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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0082

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

gehabten unwürdigen Lokalitäten am Haupt-
markt in das zweckentsprediend eingerichtete
neue Gebäude, das auch ihn aufzunehmen be-
stimmt ist, eine Verbesserung seines Blutes
und und eine Hebung seiner Kräfte verspüren,
ja in fernerer Zukunft wohl gar aus dem Zu-
sammenwirken der verschiedensten Faktoren
eine moderne Gemäldegalerie erstehen, wie man
sie einer Stadt von der Größe und Bedeutung
Nürnbergs so sehr wünschen möchte, zu der
aber bisher in der städtischen Sammlung auf
nur erst geringe Ansätze vor-
Theodor Hampe.

dem Rathaus
handen sind.


FLORENZ .-.^= ■ ■^

In den Florentiner Sammlungen
schreitet die Arbeit der Neuordnung fort, Er-
werbungen finden statt, in den Kirchen wird
überall an Restaurationen gearbeitet, es ist
darüber viel zu berichten. Dies soll demnächst
ausführlich geschehen. Schon heute sei jedoch
mitgeteilt, daß die Gerüste im Baptisterium,
welche viele Jahre lang die Mosaiken der Kuppel
dem Auge entzogen, nun völlig entfernt sind,
und jene Schöpfungen aus der Morgenröte der
italienischen Kunst wieder der Bewunderung
und dem Studium zugänglich sind. In S. Maria
Novella sind die Säuberungs- und Restaurations-
arbeiten an den Fresken Ghirlandajos ebenfalls
vollendet, mit großem Geschick und mit Takt.
Während der Zeit, da die Gerüste noch auf-
gebaut waren, sind übrigens von dem Floren-
tiner Photographen Manelli eine große Serie
von Detailaufnahmen gemacht worden, die der
Forschung gute Dienste leisten können.
In Florenz ist ein französisches Institut
ins Leben getreten, das Renaissance - Studien
im weitesten Sinne fördern will, in Literatur,
Geschichte und Kunst. Es ist so gedacht, daß
französische Studenten an ihm ihre Studien
machen, indem sie gleichzeitig an der Floren-
tiner Universität eingeschrieben werden. Da-
neben will das Institut durch Vorträge sich an
die Florentiner Gesellschaft wenden und ferner
auch die gelehrten Beziehungen von Frankreich
und Italien durch Vermittlerdienste fördern.
In der am 25. v. M. stattgehabten Sitzung
des Kunsthistorischen Instituts brachten
Darlegungen des Malers Otto Hettner über
Zeichnungen Michelangelos sehr wichtige
Untersuchungen, welche in ihrer Methode
eine außerordentliche Verfeinerung der kritischen
exakten Behandlung von Handzeichnungen, in
ihrem Resultat neue Urteile über Echtheit oder
Unechtheit einiger Blätter und neue Einsichten

in den Schaffensprozeß Michelangelos bedeuten.
Sie bewiesen wieder von einer neuen Seite her,
daß die Quellen der Größe einer Leistung auch
beim Genie aus stiller energischer Arbeit fließen
und geben eine Illustration zu der Stelle Vasaris,
welche sagt, daß Michelangelo seine Studien-
blätter verbrannt habe, damit die Welt nicht
wisse, wie furchtbar schwer es ihm geworden
sei. Herr Hettner führte aus: Eigene Versuche
zur Darstellung von in der Luft schwebenden
Figuren brachten ihn dazu, diese scheinbar dem
direkten Modellstudium entzogenen Bewegungs-
motive dadurch unmittelbar nach der Natur zu
zeichnen, daß er wie auch schon der Maler
Bonnat getan hatte, sicherlich auch andere Künstler,
z. B. für eine vom Himmel steigende stark ge-
kurvte Gestalt den Ausweg wählte das Modell
über einen Sessel zu legen, es so zu zeichnen
und dann das Blatt herumzudrehen. Die vor-
gelegte Zeichnung bewies den Anwesenden aufs
schlagendste, daß die so erzielte Skizze (nach
einigen kleinen Detailkorrekturen) in der Tat,
glaubhaft und bestimmt einen raschen Sturz
darstellte.
Diese Arbeitsmethode hat der Vortragende
nun bei den großen Meistern der Renaissance
festgestellt und er beweist dies im einzelnen
an Handzeichnungen und Malereien Michel-
angelos. Bei seinen Werken in der Sixtinischen
Kapelle kommt nicht eine einzige Stellung vor,
die nicht nach der Natur studiert ist, obwohl
bei vielen dies auf den ersten Blick unmöglich
erscheinen möchte, wie z. B. bei der Kreuzigung
Hamans. Die Studien dazu (abgebildet bei
Steinmann, Sixtinische Kapelle, Bd. II, S. 633
und 634), welche im British Museum und im
Tepler Museum aufbewahrt werden, zeigen den
Gang, auf welchem Michelangelo zur völligen
Durcharbeitung des Gekreuzigten mit Hilfe von
Aktstudien gelangt ist, indem er nämlich die
Gesamtstudie (Steinmann 634) dadurch gewann,
daß das Modell auf eine Bank gelegt wurde,
und die durch die liegende Position sich er-
gebenden von der Endabsicht abweichenden
Einzelheiten durch Detailstudien korrigiert und
die Korrekturen in die zuerst gewonnene Ge-
samtstudie eingetragen wurden, wie wir dies
auf beiden Blättern verfolgen können. Die
logische Bedingtheit aller auf diesen beiden
Blättern sich findenden Zeichnungen unterein-
ander, die alle einem durchschaubaren Ent-
wicklungsgange der den Haman vorbereitenden
Studien angehören, schließen es aus, daß diese
Blätter nach dem fertigen Werke gezeichnete
Kopien sind, wie Berenson meint. Beide Blätter
sind vielmehr eigenhändige Studien des Meisters
selbst.
 
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