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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Haupt, Albrecht: Die spanisch-westgotische Halle zu Naranco und die nordischen Königshallen
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0254

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DIE SPANISCH-WESTGOTISCHE HALLE ZU
NARANCO UND DIE NORDISCHEN KÖNIGS-

HALLEN

Mit ii Abbildungen im Text und 6 Abbildungen auf 3 Tafeln

. Von ALBRECHT HAUPT

Die außerordentliche Bedeutung der sogenannten Kirche Sta. Maria de Naranco
bei Oviedo für die Erkenntnis der Entwicklung unserer nordischen Baukunst
des frühen Mittelalters ist immer noch so gut als ungekannt, jedenfalls noch nicht
gewürdigt. Und doch handelt es sich hier um das eigentliche klassische, ganz un-
veränderte und wohlerhaltene Beispiel einer Königshalle, wie solche von uraltersher
überall in germanischen Gauen üblich waren, natürlich anfänglich aus Holz erbaut.
In den Heldengesängen unserer Vorzeit bilden sie den Schauplatz der wichtigsten
Ereignisse, so im Beowulflied die Halle Heorot, im Nibelungenlied Kriemhildens
Saal. Die Empfangshalle König Attilas wird uns als ein durchaus gleichartiger Bau
geschildert. Auch die norwegischen Königshallen waren ganz gleicher Grundgestalt
wie desselben Aufbaues. Schon in der nordischen Göttersage ist Walhall nichts
anderes als Odins Festsaal.
In deutschen Landen steht im Kaiserhause zu Goslar die gewaltigste dieser Hallen
noch heute in stolzem Glanze aufrecht, freilich nicht ganz in ursprünglicher Verfassung
und durch etwas fragwürdige Herstellung offenbar teilweise entstellt, doch auch so noch
von wahrhaft königlicher Wirkung. Und gerade sie offenbart sich bei näherer Be-
trachtung als der nächste ganz unverkennbare Nachfahre des spanischen Vorläufers.
Merkwürdigerweise nun erklärt man aber in Spanien selber seit langem den Bau
von Naranco als einen Kirchenbau, den Ramiro I. im Jahre 848 zu Ehren der Jung-
frau Maria errichtet habe, ja es macht geradezu den Eindruck, als ob man dort
ein Interesse darin finde, eine andere Auffassung des Bauwerks planmäßig zu
hindern. Und doch ist die sogenannte Kirche Sta. Maria in Grundriß und Aufbau
jedem kirchlichen Zwecke entgegen, und heute noch widerstreitet an ihr alles der
ihr aufgezwungenen Benutzung als Gotteshaus. Und ferner hat derselbe Ramiro
hundert Schritte davon eine richtige Kirche, und zwar zu Ehren seines Schutz-
patrons, des Erzengels Michael, erbaut, die in der Grundlage genau dem damals
üblichen Kirchenschema entspricht, so originell sie auch im Aufbau erscheint.
Der erste Spanier freilich schon, der über Sta. Maria berichtete, Don Amador
de los Rios,1) mußte auf Grund seiner genauen Kenntnis des Gebäudes, die auf
seiner recht guten Aufnahme für die monumentos arquitectonicos de Espana be-
ruhte, zu dem Ergebnis kommen, daß es sich hier um einen Palastbau handle, von
dem er allerdings glaubte, daß er zeitlich zu jener Michaelskirche Ramiros gehöre.
Die Altarinschrift in Sta. Maria, die damals erst bruchstückweise gefunden war,
hatte ihn darin getäuscht. Und so hielt auch er Ramiros Altar für ursprünglich,
und die Bogenhalle, darin dieser steht, für die alte Palastkapelle. Im übrigen aber
konnte schon er sich über die ganz unkirchliche Bestimmung des Gebäudes in
keinem Zweifel befinden.
Dagegen haben die übrigen spanischen Beurteiler seitdem, zuerst 1885 J. Μ. Qua-
drado2 3), dann 1904 Innocencio Redondo8), und dann alle, zuletzt leider auch

(1) Monumentos arquitectonicos de Espana, Heft II, S. lyff. Madrid 1877.
(2) J. Μ. Quadrado, Espana; Asturias y Leon, S. 109ff. Barcelona 1885.
(3) Innocencio Redondo, Iglesias primitivas de Asturia, S. 57 fr. Oviedo 1902.

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