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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Küppers, Paul Erich: Die italienischen Gemälde des Kestner-Museums zu Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0137

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DIE ITALIENISCHEN GEMÄLDE DES
KESTNER-MUSEUMS ZU HANNOVER
Mit einundzwanzig Abbildungen auf neun Tafeln Von PAUL ERICH KÜPPERS
Die italienischen Gemälde des Kestner-Museums stammen fast alle aus der
Sammlung des kunstverständigen Sammlers, von dem die Galerie ihren Namen
hat. Dem sicheren Blick und der Feinfühligkeit dieses ausgezeichneten Dilettanten
entsprechend sind es fast durchweg Stücke von guter Qualität und hohem kunst-
historischen Interesse. Einige, wie das dem Raffael zugeschriebene Damenbildnis
oder die Lukretia Sodomas, sind nach und nach auch über Hannover hinaus bekannt
geworden, ein großer Teil aber hat seither wenig Beachtung gefunden, so daß es
sich der Mühe lohnt, auch ihn einem weiteren Kreise vorzuführen.
Der vor elf Jahren erschienene Führer der Museums1) hat sich bisher mit Zu-
weisungen an die einzelnen Schulen begnügt, ohne zu versuchen, die Stücke
bestimmten Künstlern zu geben. Wenn das nun hier versucht wird, so ist sich
der Verfasser der Schwierigkeiten wohl bewußt, er weiß, daß da und dort auch
andere Namen erwägenswert wären. Durch seine Arbeit hofft er in erster Linie
andere Kenner zu veranlassen, ebenfalls ihre Meinung kund zu tun und so an der
Förderung der wissenschaftlichen Erkenntnis mitzuhelfen. Gern wird er sich von
Berufeneren belehren lassen, denn Leben heißt Lernen.
Von den Tafeln des Trecento stellen wir ein Werk der umbrischen Schule voran,
um nachher die Möglichkeit zu haben, die Stücke der sienesischen Schule in zeit-
licher Aufeinanderfolge behandeln zu können.
In einem Blumengarten, von zwei Bäumen umrahmt, thront die Himmelsmutter in
dunkelgrau-blauem Mantel und zinnoberrotem Kleid vor goldenem Himmel (Abb. i,
Führer No. 5). Das leicht geneigte Haupt ist dem Kinde zugewandt, das auf ihren
Knien sitzt und die Ärmchen verlangend nach der Blume ausstreckt, die die Mutter
mit zierlicher Armbewegung hält. Das freundliche Bildchen trägt im Führer den
Namen Gentiles da Fabriano. Aber wenn wir uns Werke seiner Hand betrachten,
so sehen wir, daß seine Faltengebung plastischer und bestimmter, die Durch-
bildung seines Inkarnats fester, seine technische Ausführung feiner und sorg-
fältiger ist. Man braucht nur einen Blick auf sein Gemälde im Kaiser Friedrich-
Museum No. 1130 zu werfen, um das bestätigt zu finden. Es will uns scheinen,
als ob unser Bild einer etwas früheren Zeit2) als das Berliner Bild angehöre,
also einem Vorläufer Gentiles. Und da liegt nichts näher, als an seinen
Lehrer Alegretto Nuzi zu denken. Ziehen wir einmal dessen Bild in Berlin
zum Vergleich heran (No. 1076), so fühlen wir dieselbe Hand sofort heraus.
Nicht nur der Typus der Madonna, ganz besonders die Darstellung des über
die Knie gezogenen, groß gemusterten Mantels mit der Horizontalfalte, die das
Futter sehen läßt, überzeugt uns von der stilistischen Übereinstimmung der beiden
Bilder.
Eine kleine Tafel mit der Darstellung der Grablegung (Abb. 2, Führer No. 2)
mag die Reihe der sienesischen Werke eröffnen. — „Bunte Farben von email-
(1) Führer durch das Kestner-Museum, 21. Aufl., 2. Abt.: Mittelalter—Neuzeit. Hannover 1904.
(2) Georg Gronau hat diese Ansicht einmal mündlich geäußert. — Das Bild erschien in Bruckmanns
Pigmentdrucken.

Monatshefte für Kunstwissenschaft, IX. Jahrg. 1916, Heft 4

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