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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Stübel, Moritz: Briefe von und über Adrian Zingg
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0299

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Quartier im ersten Stock zu geben. Hierauf wollte Zingg nicht eingehen und
wandte sich deshalb in dem unten abgedruckten Briefe an den einflußreichen Ge-
heimen Rat von Ferber im Geheimen Kabinet, der dort die Angelegenheiten der
Kunstakademie bearbeitete. Der Brief hatte Erfolg. Zingg erhielt Hutins Quartier,
in seine Wohnung zogen Klengel und Stölzel, Casanova blieb im dritten Stock.
Nur bis 1787 konnte sich Zingg seines schönen Quartiers erfreuen; denn zu Jo-
hannis dieses Jahres mußte die Akademie dem Geheimen Finanzkollegium Platz
machen, alle Wohnungen mußten geräumt werden. Jetzt steht an der Stelle des
Fürstenbergschen Hauses das neue Wallotsche Landtagsgebäude. Zingg zog vor
das Pirnaische Tor in das Haus 227, jetzt Pirnaischer Platz 1, und später in die
Moritzstraße in das Meinholdsche Haus; dort war es, wo ihn Ludwig Richter öfters
besuchte.
Der neunte Brief führt in die Napoleonische Zeit. Sachsen war nach der
Schlacht bei Leipzig unter ein russisches Gouvernement gestellt worden, das ein
Jahr später von einem Preußischen abgelöst wurde. Der russische Gouverneur,
Fürst Repnin, beschränkte sich nicht auf die einer nur vorübergehenden Verwaltung
zufallenden Aufgaben, sondern fühlte sich „in seiner Verbesserungssucht zu un-
ruhigen und regellosen Neuerungen berufen“, die auf die Dauer berechnet waren.
So griff er auch in die Kunstakademie ein. Es wurde ihr eine „Constitution“ ge-
geben, neue Lehrer wurden angestellt, alte abgesetzt. Zu den abgedankten Pro-
fessoren gehörte auch Zingg, doch wurde ihm seine Besoldung, die im Laufe der
50 Jahre von 500 auf 600 Taler gestiegen war, belassen und nur das Quartiergeld
von 100 Talern entzogen. „Man hätte ihm,“ schrieb der vom Gouvernement ein-
gesetzte Generaldirektor, Freiherr von Friesen, am 18. Juli 1815 in einem Vortrag
an den zurückgekehrten König Friedrich August, diese Kränkung wohl ersparen
können, obschon er über 80 Jahre alt ist.“ Wie tief sie ihn getroffen hat, zeigt
der Brief. Der gerechte König sorgte für Abhilfe. Eine Verordnung vom 6. De-
zember 1815 lautet: „Dem Professor Zingg wollen Wir das ihm entzogene Quar-
tiergeld von 100 Thaler wieder bewilligen und ihn damit sowohl als mit seiner
vorigen Besoldung an 600 Thaler in Betracht seiner anerkannten Geschicklichkeit
und seiner vieljährigen nützlichen Dienstleistungen auf den Etat der Akademie
zurücktreten lassen.“
Wenige Monate darauf ist Zingg gestorben. Am 28. Mai 1816 berichtet der
Hofmarschall Graf Vitzthum v. Eckstädt, der im Dezember 1815 Friesens Nach-
folger geworden war: „Am 26. dieses Monates verstarb allhier in Leipzig an Ent-
kräftung der verdienstvolle ordentliche Professor der Kupferstecherkunst Adrian
Zingg, an welchem die Akademie ihr ältestes noch lebendes Mitglied und einen
vorzüglich in früheren Zeiten sehr ausgezeichneten und ungemein tätigen Künstler
verliert. Gewohnt seit längerer Zeit in jeder Leipziger Messe anher zu kommen,
um mit den hier erscheinenden Kunsthändlern die Geschäfte wegen seiner Kupfer-
stiche selbst zu betreiben, befiel ihn diesmal ein Fieber, dem sein bis in die acht-
ziger Jahre vorgerücktes Alter unterlag.“
Sämtliche Briefe mit Ausnahme der unter 1 und 7 sind im Original erhalten
und werden auf dem Königlich Sächsischen Hauptstaatarchiv in Dresden aufbe-
wahrt. Die Briefe 2 bis mit 6 finden sich in dem Aktenstück loc. 894 Briefe von
Mitgliedern der Akademie an Hagedorn. Es ist ein sehr interessantes Faszikel,
das über 60 Briefe von Künstlern und Kunstfreunden enthält, die an Hagedorn in
seiner amtlichen Eigenschaft gerichtet waren. Sie wurden aus seinem Nachlaß für
die Akademie ausgesondert. Der übrige riesige Briefwechsel Hagedorns ist, wie
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