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Münchner kunsttechnische Blätter
Nr. 3
Dürers: „ich wil von newen vnnd einer andern
meinung die menschlichen bild leren messen“
auf die Proportionslehre des Italieners in dessen
Schrift De statua. In der Hauptsache stimmen
auch die beiderseitigen Massangaben überein.
Nach diesem „neuen“ Massstab sind die fol-
genden Abschnitte der Proportionslehre Dürers
mit gleicher Genauigkeit an der Hand von vor-
gezeichneten männlichen und weiblichen Figuren
ausgearbeitet. Es folgen dann die Proportionen
des Kopfes und der Hand in gesonderten Teilen.*)
Während Pacioli das menschliche Profil auf
Grund eines gleichseitigen Dreiecks konstruiert,
dessen Winkel an der Stirn, am Kinn und an
dem Punkt des Schädels hinter dem Ohr sich
befinden, geht Dürer vom Quadrat aus, das er
in bestimmte senkrechte und wagerechte Quer-
linien teilt. In bemerkenswerter Uebereinstimmung
mit einer Zeichnung Leonardos, wovon Gerli in
Disegni di Leonardo 1784 und Bossi in seinem
Werke über das Cenacolo 1810 Abbildungen
gaben, worauf für den Profilkopf dieselben wage-
rechten Linien, in demselben Abstand voneinander
angegeben sind (s. Trost a. a. O. S. II).
Dürer hat auch nach dem Vorbilde von
Foppas Tafeln der Projektion Konstruktionen
geometrischer Aufrisse und Grundrisse der Figuren
seinem Werke beigefügt. In diesen von Dürer
benutzten Tafeln sind Grundrisse des mensch-
lichen Hauptes und aller Ausladungen des Körpers,
als Hals, Schulter, Brust, Hüften bis hinab zur
Fusssohle in regelmässige geometrische Figuren
eingezeichnet und hierauf die Aufrisse entwickelt
(s. ein Beispiel bei Ludwig, Kommentar zu
Leonardos Ausgabe S. 179 [Figur S. 180]).
Hinsichtlich der Masseinteilung Dürers und
seine Uebereinstimmung mit Leonardos Massen
der Statue verweise ich auf die angeführte Be-
merkung.
Bei diesem Anlass sei auch noch die Frage
erörtert, ob Dürer die Regel vom goldenen
Schnitt gekannt hat. Denn dass er Paciolis
Divina Proportione**) gekannt hat, ist sicher;
ebenso der persönliche Verkehr mit Meister Luca
Pacioli. Bei Durchsicht von dessen Schrift finden
wir wohl die „göttliche“ Proportion an den Grund-
formen angewendet, die er in Beziehung zum
Kreis und zur Kugel, als die einfachsten ursprüng-
lichen Formen der Natur setzt, aber in seinen
*) Eine genauere Aufstellung ist zu finden in der
Schrift von J. J, Trost, Die Proportionslehre Dürers,
nach ihren wesentlichen Bestimmungen, Wien 1859.
**) Die Schrift des Pater Magister LucaPaciolij
aus Borgo San Sepolchio vom Orden der Minoriten,
Divina Proportione (Die Lehre vom goldenen Schnitt)
ist gedruckt zu Venedig 1509. Vergl. Deutsche Aus-
gabe von Constantin Winterberg, Quellenschriften für
Kunstgeschichte und Kunsttechnik, neue Folge II Bd
Wien 1889. & > • •>
Angaben über die menschliche Proportion folgt
er, wie oben erwähnt, ausschliesslich den Angaben
Vitruvs. Auch hier findet er Bezugnahmen zur
Kreislinie, die sich „darin offenbare, dass der
Nabel der Mittelpunkt wäre und eine gezogene
Kreislinie, die Scheitel, die Spitzen der Mittel-
finger der Hände und die grosse Zehe der Füsse be-
rühre“.
Auch das Quadrat wird erhalten, „wenn die
Arme und Beine ausgestreckt, so dass von der
Spitze der grossen Zehe des einen Fusses zur
anderen Spitze des anderen Fusses ebensoviel
sei, wie von der Spitze der Mittelfinger der Hände
zur genannten Spitze der grossen Zehen der
Füsse“ (s. III. Kap. des Nachtrags). Also das von
Vitruv aufgestellte Schema. Vom eigentlichen
Prinzip des goldenen Schnittes oder der „stetigen
Proportion“ ist darin nichts zu bemerken.
