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Münchner kunsttechnische Blätter — 16.1919-1920

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Nr. 3
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Berger, Ernst: Goethes Farbenlehre in den "Gesprächen" mit I. P. Eckermann, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36587#0018

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Münchner kunsttechnische Blätter

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■Nr. 3.

Abstufungen von Blad zeigt, vom milchigen Hellblau bis
zum tiefen Violett. Ich hatte eine Ahnung, dass vom
Innern des Zimmers gegen das Licht angesehen die
Büste mir alle Abstufungen des Gelben gewähren würde,
und so konnte ich einen augenblicklichen lebhaften
Trieb nicht widerstehen, zu den mir ganz unbekannten
Personen geradezu hineinzutreten.
Mein erster Blick war nach der Büste, wo mir dann
die herrlichsten Farben der aktiven Seite, vom bläs-
sesten Gelb bis zum dunklen Rubinrot, zu grosser
Freude entgegenglänzten. Ich fragte lebhaft, ob man
nicht geneigt sein wolle, mir dieses Brustbild des
grossen Heiden zu überlassen. Der Wirt erwiderte
mir, dass er, aus gleicher Anhänglichkeit für den Kaiser,
sich vor kurzem die Büste aus Paris mitgebracht habe,
da jedoch meine Liebe die seinige noch um ein gutes
Teil zu übertreffen scheine, wie er aus meiner enthu-
siastischen Freude schliesse, so gebühre mir auch der Vor-
zug des Besitzes, und er wolle sie mir gerne überlassen.
In meinen Augen hatte dies gläserne Bild einen
unschätzbaren Wert, und ich konnte daher nicht um-
hin, den guten Eigentümer mit einiger Verwunderung an-
zusehen, als er es für wenige Franken in meine Hände gab.
Ich schickte es, nebst einer in Mailand gekauften,
gleichfalls merkwürdigen Medaille, als ein kleines Reise-
geschenk an Goethe, der es dann auch nach Verdienst
zu schätzen wusste. . . •
Darüber berichtet ein dritter Brief Goethes an
Eckermann:
Weimar, den 12. Oktober 1830 (?)
„Der lebhafte Eindruck, den Sie beim Anblick des
merkwürdigen Farbe vermittelnden Brustbildes erfuhren,
die Begierde, sich solches anzueignen, das artige Aben-
teuer, welches Sie deshalb bestanden, und der gute
Gedanke, mir solches als Reisegabe zu verehren; das
alles deutet darauf, wie durchdrungen Sie sind von
dem herrlichen Urphänomen, welches hier in allen seinen
Aeusserungen hervortritt. Dieser Begriff, dieses Ge-
fühl wird Sie mit seiner Fruchtbarkeit durch Ihr ganzes
Leben begleiten und sich noch auf manche produk-
tive Weise bei ihnen legitimieren. Der Irrtum gehört
den Bibliotheken an, das Wahre dem menschlichen
Geiste; Bücher mögen sich durch Bücher vermehren,
indessen der Verkehr mit lebendigen Urgesetzen dem
Geiste gefällt, der das Einfache zu erfassen weiss, das
Verwickelte sich entwirrt und das Dunkle sich aufklärt.
„Wenn Ihr Dämon Sie wieder nach Weimar führt,
sollen Sie jenes Bild in der heftigen klaren Sonne
stehen sehen, wo unter dem ruhigen Blau des durch-
scheinenden Angesichts die derbe Masse der Brust und
der Epauletten von dem mächstigsten Rubinrot in allen
Schattierungen auf- und abwärts, und wie das Granit-
bild Memnons in Tönen, so sich hier das trübe Glas-
bild in Farbenpracht manifestiert. Man sieht hier wirklich
den Helden auch für die Farbenlehre sieghaft. Haben
Sie den schönsten Dank für diese unerwartete Be-
kräftigung der mir so werten Lehre.“ . . .

