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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0086

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

Kopf, der Michelangelo darstellen soll, jedenfalls
ein interessantes Stück, das Giuliano Bugiardini
zugeschrieben wird. Von Domenichino, dem
Sibyllenmaler, findet sich ein ultranaturalistisches
Porträt eines Mannes aus Sir Edgar Sebrights
Kollektion. Ein außerordentliches Stück ist auch
die Königin Mary Tudor (die blutige Marie) des
Lucas de Heere (Sir W. Cuthbert Quilter). Die
englische Abteilung bringt wohl eine große Zahl
von Bildern, namentlich viele Reynolds, aber
kein wirklich erstklassiges Stück; sie dient eher
dazu zu zeigen, wie selbst die großen Meister
oft froh waren „Aufträge" zu erledigen. Diese
können ja die Handschrift des Schaffenden nicht
verleugnen, aber statt innerer Teilnahme, die
belebend wirkt, zeugen sie von Zerstreutheit
und ärgern durch Maniriertheiten, die hier eben
viel stärker zutage treten. — Die Hogarth-
ausstellung betont mit Recht den Maler und
Künstler. Zwei Seelen wohnten ja in diesem
seltsamen Manne, und er besaß sozusagen zwei
verschiedene Arten Augen und Hände. Ein Mo-
ralist und Volksverbesserer war er, wie so
mancher englische Künstler und Dichter in seiner
Art, und dazu doch ein ganzer Künstler und
ein echter Maler. Als letzteren tun ihn hier
nun eine ganze Reihe Stücke kund: die Halb-
figur der berühmten irischen Schauspielerin Peg
(Woffington, Marquess of Landsdowne); ein
männliches Porträt (George Harland Peck) in
blauem Rock mit Goldbesatz, das in der Vor-
nehmheit und Harmonie der Farbengebung
Hogarth als Vorläufer Gainsboroughs erkennen
läßt Mit welch innerer Teilnahme Hogarth
eine Szene ganz ohne den Nebengedanken,
Moral zu predigen, dann und wann darstellen
kann, zeigt die kleine Skizze zu „Hudibras"
(Mrs. Howard Stormont), die in Bewegung usw.
ein unvoreingenommenes Auge verrät, während
ihn sonst sein Wollen zur Karikatur führt. Ein
Stück sichrer, lebendiger Charakteristik ist das
Porträt der Mörderin Sarah Malcolm (Sir Fre-
derick Cook). Die Doppelnatur des Künstlers
tritt am meisten und peinlichsten hier in den
Kinderbildnissen zutage. In Skizzen schafft
er aus reinem Vergnügen an der künstlerischen
Arbeit; geht er über die Skizzen hinaus, führt
seine Absicht ihm vom Wege der Kunst und
vornehmlich der Malerei als solcher ab und auf
andere Bahnen, und dies wurde ihm derart zur
zweiten Natur, daß er auch Kinder oft zu hal-
ben Karikaturen macht, daß er ihren unent-
wickelten Körperchen alte Gesichter Erwachsener
aufsetzt zum Teil in jener Steife der Nacken-
haltung und Unbeweglichkeit des Auges, die er
von den öden Hofmalern seiner Jugendzeit an-
genommen hatte. Alles in allem bekommt man

in dieser Ausstellung den Eindruck, ein starkes,
eigenartiges und temperamentvolles Talent vor
sich zu haben, das einmal seinen menschlichen
Eigenschaften und sodann seiner Zeit Tribut
zahlen mußte, das aber ganz andere Höhen er-
stiegen hätte, wäre es ihm beschieden gewesen
erst zu wirken, „wenn die Zeit erfüllet war".
So mußte er den Sturmbock und den Schemel
für andere abgeben. — Als Ergänzung zur Alt-
meisterausstellung dient die moderne der Inter-
nationalen Gesellschaft der Bildhauer, Maler und
Radierer in der New Gallery, für die wie bisher
Professor George Souter wieder eifrig tätig war.
Sie enthält ein vorzügliches Beispiel der Porträt-
kunst Renoirs, einige Monets von Bedeutung,
eine Büste Bernhard Shaws von Rodin, dessen
gewaltiges Werk: l'homme qui marche leider
nur im Abguß zu sehen ist. Die deutsche
Kunst ist nur durch Zufälligkeiten repräsentiert;
ein vortrefflich durch geführter Charakterkopf
des Düsseldorfer Meisters E. v. Gebhardt fällt
da besonders auf. — Von bedeutenderen Aus-
stellungen, die augenblicklich in London statt-
finden, braucht sonst nur noch die der Land-
schafter um Peppercorn (Peppercorn selber,
Austen Brown, Leslie Thomson usw.) erwähnt
zu werden, die die Landschaft vornehmlich als
Stimmungsmotiv behandeln, trotz einer sich da-
raus ergebenden gewissen Monotonie aber doch
sehr starke Eindrücke zu erzielen wissen. Eine
österreichische Kunstausstellung fand hier
kürzlich sozusagen unter dem Ausschluß der
Öffentlichkeit statt. In zahlreichen Londoner
Kunstkreisen erfuhr man nichts von ihrer Exi-
stenz; weit außerhalb des sehr enggezogenen
Londoner Ausstellunggebietes: Bond Street,
Piccadilly und Mall, in Southampton Row hatte
man sie einlogiert. Daß es vergebens ist, Lon-
doner Kunstfreunde aus ihrem gewohnten Ge-
biete herauszulocken, hatte vor zwei Jahren die
große deutsche Ausstellung in Knightsbridge zu
ihrem Schaden zu lernen. Wie ganz im mittel-
alterlichen Sinne die Goldschmiede, die Weiß-
warenhändler usw. noch heute fast Tür an Tür
nebeneinander hausen, ja selbst ganz moderne
Branchen wie die Fahrradgeschäfte das tun, so
ists von altersher bei den Ausstellungen Brauch,
und Ausstellungsveranstalter wie Kunsthändler
wissen das und richten sich danach. Schade,
daß so die Mühe der „Genossenschaft der bil-
denden Künstler Wiens" wohl vergebens war.
Zweimal haben so die Österreicher um An-
erkennung hier gerungen; das vorhergehende
Mal in den dunklen Räumen der populären
Earls Court Ausstellung, die für eigentliche Kunst
gar nicht in Betracht kommt; beide Male offen-
bar ohne das schwierige, ihnen neue Gebiet
 
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