Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

DOI article:
Haendcke, Berthold: Berninis Famiglia Cornaro und der niederländische Einfluss
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0149

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BERNINIS FAMIGLIA CORNARO UND DER
NIEDERLÄNDISCHE EINFLUSS

Von BERTHOLD HAENDCKE

Mit fünf Abbildungen auf drei Tafeln

In Santa Maria della Vittoria zu Rom befinden sich bekanntlich links und rechts
von der in Verzückung niedergesunkenen Santa Teresa Relief bilder, in denen je
vier Mitglieder der Familie Cornaro dargestellt sind, wie sie, hinter einer Brüstung
in einem mehrschiffigen, säulengetragenen und von einem kassettierten Tonnen-
gewölbe überdeckten Raum, sich lebhaft über das Ereignis unterhalten oder es mit
angespannter Aufmerksamkeit verfolgen. Diese Berninischen Werkstattreliefs sind
bekanntlich das bezeichnendste, aber keineswegs einzige Beispiel dieser Schule für
die in sich folgerichtig gedachte Durchbildung des malerischen Reliefs bei einer
ausgesprochen realistisch-malerisch-plastischen Formenauffassung. Ist diese Be-
handlung des Raumes im Relief bilde und diese Formengebung einzig aus der Ent-
wicklung der italienischen Kunst zu erklären oder haben andere und welche Ein-
flüsse hier Platz gegriffen? Ich nehme das Ergebnis meiner Untersuchung vorweg
und sage: ein maßgebender Faktor bei dieser Entwicklung war der deutsche bzw.
der deutsch-niederländische Einfluß. Ich verfolge hier also meine seit 1913 in den
„Monatsheften für Kunstwissenschaft“, der „Zeitschrift für christliche Kunst“ und
im „Repertorium für Kunstwissenschaft“ mehrfach erörterte Auffassung von der
für die allgemeine Durch- und Ausbildung der italienischen Kunst bislang ungenügend
berücksichtigten Einwirkung der nordischen Kunstwerke und künstlerischen Ge-
sichtspunkte.
Ohne auf die sitzenden und durch ein vor die Knie gehaltenes breites Schrift-
band gleichwie durch eine Brüstung von dem Beschauer getrennten Figuren in den
Archivolten der gotischen Portale zurückzugreifen, will ich für die in Frage stehende
Komposition nur auf die Propheten auf der Vorderseite des Genter Altars von
ca. 1432 hingedeutet haben. Hier hat van Eyck in einem perspektivisch vertieften
Raum Figuren gemalt, die, überdies durch Beiwerk (Bücher) zurückgedrängt, als
malerisch-drei-dimensional gesehen werden sollen. Derartige Gemälde, auf denen
lebhaft bewegte Gestalten in einem perspektivisch gesehenen Raum „naturwirklich“
dargestellt waren, kannten die Italiener in dieser Vollendung nicht. Die nieder-
ländischen bzw. deutschen Arbeiten wurden durch verschiedenartige Vermittelung
für ähnliche Arbeiten maßgebend. Ich erinnere z. B. an Justus van Gents Malereien
in Urbino, an deren Grundgedanken, meiner Ansicht nach, Melozzo keinen Anteil
hat. Meines Erachtens ist es auch unerheblich, daß hier Kniestücke und nicht
Brustbilder geboten sind, wie sie die niederländische bzw. deutsche Malerei damals
bevorzugte. Im übrigen sind auch Kniestücke dieser Art in Deutschland nicht un-
bekannt, wie u. a. der obere Teil des gestochenen Madonnenbildes vom Meister E. S.
aus dem Jahre 1466 klar ersehen läßt. Deutsch-niederländische Stiche waren aber,
wie bekannt, in noch größerer Masse als Gemälde in Italien verbreitet. Ob
Hintergrundsbilder, wie wir sie auf Donatellos Tafeln in Padua antreffen oder auf
den Caradoso(?) (Ghini?) zuzuweisenden kleinen Bronzetüren in San Pietro in Vin-
coli zu Rom erblicken, mit der durch die niederländische Hintergrundsperspektive
ausgebildeten Raumauffassung Zusammenhängen, wage ich nicht zu erörtern, da mir
Belege fehlen. Es muß mir genügen, a. a. O. dargelegt zu haben, daß die nieder-
ländische Raumdarstellung im Italien des 15. Jahrhunderts außerordentlich verbreitet
gewesen ist.

137
 
Annotationen