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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Hamann, Richard: Die Methode der Kunstgeschichte und die allgemeine Kunstwissenschaft, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0076

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DIE METHODE DER KUNSTGESCHICHTE UND
DIE ALLGEMEINE KUNSTWISSENSCHAFT
., Von R. HAMANN
I. WESEN DER GESCHICHTE UND DER KUNST
Untersuchungen über die Methode einer Wissenschaft pflegen oft genug das An-
zeichen einer Krisis in dieser Wissenschaft zu sein, indem neue Probleme den
Rahmen bis dahin geübter Praxis wissenschaftlicher Forschung zu sprengen drohen,
neue Forschungen und Ansprüche, gewiß oft einseitig, erhoben werden, und wieder-
um die Vertreter der alten Praxis in der Revolution die kommende Anarchie fürch-
ten und nun ihre Methode aus den gesicherten Resultaten zu rechtfertigen suchen.
Das Buch von Hans Tietze, Die Methode der Kunstgeschichte1) ist von
letzterer Art, konservativ, warnend und, ohne es immer deutlich auszusprechen,
ein Protest gegen Bestrebungen, die sich unter dem Namen einer allgemeinen
Kunstwissenschaft zusammenzufinden versprechen. Es ist nicht zu verstehen, ohne
den Stolz auf ein Institut, das mit den Mitteln der reinen Geschichtswissenschaft
die Kunstgeschichte an den Betrieb historischer Forschung und Kritik gekettet hat,
und in der Exaktheit dokumentarischer Feststellung eindeutiger Fakten allein wissen-
schaftlichen Wert erblickt. Dabei geht es Tietze wie der Kraft, die das Böse will
und das Gute schafft. Als wichtigste Begriffe seiner Methode hat er von dem
nach der systematischen Seite hin bedeutendsten Vertreter dieser Schule, Alois Riegl,
den des Kunstwollens einer Zeit und der geistigen Entwicklung mitbekommen, die
sich niemals mit den Methoden historisch-dokumentarischer Tatsachenerforschung
rein erledigen lassen und Tietzes Opposition gegen alle Gesetzesforschung und Auf-
stellung von Analogien den einen Einwand entgegenstellen: selber gar nicht denk-
bar zu sein, ohne eine Gesetzlichkeit zu bedeuten. Daß Tietze diesen Widerspruch
nicht bemerkt hat, liegt offenbar an einer gewissen Unfähigkeit, des begrifflich
Allgemeinen Herr zu werden, einem Mangel, den er selbst mit den Worten zugibt:
„Sein Verfasser hat weder die Absicht noch auch die Berechtigung oder Be-
fähigung, eine methodologische Untersuchung auf erkenntnistheoretischer Grundlage
zu führen.“ Liegt so die Gefahr vor, der der Verfasser auch keineswegs entgangen
ist, daß er mit seinem Kampf gegen eine Wissenschaft des Allgemeinen in der
Kunst aus seiner und einer ganzen Schule Not eine Tugend zu machen bestrebt
sein wird, und mußte es zunächst als ein Leichtsinn erscheinen, die letzten und
allgemeinsten, nur erkenntnistheoretisch zu erledigenden Fragen einer Wissenschaft
in einem umfangreichen Werk trotz eingestandenem Mangel an Befähigung für eine
solche theoretische Aufgabe zu behandeln, so entschädigt der Verfasser durch die
Weite der Umschau, die Vielseitigkeit sachlicher Kenntnisse und durch die Fülle
der aus der Praxis kunsthistorischer Forschung sich ergebenden Probleme, so daß
das Werk seinen Zweck vortrefflich erfüllt: „Die Prinzipienfragen der Kunst-
geschichte von irgendeiner Seite zur Diskussion zu stellen.“ Nach dieser Seite hin
ist es so bedeutend, daß es nicht in einer empfehlenden oder abtuenden Besprechung
erledigt werden kann, sondern daß die Fragen, die es von allen Seiten aufwirft,
nur in einer den Widerspruch begründenden Diskussion der Prinzipien behandelt
werden können.
Wenn es eine besondere Methode der Kunstgeschichte geben soll, die sich von
der Methode der Geschichtsforschung überhaupt unterscheidet, so wird diese in
(x) Hans Tietze, Die Methode der Kunstgeschichte. E. A. Seemann, Leipzig 1913.
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