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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0091

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Rundschau

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zweier besonderer Lehrstühle an den Universi-
täten Utrecht und Leiden einen wesentlichen
Fortschritt. Dort wirkt seit dem Beginn des
Wintersemesters als ordentlicher Professor —
für Ästhetik und Kunstgeschichte zugleich —
Herr Dr. Wilhelm Vogelsang, der bislang in
Amsterdam als Privatdozent kunstgeschichtliche
Vorlesungen hielt. In Leiden wurde Herr Dr.
W. Martin, zweiter Direktor der Königl. Gemälde-
galerie im Haag und seit einer Reihe von Jahren
Privatdozent an der Leidener Universität, zum
außerordentlichen Professor für Kunstgeschichte
ernannt. Damit sind auch in Holland dem Stu-
dium der Kunstgeschichte die Türen geöffnet.
Nur einen Haken hat die Sache. Man kann
nicht eigentlich in Kunstgeschichte promovieren.
Die Dissertationen müssen in erster Linie histo-
risch sein; rein stilkritische Untersuchungen
können bis jetzt noch nicht als Promotions-
schriften zugelassen werden. Und an der münd-
lichen Prüfung beteiligen sich die Dozenten für
Kunstgeschichte nicht. Indessen hindert das ja
nicht, daß jener wichtige Zweig unserer Wissen-
schaft doch gepflegt wird. Vielleicht tut die
gründlichere historische Schulung sogar recht gut.
Ausstellungen alter Kunst in größerem
Stile hat das vergangene Jahr nicht aufzuweisen.
Nur eine verhältnismäßig kleine, intim gehaltene
Sammlung von holländischen Gemälden des
XVII. Jahrhunderts aus Rotterdamer Privat-
besitz hatte die dortige Künstlergenossenschaft
zusammengestellt und damit gezeigt, daß noch
manche Schätze im Lande verborgen sind. Die
Großmeister Rembrandt, Hals, Steen u. a. waren
zwar nicht vertreten, sondern nur Künstler
zweiten und dritten Ranges (an jenen gemessen).
Das Gesamtniveau der Ausstellung aber, deren
Hauptbestandteil dem Sujet nach Stilleben aus-
machten, hielt sich auf sehr beachtenswerter Höhe.
Man konnte so recht erkennen, welch echter
künstlerischer Zug jene Zeit durchwehte. Des
näheren kann auf diese Ausstellung jetzt an
dieser Stelle nicht mehr eingegangen werden.
Ich will aber wenigstens ein, zwei Stücke her-
vorheben, die besonders den Kunsthistoriker
interessieren. Das ist in erster Linie eine große
bezeichnete und 1652 datierte „Vanitas" von
Frans Hals dem Jüngeren (im Besitz des Direk-
tors des Museums Boymans, Herrn P. Haverkorn
van Rijsewijk). Von Hendrik ten Oever über-
raschte eine große Leinwand mit Hühnern, die
voll bezeichnet war und die Jahreszahl 1703
trug. Und dann sei hier noch des Kirmeßbildes
von Gerrit Lundens gedacht, weil seine Kompo-
sition der Figuren und Farben — auf solch eine
profane Szene übertragen — unliebsam an Rem-
brandts Nachtwache denken ließ. Landens wirt-

schaftete hier, wie ich aas dem kurze Zeit nach
der Ausstellung erschienenen Werk von Gustav
Glück über die Sammlung Alexander Tritzsch
in Wien sah, aber nicht das einzige Mal mit
der einst so genau studierten Komposition. Dr.
Glück konstatiert auf dem dort befindlichen Ge-
mälde, einem bezeichneten und auch datierten
(1649) Hochzeitsfest, dieselbe enge „Anlehnung"
Lundens' an Rembrandts Nachtwachekomposition
und sieht darin einen neuen Beleg für die Ge-
nauigkeit der Kopie von Lundens in der National
Gallery, d. h. für die Verstümmelung der Nacht-
wache: Ein Maler, dem nach etwa sieben Jahren
jene Komposition noch so sehr in den Gliedern
steckt, wird sich beim Kopieren sicherlich keine
eigenen Zusätze erlaubt haben. Mir scheint
jedoch, daß diese psychologische Frage auch noch
anders beantwortet werden kann. Vielleicht
darf man ebensogut sagen: wer so wenig Takt
besitzt, für seine im Grunde doch minderwertigen
Kirineß- und Hochzeitsbilder einfach jene Rem-
brandtsche Komposition, milde ausgedrückt, zu
übernehmen — denn Lundens wird schwerlich
immer dazu gesagt haben, daß das Kompositions-
schema nicht seines Geistes Kind — dem ist
auch zuzutrauen, daß er nach seinen Schönheits-
begriffen auf einer Kopie „kleine Verbesserungen"
anbringt. Vielleicht kann dieser Punkt in jener
vielerörterten Frage einiges zur Klärung bei-
tragen, wenn dazu noch genau untersucht wird,
wie sich Lundens bei seiner Kopie nach einem
Schützenbild von Jacob Backer (in der Samm-
lung Achenbach in Düsseldorf) verhielt. Und
wie es ferner mit der Kopie nach Flinck steht,
die Dr. Bredius im Museum zu Valencia ge-
funden zu haben glaubt. (Vgl. „Amsterdam in
de XVII. Eeuw", Band III, De Schilderkunst,
Seite 191). Ich meine: malte Lundens hier
sklavisch Stück für Stück nach, so wird er ebenso
bei der Nachtwache verfahren sein. Ist das aber
nicht der Fall, so gewännen die ein Plus, die
bisher gegen eine Beschneidung der Nachtwache
gesprochen haben. — Rein künstlerisch boten
auf dieser Ausstellung drei van Goyens aus dem
Beginn der dreißiger Jahre den höchsten Genuß.
Im Übrigen orientiert über die Ausstellung, die
wohl nur von wenigen Ausländern besucht
worden sein dürfte, ein brauchbarer illustrierter
Katalog.
Von der Entdeckung des „Mädchens mit der
Flöte" von Vermeer durch Dr. Bredius in Brüssel
braucht jetzt wohl nicht mehr gesprochen zu
werden. Leider ist das Bildchen, das bei längerem
und öfterem Ansehen immer mehr gewann, nun
wieder aus dem Mauritshuis zu seinem Besitzer,
Jhr. de Grez in Brüssel, zurückgekehrt. Dagegen
interessieren wohl die Mitteilungen, die Herr
 
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