noch schlimmerem Zustande
befindlichen Lorenzkirche zugewandt, und das
südliche Seitenschiff wie der südliche Turm,
bei dem es sich vor allem um die Ersetzung
der alten schadhaften Zinndeckung durch eine
Kupferbedachung und um die Restaurierung der
Steingiebel des Achteckaufbaues handelte, haben
im vergangenen Jahre fertiggestellt werden
können. An der Außenseite des nördlichen
Seitenschiffs ist der alte Ölberg in neuen, nach
Möglichkeit getreuen Figuren und wohl abge-
wogener Polychromierung wieder erstanden.
Nun aber ist in der Kasse des Vereins für die
Wiederherstellung der St. Lorenzkirche leider
eine bedenkliche Ebbe eingetreten, die durch
Veranstaltung einer Geldlotterie zu beheben ge-
sucht wird, worauf dann hoffentlich die Arbeiten
ihren ungehinderten Fortgang werden nehmen
können. Inzwischen hat sich Prof. Schmitz auch
der kleinen nördlich von der Sebalduskirche
gelegenen Moritzkapelle, in der vor kurzem
wertvolle frühe Wandmalereien aufgedeckt wur-
den, angenommen; bei der Restaurierung der
Jakobskirche, von der neuerdings gleichfalls ver-
schiedentlich die Rede war, wird es sich indessen
lediglich um einige nötig werdende Ausbesse-
rungsarbeiten von untergeordneter Bedeutung
handeln.—Die Inventarisierung des gesamten
noch in Nürnbergs Mauern vorhandenen Kunst-
besitzes — mit Ausschluß natürlich der Samm-
lungen — hat sich seit einigen Jahren der „Verein
für die Geschichte der Stadt Nürnberg", vom
Stadtmagistrat tatkräftig unterstützt, auf das
eifrigste angelegen sein lassen, und die Heraus-
gabe der ersten Lieferungen des Werkes über
Nürnbergs Bau- und Kunstdenkmäler, die den
mit der Inventarisierung betrauten Konservator
am Germanischen Museum, Dr. F. T. Schulz,
zum Verfasser haben werden, steht in Bälde zu
erwarten.
Weit über die Grenzen Nürnbergs oder
Bayerns, weit auch über die Grenzen der Kunst-
pflege und Kunstgeschichte hinaus auf planmäßige
Sammlung und Erforschung von Denkmälern
der gesamten älteren deutschen Kultur zielen
bekanntlich die ihm von seinem Begründer, dem
Freiherrn von Aufseß, eingepflanzten, von dessen
Nachfolgern weiterentwickelten Absichten und
Pläne desGermanischen Nationalmuseums.
Nach der bedeutenden Erweiterung der Samm-
lungen in den ersten sechs Jahren des neuen Jahr-
hunderts (Bauernzimmer,Volkstrachtensammlung,
Zimmerflucht mit Barock-, Rokoko- und Empire-
einrichtungen) ist in dieser Beziehung in der
letzten Zeit zunächst eine Pause eingetreten,
was teils in der begonnenen gründlichen Durch-
arbeitung einzelner Abteilungen, teils auch in
der allmählich wieder brennend werdenden Raum-
frage seinen Grund hat. So wurden 1907 die
Abteilungen Glas, Keramik, Zinn den heutigen
museologischen Anforderungen entsprechend neu
aufgestellt, die Ausstellung von Schriftproben,
wie von Erzeugnissen des Drucks und der
graphischen Künste neu geordnet, die Gewebe-
sammlung in neuen gesünderen Rahmen und
Schränken untergebracht. Für die letztere Ab-
teilung konnte namentlich auf der Auktion der
Sammlung Spengel eine ansehnliche Reihe wert-
voller Ergänzungen erworben werden, und auch
auf verschiedenen anderen Gebieten waren die
Zugänge während des vorigen Jahres beträchtlich.
Unter den neu erworbenen Werken der Plastik
sei eine aus Tirol stammende Madonna mit dem
Kinde aus dem Ende des 14. Jahrhunderts und
die Halbfigur einer ebensolchen Maria aus der
Werkstatt Tilman Riemenschneiders, unter den
wissenschaftlichen Instrumenten ein messingenes
Monatshefte für Kunstwissenschaft
vergleichenden Menschen in der Überzeugung
des Erstaunens über das bayerische Kommissions-
wesen in Kunstdingen zu bestärken.
