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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Lüthgen, Eugen: Malerei und Plastik in der cölnischen Kunst des 14. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0460

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MALEREI UND PLASTIK IN DER COL-
NISCHEN KUNST DES 14. JAHRHUNDERTS
Mit fünfzehn Abbildungen auf sechs Tafeln Von G. EUGEN LÜTHGEN
Seitdem im Jahre 1908 infolge einer Reinigung des Clarenaltares im Cölner Dom
die Malschichten des 19. Jahrhunderts von der ursprünglichen Malerei des
14. Jahrhunderts entfernt wurden, seitdem gleichzeitig die früher so berühmte Ma-
donna mit der Wickenblüte, die man ohne jede Voreingenommenheit dem Meister
Wilhelm zugeschrieben hatte, als eine Arbeit des 19. Jahrhunderts bezeichnet wurde,
sind kaum nennenswerte Versuche gemacht worden, auf Grund der neuen Ermitt-
lungen den Ursprüngen der Cölner Malerei des 14. Jahrhunderts näher zu kommen.
Dies berührt um so eigentümlicher, als die Forschungen Aldenhovens nach mehr
als einer Seite hin dringend der Erweiterung und Vertiefung bedurften und als das
neue Aussehen des Clarenaltares aufdringlich auf ein Gebiet hinwies, das bei der
Frage nach den Anfängen der Cölner Malerschule nicht übergangen werden kann:
auf die Bildnerei. Denn während man aus naheliegenden Gründen zur Erklärung
der frühesten Cölnischen Tafelgemälde auf die gleichzeitige Miniaturmalerei hinwies,
übersah man es, daß die Mehrzahl der Frühwerke nicht einen zeichnerischen oder
flächigen Stil aufwies, wie er der Miniaturmalerei eigentümlich sein soll, sondern
daß in den ältesten Cölnischen Tafelgemälden vielmehr eine auffällige Neigung zur
körperhafträumlichen Darstellung liegt, die ihre zureichende Erklärung in der das
14. Jahrhundert ausschließlich bestimmenden plastischen Formgesinnung findet. Da
es ein Leichtes war, einzelne Tafelgemälde namhaft zu machen, die durch die
linienhafte Aufteilung der Fläche in übersichtlich begrenzte Felder, die durch die
scharfen, dunkeln Umrißlinien der Körper ihre Verwandtschaft mit anderen Flächen-
künsten offenbarten, da man auf der Suche nach Vorbildern zunächst die Gebiete
der Flächenkunst durchstreifte, erklärt es sich, daß die Plastik, die scheinbar
weit ab liegt von den Darstellungsmitteln und Weisen der Malerei, als Quelle zur
Erklärung der Formvorstellungen der ältesten Werke der Tafelmalerei nicht heran-
gezogen wurde. An die Plastik dachte man am wenigsten. Über die Entwick-
lungsgeschichte der Cölner Bildnerei des 14. Jahrhunderts war ja so gut wie nichts
bekannt1).
Trotzdem hätte ein Beobachter, der unvoreingenommen die Werke der Malerei,
die Glasgemälde, die Miniaturmalereien betrachtete, eine sinnfällige Übereinstim-
mung der Gemälde und der Bildnerei wahrnehmen müssen. Man brauchte nur
einmal eine bestimmte Darstellung der Malerei mit derselben plastischen zu ver-
gleichen, z. B. die Darstellung der Madonna auf dem Thronsessel im Berliner Kaiser
Friedrich-Museum (Nr. 1627) mit den gleichzeitigen oder älteren thronenden Ma-
donnen der Cölnischen oder niederrheinischen Plastik, um unmittelbar zu erkennen,
daß die räumlich-plastische Auffassung dieser Darstellung allein der Plastik ent-
nommen sein kann (Abb. 1,6). So unmalerisch und unflächenhaft ist diese Madonna,
daß sie bis in alle Einzelheiten erkennen läßt, daß sie nur als ein Ersatz einer pla-
stischen Arbeit gedacht war. Man brauchte aber auch nur die vielfältigen Hinweise
von Aldenhoven und Firmenich-Richartz aufmerksam zu lesen, um festzustellen,
(1) Fr. Lübbecke: Die gotische Cölner Plastik, Straßburg 1910. H. Reiners: Die rheinischen Chor-
gestühle der Frühgotik, Straßburg 1909. O. Jsphording: Zur Cölner Plastik des 15. Jahrhunderts.
Diss. Bonn 1912.
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