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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Escher, Konrad: Die sizilische Villa beim Übergang vom Barock zum Klassizismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0017

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Sockel verwandelt, auf welchem ausgezeichnete Basamente seltsame Gruppen in
die Höhe tragen, indessen in dem Raum von einer zur andern mehrere Vasen auf-
gestellt sind. — Ich sagte vorhin Gruppen und bediente mich eines falschen, an
dieser Stelle uneigentlichen Ausdrucks: denn diese Zusammenstellungen sind durch
keine Art von Reflexion oder auch nur Willkür entstanden, sie sind vielmehr zu-
sammengewürfelt. Jedesmal drei bilden den Schmuck eines solchen viereckten
Postaments, indem ihre Basen so eingerichtet sind, daß sie zusammen in verschie-
denen Stellungen den viereckigen Raum ausfüllen. Die vorzüglichste besteht ge-
wöhnlich aus zwei Figuren, und ihre Base nimmt den größten vorderen Teil des
Piedestals ein; diese sind meistenteils Ungeheuer von tierischer und menschlicher
Gestalt. Um nun den hinteren Raum der Piedestalfläche auszufüllen, bedarf es
noch zweier Stücke; das von mittlerer Größe stellt gewöhnlich einen Schäfer oder
eine Schäferin, einen Kavalier oder eine Dame, einen tanzenden Affen oder Hund
vor. Nun bleibt auf dem Piedestal noch eine Lücke; diese wird meistens durch
einen Zwerg ausgefüllt, wie denn überall dieses Geschlecht bei geistlosen Scherzen
eine große Rolle spielt. — Denke man sich nun dergleichen Figuren schockweise
verfertigt und ganz ohne Sinn und Verstand entsprungen, auch ohne Wahl und
Absicht zusammengestellt, denke man sich diesen Sockel, diese Piedestale und Un-
formen in einer unabsehbaren Reihe, so wird man das unangenehme Gefühl mit-
empfinden, das einen jeden überfallen muß, wenn er durch diese Spitzruten des
Wahnsinns durchgejagt wird.“ So weit bei wiederholtem Besuch der Villa fest-
gestellt werden konnte, besteht diese Allee nicht mehr, allein es ist anzunehmen,
daß viele dieser Figuren bei Zerstörung der Allee auf die Gartenmauern gesetzt
wurden, weil sich manche von denen, welche Goethe aufzählt, an genannter Stelle
nachweisen lassen, während damals, wie aus Goethes weiteren Worten hervor-
geht, die Gartenmauern und Ökonomiegebäude offenbar weniger Figuren trugen.—
„Und so sind denn auch diese Dachreihen (eben der kleinen Ökonomiegebäude) mit
Hydern und kleinen Büsten, mit musizierenden Affenchören und ähnlichem Wahn-
sinn verbrämt. Drachen, mit Göttern abwechselnd, ein Atlas, der statt der Himmels-
kugel ein Weinfaß trägt.“1) Heute neigt der vorurteilsfreie Besucher wohl eher
(i) Verfasser sah bei dem Besuch der Villa im Herbst 1912 und im Sommer 1913 noch folgende
Gruppen auf den Gartenmauern, von der Rückseite des Kasinos nach vorn gezählt; linker Flügel:
Figuren in Zeittracht, stehend oder sitzend, viele mit Musikinstrumenten (Gitarre), — Figuren in
Zeittracht oder in phantastischem Aufputz auf Ungeheuern sitzend. — Drache. — Mann in Zeittracht
mit Gewehr. — Auf dem kleinen Portal Maske und drachenähnliche Ungeheuer. — Zwei Tritonen. —
Sphinx mit Schmetterlingsflügeln. — Jüngling mit Lorbeerkranz, mit einer Art von Chlamys bekleidet,
in der Hand einen Thyrsos, hinter ihm eine Ziege. — Mann mit Kartusche. — Sitzender Mann mit
Harfe. — Halbnackter, tanzender Mann. — Mann, auf einem eselartigen Ungeheuer sitzend und
geigend. — Mann in Kriegstracht des 17. Jahrhunderts (also wohl Kopie nach einer älteren Statue).—
Figur auf einem Ungeheuer sitzend. — Mann mit Allongeperücke und Baßgeige. — Paukenschläger. —
Antikisierende Figur mit Zimbeln. — Figur auf einem Ungeheuer sitzend. — Schalmeibläser in
Perücke. — Lautenschläger. — Zwei Flötenbläser und ein Gitarrespieler. — Ein Reiter. — Krieger
in antikisierender Tracht. — Orientale. — Reiter. — Baßgeigenspieler. — Orientale auf einem Un-
geheuer. — Geflügelter Greis, eine weibliche Gestalt raubend. — Drache. — Antikisierende weibliche
Gestalt zwischen zwei Drachen.
Rechter Flügel: Krieger. — Giebel, von einem knienden Flötenbläser bekrönt; auf der Schräge
zwei liegende Männer. — Mann in antikisierender Rüstung. — Chimäre. — Buckliger. — Hornbläser
neben einem Ungeheuer. — Antikisierende Männergestalt. — Figur auf einem Löwen reitend. —
Antikisierende Figur auf einem Ungeheuer. — Reiter auf einem Löwen. — Buckliger. — Amor auf
dem Rücken eines Kentauren. — Zwerg. — Figur in Zeittracht auf einem Kentauren. — Antikisierende

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