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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Kohler, Josef: Das Cavazzola-Bild in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0074

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DAS CAVAZZOLA-BILD IN DRESDEN
Mit einer Abbildung auf einer Tafel Von JOSEF KOHLER
Einer der höchsten Schätze der Dresdner Galerie, ein unvergleichliches Meister-
werk der Porträtkunst ist das Bild Cavazzolas, das dort im Katalog unter
Nummer 201 angeführt wird und gegenwärtig mit Recht unter den größten Sehens-
würdigkeiten in einer Art von Tribuna aufgehängt ist. Welch ein Bild! Es
vereinigt die fast unversöhnlichen Gegensätze: das packende Wirklichkeitsgefühl
eines Velasquez mit dem metaphysischen Zug eines Piombo. Die Person ist völlig
individuell wiedergegeben, zugleich aber auch das der Person innewohnende Ewige
und Unvergängliche.
Von dem Mann, der in solcher Wirklichkeit vor uns steht, wußte man früher
nur, daß er ein Mitglied der Famile Megli war, denn das Bild war ein Familien-
stück dieser Familie und kam von hier aus in den Handel.
Dieser Mann von ganz hervorragender Kraft und Individualität, wollend und
suchend zugleich, hatte mich längst angezogen, und ich ließ im Archiv von Verona
darüber durch den Archivar Gaetano da Re Nachforschungen anstellen. Bereits
im „Tag“ vom 8. Dezember ign konnte ich zur Ergänzung des Dresdner Katalogs
berichten, daß der abgebildete Mann Joannes Emilius (von der Familie der Megli)
war, ein Jurist und Protonotarius apostolicus, und daß er in der Veroneser Stadt-
liste von 1501 als 25 jähriger Jüngling aufgeführt wird. Diese Notiz wurde auch
im neuen Katalog aufgenommen. Im übrigen ergaben die erwähnten Nach-
forschungen folgendes:
In den Registern vom Jahre 1501 erscheinen von der Familie Megli folgende
Personen: Aloise (= Aloisio), 41 Jahre, und Pero (= Pietro), sein Bruder, 39 Jahre
alt, sodann Tomaso, dessen Alter nicht angegeben wird, endlich dessen Söhne
Jeronimo, 27 Jahre, Zuan (Giovanni), ein Studierender, 25 Jahre, und Marco (Cava-
liere), 22 Jahre alt. Der Stammbaum, der sich hiernach und nach anderen Mit-
teilungen aufstellen läßt, ist folgender:
Aloisio

Filippino Marco Tomaso
(j- 1504) (f 1504 od. vorher) (j- 1507)

1. Aloisio 2, Pietro 3. Jeronimo 4. Giovanni 5. Marco
(geb. 1460) (geb. 1462) (geb. 1474) (geb. 1476) (-{-1504).
Von diesen Personen gilt folgendes: Der Canonicus Filippino war im Jahre 1504 tot,
sein Bruder Marco starb schon vor ihm; dies ergibt sich aus der Erbteilung über
Filippinos Nachlaß, der zur Hälfte an Tomaso und zur Hälfte an die zwei Söhne
des Marco (Aloisio und Pietro) fiel. Der dritte der Gebrüder, Tomaso, der mit Lucia,
einer Tochter des Doctor Giovanni Porto von Vicenza, verheiratet war, stärb 1507.
Nun wissen wir, daß Cavazzola 1522 sehr jung, kaum 36 Jahre alt, gestorben
ist. Das Bild gehört neben der Altartafel Nr. 277 im Veroneser Museum (aus dem
Jahre 1522) und neben dem Sybillenbild (ehemals an der Hausfront Via Paradiso Nr. 29
in Verona, jetzt, wenn ich nicht irre, im Veroneser Museum) und neben dem
großartigen Damenporträt in der Galleria Carrara (Morelli Nr. 64) in Bergamo, dem
Gegenstück unseres Werkes, zu seinen vollendetsten Schöpfungen. Wenn man nun
die machtvolle Kunstentwicklung des jugendlichen Meisters in Betracht zieht und

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