Es existiert aber eine konstruierte Figur
Dürers vom Jahre 1513 in der Bremer Kunst-
sammlung (abgebildet bei Justi S. 21), die des-
halb von Interesse ist, weil ausser den von Dürer
selbst beigeschriebenen Massen, noch die Be-
merkung angefügt ist: „dy trey lang sind nach
der regell gemacht“. Unter dieser Regel ist wohl
die stetige Proportion oder der goldene Schnitt
zu verstehen; und in der Tat stimmen die Haupt-
masse mit den Massen des goldenen Schnittes
überein. Wie Dürer hier konstruiert hat, ist aus
der Zeichnung nicht ersichtlich. Es scheint, dass
er von der Körperhälfte ausgegangen ist; die
Schnittlinien bilden dann nach oben: 1. die
Achselhöhe, 2. die Linie unter der Brust, 3. die
Kopfgrösse; nach unten die Kniemitte, Waden
und die Knöchel,
Bei zwei Zeichnungen des Londoner Manu-
skriptes findet Justi (a. a. O. S. 23), dass hier
die stetige Proportion angewendet zu sein scheint:
„Durch Halbierung lassen sich die Knie beim
Manne gar nicht, bei der Frau nur dann kon-
struieren, wenn man eine grosse Ungenauigkeit
annimmt; die stetige Proportion trifft dagegen
beide Male ziemlich genau zu, auf dieselben Teile,
für die sie in der Proportionslehre von 1528 vor-
geschlagen ist: Rumpf höhe (,Halsgrüblein‘ bis
,End der Hüft‘) zur Länge des Oberschenkels
(von da bis zum unteren Rand der Knie) wie
dieser zum Unterschenkel (bis zum unteren Ende
des Schienbeins).“
Warum, so könnte man fragen, hat Dürer in
seiner Proportionslehre die Lehre vom goldenen
Schnitt ganz und gar bei Seite gelassen? Viel-
leicht fand er den Weg zu umständlich, denn um
die Einzelmasse zu suchen, musste erst eine ge-
naue mathematische Rechnung angestellt werden.
Und dann war seine Achtung vor den Schriften
der Alten zu gross, als dass er deren Schema
umgestossen hätte. Vitruv, Alberti und Pacioli
verdankte er die Anregung zu eigenen weiteren
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Münchner kunsttechnische Blätter
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auf die Proportionslehre des Italieners in dessen
Schrift De statua. In der Hauptsache stimmen
auch die beiderseitigen Massangaben überein.
Nach diesem „neuen“ Massstab sind die fol-
genden Abschnitte der Proportionslehre Dürers
mit gleicher Genauigkeit an der Hand von vor-
gezeichneten männlichen und weiblichen Figuren
ausgearbeitet. Es folgen dann die Proportionen
des Kopfes und der Hand in gesonderten Teilen.*)
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Grund eines gleichseitigen Dreiecks konstruiert,
dessen Winkel an der Stirn, am Kinn und an
dem Punkt des Schädels hinter dem Ohr sich
befinden, geht Dürer vom Quadrat aus, das er
in bestimmte senkrechte und wagerechte Quer-
linien teilt. In bemerkenswerter Uebereinstimmung
mit einer Zeichnung Leonardos, wovon Gerli in
Disegni di Leonardo 1784 und Bossi in seinem
Werke über das Cenacolo 1810 Abbildungen
gaben, worauf für den Profilkopf dieselben wage-
rechten Linien, in demselben Abstand voneinander
angegeben sind (s. Trost a. a. O. S. II).
Dürer hat auch nach dem Vorbilde von
Foppas Tafeln der Projektion Konstruktionen
geometrischer Aufrisse und Grundrisse der Figuren
seinem Werke beigefügt. In diesen von Dürer
benutzten Tafeln sind Grundrisse des mensch-
lichen Hauptes und aller Ausladungen des Körpers,
als Hals, Schulter, Brust, Hüften bis hinab zur
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Leonardos Ausgabe S. 179 [Figur S. 180]).
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Kreis und zur Kugel, als die einfachsten ursprüng-
lichen Formen der Natur setzt, aber in seinen
*) Eine genauere Aufstellung ist zu finden in der
Schrift von J. J, Trost, Die Proportionslehre Dürers,
nach ihren wesentlichen Bestimmungen, Wien 1859.
**) Die Schrift des Pater Magister LucaPaciolij
aus Borgo San Sepolchio vom Orden der Minoriten,
Divina Proportione (Die Lehre vom goldenen Schnitt)
ist gedruckt zu Venedig 1509. Vergl. Deutsche Aus-
gabe von Constantin Winterberg, Quellenschriften für
Kunstgeschichte und Kunsttechnik, neue Folge II Bd
Wien 1889. & > • •>
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