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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Frey, Dagobert: Renaissance-Einflüsse bei Giorgio da Sebenico
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0051

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RENAISSANCE-EINFLÜSSE BEI GIORGIO
DA SEBENICO Von DAGOBERT FREY
Mit vier Abbildungen auf zwei Tafeln
Im sechsten Heft des eben abgeschlossenen Jahrgangs dieser Zeitschrift hat Hans
Folnesics die künstlerische Persönlichkeit „eines unbekannten Donatello-Schülers“,
des Meisters Niccolo Fiorentino zu umschreiben versucht. Die Zusammenstellung
der Werke eines rein provinziellen Künstlers, der nach gesicherten Arbeiten nur
in Dalmatien tätig war, hätte wohl kaum die Gemüter besonders erregt, wenn
damit nicht ein Eingriff in das Werk des Großmeisters unternommen worden wäre.
Das Marmorrelief der Stäupung Christi im Kaiser Friedrich-Museum1 2 3), bisher un-
angefochten Donatello zugeschrieben, sollte für Meister Niccolo reklamiert werden.
W. Bode entgegnete sofort auf das entschiedenste in den amtlichen Berichten
(XXXVI, Nr. io); eine eingehende Erörterung unterblieb aber mit dem Hinweis auf
eine angekündigte umfassendere Arbeit desselben Autors, von der weitere Argumente
zu erwarten wären. Diese Arbeit ist nun erschienen, ohne jedoch neues für diese
Frage vorzubringen-). Die Beweisführung stützt sich nach wie vor auf die Ab-
leitung der Darstellung von einem Relief gleichen Inhalts an der Predella des
Anastasius-Altars in Spalato, einer dokumentarisch gesicherten Arbeit des Meisters
Giorgio da Sebenico aus den Jahren 1448—50. Da Folnesics darauf Wert legt,
den Meister Niccolo als einen Nachahmer des dritten Stiles Donatellos zu charakteri-
sieren, ergibt sich für ihn überdies die Schwierigkeit, das Berliner Relief, das
offenkundig dem zweiten Stile angehört, dem Werke Niccolös einzureihen. Nach
der bewährten Methode einer konstruierten Entwicklung wird es als Frühwerk
bezeichnet (S. 172).
Wenn ich hier zu dieser Frage das Wort ergreife, so geschieht es, weil ich
meines Wissens zuerst auf den Zusammenhang der beiden Reliefdarstellungen hin-
gewiesen habe"). Die Abhängigkeit der Arbeit Giorgios von dem Berliner Relief
schien mir allerdings so augenfällig, daß ich einen Beweis für überflüssig hielt.
Da nun aber doch das Gegenteil behauptet wird, wodurch notwendig die Autor-
schaft Donatellos fallen müßte, sehe ich mich zu diesem Nachtrag verpflichtet.
Auf Taf. 47 des letzten Jahrgangs dieser Zeitschrift sind die Abbildungen der beiden
Stücke einander gegenübergestellt: eine vollendete Florentinische Renaissancearbeit
im zweiten Stile Donatellos und eine venezianisch-gotische Arbeit in der Art der
Buon. Der wesentliche Unterschied der beiden Kompositionen liegt im Format des
Rahmens und im Verhältnis der Figuren zum Bildausschnitt: beim Berliner Relief
ein liegendes Oblong, in das die Hauptgruppe von ausgesprochener Breitenentwick-
lung frei und locker hineingestellt ist, bei Giorgio ein Hochformat, in das die
Figuren eng verschlungen eingezwängt sind. Wir erkennen daran sofort die grund-
verschiedene künstlerische Absicht: dort eine streng perspektivische Raumdarstellung
in malerischem Flachrelief, für welche die Figuren in ihrer Schrägstellung als
Raumschieber dienen, hier Hochrelieffiguren, die den Rahmen gedrängt füllen und
wie gotische Vollplastik in einem engen Schrein stehen. Daraus mußten sich Ver-
(1) F. Schottmüller, Beschreibung der Bildwerke der christl. Epoche (Bd. V) Nr. 27.
(2) Studien zur Entwicklungsgeschichte des XV. Jahrhunderts in Dalmatien, im Jahrb. des kunsthist.
Instituts d. Zentral-Komm. Bd. VIII, 1914, S. 27.
(3) Der Dom von Sebenico und sein Baumeister Giorgio Orsini, im Jahrb. des kunsthist. Instituts d.
Zentral-Komm. Bd. VII, 1913.

Monatshefte für Kunstwissenschaft, IX. Jahrg. 1916, Heft

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