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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Biehl, Walther Richard: Die "Madonna Sacchetti": ein unbekanntes Bild aus Fra Bartolommeos Werkstatt in S. Marco
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0251

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Das früheste Werk dieser Art ist wohl die noch in voller venezianischer Farben-
pracht glühende Madonna mit sechs Heiligen in der Kirche von S. Marco, die
Knapp mit Recht in das Jahr 1509 versetzt. Ein ins einzelne gehender Vergleich
mit der Madonna Sacchetti läßt die nahe Verwandtschaft im asketischen Typus der
beiden Täuferfiguren sofort ins Auge springen. Ferner stimmen die beiden Stein-
throne in ihren einfachen klassischen Formen und Profilierungen eng überein. Aut
beiden Bildern bilden schmucklose rechteckige Wandpfeiler den seitlichen Abschluß.
Zweifellos aber verrät die gestaltenreiche Komposition der Madonna von S. Marco
schon ein entwickeltes Stadium. Die schlichte Zusammenordnung von nur drei
Figuren zu einem stumpfwinkligen Dreieck stellt die Madonna Sacchetti noch in
die Nähe des vorhergehenden Werkes des Frate, der Madonna im Dom zu
Lucca, für die bereits im Juni 1509 die ersten Zahlungen geleistet werden und die
so ganz durchtränkt ist von venezianischer Empfindung, daß sie sicherlich die erste
große Arbeit des Künstlers nach der Rückkehr aus Venedig darstellt. Obgleich
die Nische auf der Madonna von S. Martino fehlt, ist die Übereinstimmung mit der
Madonna Sacchetti in der ganzen Bildstruktur überraschend groß. Zunächst fällt
auf, daß in beiden Fällen die Madonna von Engeln gekrönt wird. Dieses quattro-
centistische Motiv kommt sonst auf keinem Madonnenbilde des Meisters mehr vor.
Sodann sind die Stellungen der Heiligen ungemein ähnlich. Die Kopfhaltung der
beiden Täuferfiguren ist nahezu identisch. Beide bohren ihre Blicke in derselben
Weise in den Beschauer. Die Geste der rechten, weisenden Hand ist auf dem
Sacchetti-Bilde fast genau kopiert. Sehr verwandt ist auch die Bildung der linken,
kreuzhaltenden Arme und der nur wenig verschieden bewegten linken Beine.
Magdalenas Pose wiederholt in den Grundzügen diejenige des Stephanus. — Auch
in Lucca bilden zwei schmucklose Pilaster den seitlichen Bildabschluß.
Die rechteckig abgeschlossene Nische — allerdings von einer Tür durch-
brochen — hat Fra Bartolommeo nur auf einer, seiner großen Kompositionen
verwendet: — auf der Madonna in der Kathedrale zu Besan^on von 1511. Knapp
macht darüber folgende Bemerkung: „Die Nische ist noch eckig und erinnert an
die des Albertinelli auf dessen Verkündigung in der Akademie von 15101).“
Die Madonna von Besannen ist in ihrer Stellung mit dem hochgestoßenen rechten
Knie der Madonna Sacchetti sehr verwandt, nur daß sich der Kopf nach verschie-
denen Seiten neigt. Besonders ähnlich ist die Haltung des linken Armes, wenn
auch in Besan^on seine Bewegung dadurch motiviert wird, daß die linke Hand ein
Füßchen des Kindes faßt.
Vor allem aber ist es der Typus von Mutter und Kind, der verwandte Züge
aufweist. Auf beiden Bildern finden sich die merkwürdigen, nicht sehr anmutigen
Köpfe von rundlicher Grundform mit etwas vorstehenden Augen, spitziger Nase
und spitzigem Kinn.
Von weiteren Werken des Frate kann noch die Verlobung der heil. Katharina
von 1511 im Louvre zum Vergleich herangezogen werden. Auch dort sitzt die
Madonna in ähnlicher Weise mit höhergestelltem rechtem Fuß. Außerdem finden
wir in dem weisend ausgestreckten rechten Arm des Petrus auf dem Louvrebilde
eine Bewegung wieder, die gerade der Madonna Sacchetti eine besondere Lebendig-
keit verleiht.
Sie kehrt übrigens ähnlich auch bei der Madonna auf der Verlobung der heil.
Katharina von 1512 im Pitti wieder. Die Beinstellung des heil. Bartholomäus auf

(1) A. a. o., s. 120.

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