Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

DOI Artikel:
Simon, Karl: Ein Bildnis Tiepolos im Frankfurter Historischen Museum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0037

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Von KARL SIMON

EIN BILDNIS TIEPOLOS IM FRANKFURTER
HISTORISCHEN MUSEUM
Mit einer Abbildung auf einer Tafel
Vror einiger Zeit gelangte in den Besitz des Historischen Museums zu Frankfurt a. Μ.
das Porträt eines Mannes, das als Bildnis Tiepolos bezeichnet wurde. Es ist
auf Leinwand gemalt, die auf schwarzen Stoff aufgeklebt ist. Leider ist die Er-
haltung nicht sehr gut, die Farbe besonders an den Rändern mehrfach abgesprungen.
Der Grund des 0,445 m hohen, 0,35 m breiten Bildes ist, wo die ursprüngliche
Farbe zum Vorschein kommt, grau.
Es ist das etwas nach rechts gewendete Brustbild eines Mannes in mittleren
Jahren. In dem glattrasierten Gesicht von gesunder rötlicher Farbe fällt auf die
stark gebogene, kräftig vorspringende Nase mit schmalem Rücken, deren Spitze
sich noch etwas nach unten herabbiegt. Die feingeschwungenen Lippen liegen fest
geschlossen aufeinander, während ein leichter Ansatz zum Doppelkinn dem Gesicht
etwas Weiches gibt. Die braun-grauen, mandelförmigen Augen sind verhältnis-
mäßig klein; über den gleichfalls braun-grauen Augenbrauen wölbt sich die hohe,
freie Stirn. Eine weiße Perücke liegt auf den Schultern auf, während sie nach
hinten zu tiefer hinabreicht. Unter dem violett-bräunlichen Rock mit ebensolchen
Knöpfen kommt das gefältelte und gemusterte weiße Halstuch zum Vorschein.
Ein herrschender und bei allem Ausdruck des Wohlwollens geistiger Zug liegt
über der ganzen Erscheinung, und bei dem entschieden ausgeprägten Charakter
der Persönlichkeit, der sich noch innerhalb der typischen Züge der Epoche aus-
spricht, kann es nicht schwer fallen, zu entscheiden, ob wir hier tatsächlich ein
Bildnis des venezianischen Malers vor uns haben.
Über die äußere Erscheinung Tiepolos sind wir durch mehrfache Porträts unter-
richtet1). Ein Stich von Pietro Monaco (bei Sack, Abb. 8) zeigt ihn in jüngeren
Jahren, das Haupt von einer großen Perücke bedeckt; „die Züge jedoch schon
scharf und markiert“. Sack vermutet, daß dem Stich vielleicht ein Gemälde des
Vettore Ghislandi zugrunde liegt, das 1733 in Bergamo gemalt wurde, als sich
Tiepolo zur Ausmalung der Colleoni-Kapelle dort aufhielt.
Ein mit „Alex. Longhi pinx. & scul.“ bezeichneter Stich in Longhis Compendio
delle vite dei pittori Veneziani (1762) zeigt ihn im Brustbild mit ovaler Umrahmung
fast von vorn, nur ein wenig nach rechts gewendet (Sack Abb. 9). Große Augen
und eine stark gebogene Nase sind für den Eindruck bestimmend, den dieses
Bildnis des offenbar schon in reiferem Lebensalter stehenden Künstlers macht.
Weiter existiert ein Stich von Giovanni Cattini nach einem Gemälde des
Barth. Nazari (Abb. bei Molmenti, Frontispiz), der den Maler ebenfalls in reiferen
Jahren mit Puderperücke und pelzverbrämten Seidenrock von vorn gesehen, aber
mit leichter Neigung des Kopfes zeigt. Nach Sacks Meinung wäre es wohl in der
Zeit gemalt, wo er Präsident der Akademie war (1756—58).
Endlich gibt es noch eine handschriftlich als Porträt Tiepolos bezeichnete
Silhouette (ganze Figur) aus der Sammlung Ribera in Madrid (bei Sack Abb. 12).
Mir erscheint eine Identifikation mit Tiepolo ausgeschlossen wegen der völlig ab-
weichenden Form der Nase: sie ist ganz gerade, wie mit dem Lineal gezogen,
(*) Vgl. dazu G. B. Molmenti: Tiepolo, Milano 1909, S. 37f. Eduard Sack: Giambattista und Domenico
Tiepolo. Ihr Leben und ihre Werke, Hamburg 1910, S. 27.

25
 
Annotationen