Sonntag, den 20. Februar 1831.
Mit Goethe zu Tisch. Er eröffnet mir, dass er
meine Beobachtung über die blauen Schatten im Schnee,
dass sie nämlich aus dem Widerschein des blauen
Himmels entstehen, geprüft habe und für richtig an-
erkenne. „Es kann jedoch beides zugleich wirken“,
sagte er, „und die durch das gelbliche Licht erregte
Forderung kann die blaue Erscheinung verstärken“.
Ich gebe dieses vollkommen zu und freue mich, dass
Goethe mir endlich beistimmt.
»Es ärgert mich nur“, sagte ich, „dass ich meine
rarbenbeobachtungen am Monte Rosa und Montblanc
nicht an Ort und Stelle im Detail niedergeschrieben
habe. Das Hauptresultat jedoch war, dass in einer
Entfernung von achtzehn und zwanzig Stunden mittags

bei der hellsten Sonne der Schnee gelb, ja rötlichgelb
erschien, während die schneefreien dunkeln Teile des
Gebirgs im entschiedensten Blau herübersahen. Das
Phänomen überraschte mich nicht, indem ich mir hätte
Vorhersagen können, dass die gehörige Masse von
zwischenliegender Trübe dem die Mittagssonne reflek-
tierenden weissen Schnee einen tielgelben Ton geben
würde; aber das Phänomen freute mich besonders
aus dem Grunde, weil es die irrige Ansicht einiger
Naturforscher, dass die Luft eine blau färbende Eigen-
schaft besitze, so ganz entschieden widerlegt. Denn
wäre die Luft in sich bläulich, so hätte eine Masse von
zwanzig Stunden, wie sie zwischen mir und dem Monte
Rosa lag, den Schnee müssen hellblau oder weiss-
bläulich durchscheinen lassen, aber nicht gelb und
gelbrötlich“.
„Die Beobachtung“, sagte Goethe, „ist von Bedeu-
tung und widerlegt jenen Irrtum durchaus“.
„Im Grunde“, sagte ich, „ist die Lehre vom Trüben
sehr einfach, so dass man gar zu leicht zu dem Glauben
verführt wird, man könne sie einen andern in wenig
Tagen und Stunden überliefern. Das Schwierige aber
ist, um mit dem Gesetz operieren und ein Urphänomen
in tausendfältig bedingten und verhüllten Erscheinungen
immer wiederzukennen“.
„Ich möchte es den Whist vergleichen,“ sagte
Goethe, „dessen Gesetze und Regeln auch gar leicht zu
überliefern sind, das man aber sehr lange gespielt
haben muss, um darin ein Meister zu sein. . . .“

Zeichen- und Malschule

des Vereins der Künstlerinnen zu Berlin
W 35, Schöneberger Ufer 38
nebst amtlich anerkannten Vorbereitungskursen
zur Aufnahme in die Akademische Hochschule
für die bildenden Künste.

Unterrichlsfüeher: Freihand-. Tier* und Pflanzenzeichnen,
Aquarellieren, Kopf- und Figurzeichnen, Kopf- und Aktmalen,
figürl. und landschaftl. Komposition, Tages- und Abend-Akt,
Landschaft, Blumen und Stilleben, Innenraum, Graphik, Illustra-
tion, Kunstschrift, Ornament und Plakat, Modenzeichnen, Buch-
binderei-Werkstatt. Kanstgesch. Vorträge, Anatomie, Perspek-
tive usw.
Lehrkräfte: L. Bartning, }. v. Cossel, M. Fabian, 1. Haase-Werken-
thin, C. Huhn, H. Keune, H. Lehnert, W. Miehe, M. Möckel,
Prof. G. Mosson» Prof. Fr. Rhein, W. Schulz, I. Schütze-
Schur, K. Wendel.
llnterrichtsplan durch das Sekretariat. — Rückporto.
Hildegard Lehnert, Direktorin.


farbenlehre in flra v

Die künstlemd

Mittwoch, den 23. Februar 1831.
Vor Tisch bei einem Spaziergang auf der Erfurter
Chausse begegnet mir Goethe, wrelcher halten Hess
und mich in seinen Wagen nimmt. Wir fahren eine
gute Strecke hinaus bis auf die Höhe neben das Tan-
nenhölzchen und reden über naturhistorische Dinge.
Die Hügel und Berge waren mit Schnee bedeckt,
und ich erwähne die grosse ^rtheit des Gelben, und
dass in der Entfernung von einigen Meilen, mittels
zwischenliegender Trübe, ein Dunkles eher blau er-
scheine, als ein Weisses gelb. Goethe stimmt mir zu,
und wir sprechen sodann von der hohen Bedeutung
der Urphänomene, hinter welcher man unmittelbar die
Gottheit zu gewahren glaube.
„Ich frage nicht“, sagte Goethe, „ob dieses höchste
Wesen Verstand oder Vernunft habe, sondern ich fühle,
es ist der Verstand, es ist die Vernunft selber. Alle
Geschöpfe sind davon durchdrungen, und der Mensch
hat davon so viel, dass er Teile des Höchsten erkennen
mag.“ . . . (Schluss folgt.)

Nachträge

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