Nr. ir
Münchner kusttechnische Blätter
Cf
Ist (die Mauer) von Stein, so befeuchte sie
nur ein- bis zweimal und wirf eine dünnere
Lage Kalk an, denn der Stpin hält die
Feuchtigkeit gut und trocknet nicht (so
schnell). Im Winter mache den (ersten) An-
wurf Abends und den Wergkalk lege den
anderen Morgen an. In der guten Jahreszeit
mache, was dir das Nützlichste scheint, und
wenn du den Wergkalk angelegt hast, so ver-
gleiche ihn gut mit der Kelle, lass ihn ein
wenig trocknen und zeichne.
§ 59. Wie man skizzieren muss, wenn
man auf Mauern arbeitet.
„Wenn du auf eine Mauer skizzieren willst,
so mache zuerst die Oberfläche ganz gleich *).
Binde an einen eisernen Zirkel zu einer und
der anderen Seite Holzstäbe, um ihn zu ver-
längern. Binde einen Pinsel an das eine
Ende dieser Stäbe, womit du Farbe nimmst,
um Masse anzudeuten und die Nimben zu
ziehen. Nachdem du alle Masse angedeutet
hast, nimm Ocker und zeichne mit dem Pin-
sel zuerst leicht, dann mache die Skizze mit
reinem Ocker. Ist die Skizze nicht gut aus-
gefallen, so skizziere neu mit hellem Oxy
(Caput mortuum) und überfahre auch die
Nimben. Poliere deren Oberfläche und wende
das Schwarz (vermutlich ist der dunkle Grund
§ 61 zu verstehen) an; poliere die Gewan-
dung und lege den Grund (Grundfarbe) an.
Suche schneller als in einer Stunde fertig zu
machen, was du poliert hast, denn wenn du
lange wartest, so zieht es Haut und nimmt
die Farbe nicht an, und so nützt es dir
nichts. Poliere ebenso (die Stelle für) das
Gesicht; du bezeichnest dessen Umrisse mit
der Kelle, mit einem Sternchen oder mit
einem Bein, welches du mit dem Messer
zuspitzest, wenn du eines bei dir hast.
Ebenso die Gewänder. Lege auch den
Grund (die dunkle Grundfarbe) auf das
Gesicht, skizziere es und lege die Fleisch-
farbe auf. Wenn du aber zögerst und es
Haut zieht, so mache es, wie wir dir sagen.“
§ 60. Wie man Mauerweiss macht.
Zum Mauerweiss dient guter, altgelösch-
ter Kalk, der „auf der Zunge weder bitter
noch zusammenziehend schmeckt, sondern
wie Erde“. Wenn solcher nicht zu haben
*) Bei meinen Versuchen hat es sich ergeben,
dass die Wergkalklage schon nach geringem Auftrock-
nen, infolge des Aufquellens des Wergs bedingt, ziem-
lich rauh und ungleich wird; ein gleichmässiges Eb-
nen der Oberfläche ist also sehr angezeigt; dabei wird
durch gelinden Druck schon eine Volumenverringerung
erzielt, und die unterhalb befindliche Feuchtigkeit nach
°ben geleitet. Ohne diese Zerstörung des schon
nach wenigen Stunden sich bildenden Kalkhäutchens
wäre ein Freskomalen nicht ausführbar. Vgl. m. Ver-
suche Nr. 92 und 93.
ist, so nehme man alten Mörtel von alten
Malereien, kratze die Farben ab und zer-
reibe ihn. „Wirf ihn in ein Gefäss, fülle es
mit Wasser, lasse ihn sich setzen und filtriere
ihn ein- oder zweimal, bis mit dem Wasser
auch das Werg und das Stroh fortgeht.
Reibe ihn dann gut und es wird gutes Weiss.
Wenn du von jenem (Mörtel) keinen findest,
so mache es also: nimm von demselben
Kalk, womit du arbeitest, und lege ihn
zum Trocknen an die Sonne. Dann brenne
ihm ziemlich viel im Ofen oder im Feuer; dann
reibe ihn und arbeite damit. Versuche ihn
ebenfalls an der Zunge; wenn er bitter oder
scharf ist, wie der andere, womit du Anwurf
machst, so lass ihn, weil er Kruste bildet
und sich nicht behandeln lässt; wenn er
nicht bitter ist, sondern wie Erde, so kannst
du ungehindert arbeiten." (Vgl. Bianco-
Sangiovanni des Cennini, K. 58, welches in
ganz ähnlicher Weise bereitet wird.)