Uhde-Bernays.
g
NÜRNBERG =.- .—=
Beim Rückblick auf Ausübung und Pflege
der bildenden Kunst in Nürnberg während
des verflossenen Jahres bieten sich dem
Auge zwar keine bedeutsam hervorragende
Punkte dar, aber eine gewisse Stetigkeit der
Entwicklung zu höheren Zielen wird man, wenn
man den Blick nur nicht starr auf Nürnbergs
wunderbare Kunstblüte im 15. und 16. Jahr-
hundert gerichtet hält, doch nicht verkennen
können. Einen ansehnlichen Teil des Interesses,
der Pflege und der für Kunstzwecke zur Ver-
fügung stehenden Mittel wird ja freilich stets
die große Vergangenheit der Stadt und die Er-
haltung und Erforschung der uns aus ihr in ver-
hältnismäßig reicher Zahl überkommenen Denk-
mäler absorbieren müssen. So bildet ein Haupt-
kapitel in der Geschichte der Nürnberger Kunst-
pflege schon seit vielen Jahren die Wieder-
herstellung namentlich unserer ehr-
würdigen gotischen Kirchen, an denen
sich frühere Zeiten durch mangelhafte Aus-
besserung mit schlechtem Material nicht selten
arg versündigt haben und deren äußerer Skulp-
turenschmuck vollständigem Verfall durch Ver-
witterung anheimzufallen drohte oder bereits
anheimgefallen war. Nach der mustergültigen
Restaurierung der Sebalduskirche durch Pro-
fessor Joseph Schmitz hat sich dieser hoch-
verdiente Meister gotischer Baukunst bekannt-
lich der teilweise in noch schlimmerem Zustande
befindlichen Lorenzkirche zugewandt, und das
südliche Seitenschiff wie der südliche Turm,
bei dem es sich vor allem um die Ersetzung
der alten schadhaften Zinndeckung durch eine
Kupferbedachung und um die Restaurierung der
Steingiebel des Achteckaufbaues handelte, haben
im vergangenen Jahre fertiggestellt werden
können. An der Außenseite des nördlichen
Seitenschiffs ist der alte Ölberg in neuen, nach
Möglichkeit getreuen Figuren und wohl abge-
wogener Polychromierung wieder erstanden.
Nun aber ist in der Kasse des Vereins für die
Wiederherstellung der St. Lorenzkirche leider
eine bedenkliche Ebbe eingetreten, die durch
Veranstaltung einer Geldlotterie zu beheben ge-
sucht wird, worauf dann hoffentlich die Arbeiten
ihren ungehinderten Fortgang werden nehmen
können. Inzwischen hat sich Prof. Schmitz auch
der kleinen nördlich von der Sebalduskirche
gelegenen Moritzkapelle, in der vor kurzem
wertvolle frühe Wandmalereien aufgedeckt wur-
den, angenommen; bei der Restaurierung der
Jakobskirche, von der neuerdings gleichfalls ver-
schiedentlich die Rede war, wird es sich indessen
lediglich um einige nötig werdende Ausbesse-
rungsarbeiten von untergeordneter Bedeutung
handeln.—Die Inventarisierung des gesamten
noch in Nürnbergs Mauern vorhandenen Kunst-
besitzes — mit Ausschluß natürlich der Samm-
lungen — hat sich seit einigen Jahren der „Verein
für die Geschichte der Stadt Nürnberg", vom
Stadtmagistrat tatkräftig unterstützt, auf das
eifrigste angelegen sein lassen, und die Heraus-
gabe der ersten Lieferungen des Werkes über
Nürnbergs Bau- und Kunstdenkmäler, die den
mit der Inventarisierung betrauten Konservator
am Germanischen Museum, Dr. F. T. Schulz,
zum Verfasser haben werden, steht in Bälde zu
erwarten.
Weit über die Grenzen Nürnbergs oder
Bayerns, weit auch über die Grenzen der Kunst-
pflege und Kunstgeschichte hinaus auf planmäßige
Sammlung und Erforschung von Denkmälern
der gesamten älteren deutschen Kultur zielen
bekanntlich die ihm von seinem Begründer, dem
Freiherrn von Aufseß, eingepflanzten, von dessen
Nachfolgern weiterentwickelten Absichten und
Pläne desGermanischen Nationalmuseums.
Nach der bedeutenden Erweiterung der Samm-
lungen in den ersten sechs Jahren des neuen Jahr-
hunderts (Bauernzimmer,Volkstrachtensammlung,
Zimmerflucht mit Barock-, Rokoko- und Empire-
einrichtungen) ist in dieser Beziehung in der
letzten Zeit zunächst eine Pause eingetreten,
was teils in der begonnenen gründlichen Durch-
arbeitung einzelner Abteilungen, teils auch in
der allmählich wieder brennend werdenden Raum-
frage seinen Grund hat. So wurden 1907 die
Abteilungen Glas, Keramik, Zinn den heutigen
museologischen Anforderungen entsprechend neu
aufgestellt, die Ausstellung von Schriftproben,
wie von Erzeugnissen des Drucks und der
graphischen Künste neu geordnet, die Gewebe-
sammlung in neuen gesünderen Rahmen und
Schränken untergebracht. Für die letztere Ab-
teilung konnte namentlich auf der Auktion der
Sammlung Spengel eine ansehnliche Reihe wert-
voller Ergänzungen erworben werden, und auch
auf verschiedenen anderen Gebieten waren die
Zugänge während des vorigen Jahres beträchtlich.
Unter den neu erworbenen Werken der Plastik
sei eine aus Tirol stammende Madonna mit dem
Kinde aus dem Ende des 14. Jahrhunderts und
die Halbfigur einer ebensolchen Maria aus der
Werkstatt Tilman Riemenschneiders, unter den
wissenschaftlichen Instrumenten ein messingenes