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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Mâle, Emile: Studien über die deutsche Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0399

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STUDIEN ÜBER DIE DEUTSCHE KUNST
. Von EMILE MALE
VORBEMERKUNG DES ÜBERSETZERS
U\ie Monatshefte für Kunstwissenschaft hofften ihre Tribüne von Völkerhaß und
U Kriegslärm freihalten zu können. Das wäre leicht zu erreichen gewesen,
wenn die Kunsthistoriker in den feindlichen Ländern von demselben Willen geleitet
worden wären, die res publica literarum aufrecht zu erhalten. Vornehmlich die
Franzosen haben die Feindschaft des Krieges in persönliche Feindschaft umgesetzt.
Darin ist ihnen nun auch einer der verdienstvollsten und kenntnisreichsten Kunst-
historiker gefolgt, der durch sein bisheriges Schweigen als eine jener französischen
Stützen der res publica literarum gelten durfte, mit denen nach Friedensschluß
die Beziehungen wieder aufgenommen werden dürften. Emile Male, der seit
Jahrzehnten mit Paul Clemen, Arthur Haseloff, Graf Vitzthum, Wilhelm Voege,
Arthur Weese und manchen anderen in kameradschaftlichen Beziehungen stand,
enttäuscht uns zu Beginn des dritten Kriegsjahres nun auch noch. Er beginnt
in der Revue de Paris vom 15. Juli mit der Veröffentlichung von Studien über
die deutsche Kunst, die allerdings von seinen reichen Kenntnissen Zeugnis ab-
legen, deren Tendenz aber allzudeutlich erscheint. Er will, wie er selbst ein-
gesteht, den Nachweis führen, daß der deutsche Geist nicht nur keine Erfindungs-
gabe besitzt, sondern nur verstanden hat, zu zerstören. Er will ferner nachweisen,
daß die deutsche Kunstforschung in absichtlicher Fälschung von Tatsachen dem
germanischen Geist etwas zugesprochen hat, das ihm nicht zukommt. Mäle unter-
schlägt die Forschungen der führenden deutschen Fachleute und beruft sich allein
auf Franzosen, Russen und Italiener, so daß es den Anschein hat, als ob sie die
Irrtümer und Fälschungen der Deutschen aufgedeckt haben. Es erscheint mir
wertvoll, Emile Mäles Ausführungen, die er mit seinem ganzen wissenschaftlichen
Apparat inszeniert hat, den deutschen Fachgenossen zu unterbreiten, damit sie sich
davon überzeugen, wie weit Krieg und Völkerhaß in Frankreich sogar die Kunst-
wissenschaft vergiftet haben. Es sei darauf hingewiesen, daß die Propagandisten
der französischen Kultur Darstellungen wie diejenige Mäles durch alle der Entente
zugänglichen Länder in zahllosen Exemplaren verbreiten lassen. Otto Grautoff.
L DIE KUNST DER GERMANISCHEN VÖLKER
Es bedarf einer großen Anstrengung, um von der deutschen Kunst zu reden.
Jene dumpfe Traurigkeit, welche Frau von Stael nach dem Übergang über
den Rhein auf sich lasten fühlte, haben auch wir empfunden, als wir wieder
einmal die Welt der deutschen Kunst betraten. Nachdem die Söhne das Werk
ihrer Väter entehrt haben, ist uns alles dort feindlich geworden. Ist es nötig, ja
ist es billig, den Leser von einer Kunst zu unterhalten, für die man nicht mehr
die innere Sympathie empfindet, die doch den Anfang jeglichen Verstehens bildet?
Man wäre berechtigt, daran zu zweifeln. Aber es wird sich hier weder um Be-
wunderung, noch um Verachtung handeln: wir wollen nur die Tatsachen sammeln,
welche beweisen, daß Deutschland auf dem Gebiete der Kunst nichts erfunden hat1).
(i) Man beachte die Schärfe des Wortlautes: rien inviente. Der Beweis wird also mißglückt sein, wenn
auch nur ein einziger Gegenfall nachgewiesen wird. Ein solcher ist nun z. B. auf dem Gebiet, dem Mäle
besonders nahe steht, die Entwicklung der germanischen Fibel der Völkerwanderungszeit; vgl. Anm. 5.
Monatshefte für Kunstwissenschaft, IX. Jahrg. 1916, Heft 11 31 387
 
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