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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Biehl, Walther Richard: Die "Madonna Sacchetti": ein unbekanntes Bild aus Fra Bartolommeos Werkstatt in S. Marco
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0249

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DIE „MADONNA SACCHETTI“ ♦ ein un-
BEKANNTES BILD AUS FRA BARTOLOMMEOS WERKSTATT
IN S. MARCO Von WALTHER BIEHL
Mit einer Abbildung auf einer Tafel

Vror ungefähr zwei Jahren tauchte im Florentiner Kunsthandel ein Madonnenbild
von großen Dimensionen auf, in dem einige Florentiner Kunstexperten alsbald
ein Jugendwerk des Fra Bartolommeo erkennen wollten (vgl. Abbildung).
Die Eigentümer zogen daraufhin das Bild plötzlich aus dem Handel zurück —
wohl mit der Absicht, es in der Stille zu riesigem Preise an einen Amerikaner zu
verkaufen, der sein Interesse dafür zum Ausdruck gebracht hatte. Die Maßlosigkeit
der Forderung ließ das Geschäft aber anscheinend nicht zustande kommen und so
gelang es mir voriges Jahr, das angeblich verschollene Bild im Hause einer Mit-
eigentümerin, der Signora Bindi in Prato, via Banchelli 96, wieder aufzustöbern und
genauer zu untersuchen.
Bei der Seltenheit von wirklich eigenhändigen Werken des Frate lohnt es sich
wohl, auf eine stilkritische Erörterung einzugehen, zumal da die Attribution auf den
ersten Blick mancherlei Bestechendes an sich hat.
Das in Öl auf Holz gemalte Bild, das die thronende, von zwei Engeln gekrönte
Madonna mit dem Kinde zwischen Magdalena und Johannes dem Täufer darstellt,
ist 1,71 m breit und 2,08 m hoch. Der prachtvolle, sicherlich gleichzeitige Rahmen
ist etwas zu reichlich ausgemessen, daher sind an die Bildtafel oben und unten
je 8 cm, seitlich je 6 cm angestückt.
Vor einer grünlich-grauen Nische sitzt auf hellgrauem Steinthron die Madonna in
rotem Gewände und blauem Mantel. Magdalena trägt ein grünes Kleid unter rotem
Mantel mit lose übergeworfenem blaßviolettem Schal. Ein blaugrauer Schleier
windet sich turbanartig um ihren Hinterkopf. Über den lilabraunen Fellrock des
Täufers fällt ein zinnoberroter Überwurf. In bräunlich-grauen Hemdchen stecken
die krönenden Engelputten.
Das Inkarnat ist im allgemeinen bleich, fast ein wenig kreidig. Nur der Täufer
hat eine kräftig-braune Farbe.
Der Gesamtton des Bildes ist ein kühles, gedämpftes Grüngrau ohne eigentliche
Tiefe und Leuchtkraft.
Der Erhaltungszustand ist bis auf einige geringfügige Färb ab Schürfungen gut.
Restauriert oder übermalt ist das Bild nie worden. Eine Künstlerinschrift oder ein
Werkstattzeichen läßt sich nicht feststellen1).
Über die etwas dunkle und zweideutige Vorgeschichte des Bildes konnte ich
Folgendes in Erfahrung bringen:
Bis vor wenigen Jahren befand es sich über dem Hochaltar in der Kapelle der
Villa Iso la — zwischen Rignano und Incisa in Val d’Arno superiore2). Die Villa
gehörte damals einem Colonello Sacchetti. Eines Tages ließ dieser das Bild
durch einen Florentiner Photographen aufnehmen und vom Platze entfernen, um
eine bereits fertige Kopie dafür aufzustellen. Der Tausch wurde nächtlicherweise
mit größter Heimlichkeit und Schnelle vollführt, damit die Bauern das Verschwinden

(1) Auf dem Sockel des Rahmens findet sich in der Mitte das Monogramm Jesu im Flammenring,
und zu beiden Seiten ein Wappen (mit steigendem Wolfe?), das vielleicht dasjenige der Altoviti ist.
Ob das Bild ursprünglich für die Altoviti gemalt wurde?
.(2) Repetti (Diz. geogr. della Toscana) erwähnt das Bild nicht.
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Monatshefte für Kunstwissenschaft, IX. Jahrg., 1916, Heft 7

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