Diese Sorge des Malers, möglichst alten Kalk
zu verwenden, dessen ätzende Eigenschaften durch
die Umsetzung des Kalziumhydrats in kohlen-
saurem Kalk verringert sind, hat insoferne Be-
rechtigung, weil er zur Grundfarbe schon grünen
Lack, also einen Pflanzenfarbstoff nimmt, wie aus
§ 61 ersichtlich ist. Diese Grundfarbe, bestehend
aus grünem Lack, dunklem Ocker, Schwarz und
eben diesem Mauerweiss, hat auch unter Fleisch-
farbe gelegt zu werden. Es ist die nämliche
Farbe, mit Proplasmus bezeichnet, die in § 16
aus „Grün, was für die Mauern dient“ und den-
selben Farben bereitet wird, wie hier. Was für
grüner Lack (jtldxa jtQaoivrjv) damit gemeint
ist, ist aus der Anweisung nicht ersichtlich; He-
raclius K. XXXVII erwähnt einen grünen Farb-
lack aus Malven als eine gute Farbe für Wand-
malerei (s. S. 39); auch Theophilus verwendet
grünen Saft (succus sambuci), unser Saftgrün auf
der Mauer (K. XV).
Die übrigen Kapitel (§ 62—64), welche das
Fleischmalen auf der Mauer behandeln, schliessen
sich den parallelen Angaben des Panselinos (§15 bis
24) an, mit dem einzigen Unterschied, dass für
Mauer das Kalkweiss, für die anderen Malarten
Bleiweiss genommen wird.
Nach der Anweisung § 65, Wie man Lichter
auf der Mauer mit Azur gibt*), mit welcher § 68,
*) Diese Anweisung ist eine von denen, die manche
Unklarheiten bietet. Welcher Farbstoff unter Azur
zu verstehen ist, „der mit Indigo nebst Mauerweiss
gemengt werden sollte, weil er allein auf der Maufer
schimmelig wird“, ist zweifelhaft; ist es der blaue Pflan-
zenlack (§ 46)? Dieser aber ist unter den Farben des
nächsten § 66 als besonders zu vermeiden genannt;
auch Indigo ist ein Farbstoff, der auf nasser Mauer
vermieden werden sollte. Wenn aber in diesem Ka-
pitel unter Azur der blaue Kupferlasur verstanden
wird, was wohl das Natürlichste ist, so deckt sich die
Aweisung mit Theophilus K. XV, s. oben S. 51.
Münchner kusttechnische Blätter
Cf
Ist (die Mauer) von Stein, so befeuchte sie
nur ein- bis zweimal und wirf eine dünnere
Lage Kalk an, denn der Stpin hält die
Feuchtigkeit gut und trocknet nicht (so
schnell). Im Winter mache den (ersten) An-
wurf Abends und den Wergkalk lege den
anderen Morgen an. In der guten Jahreszeit
mache, was dir das Nützlichste scheint, und
wenn du den Wergkalk angelegt hast, so ver-
gleiche ihn gut mit der Kelle, lass ihn ein
wenig trocknen und zeichne.
§ 59. Wie man skizzieren muss, wenn
man auf Mauern arbeitet.
„Wenn du auf eine Mauer skizzieren willst,
so mache zuerst die Oberfläche ganz gleich *).
Binde an einen eisernen Zirkel zu einer und
der anderen Seite Holzstäbe, um ihn zu ver-
längern. Binde einen Pinsel an das eine
Ende dieser Stäbe, womit du Farbe nimmst,
um Masse anzudeuten und die Nimben zu
ziehen. Nachdem du alle Masse angedeutet
hast, nimm Ocker und zeichne mit dem Pin-
sel zuerst leicht, dann mache die Skizze mit
reinem Ocker. Ist die Skizze nicht gut aus-
gefallen, so skizziere neu mit hellem Oxy
(Caput mortuum) und überfahre auch die
Nimben. Poliere deren Oberfläche und wende
das Schwarz (vermutlich ist der dunkle Grund
§ 61 zu verstehen) an; poliere die Gewan-
dung und lege den Grund (Grundfarbe) an.
Suche schneller als in einer Stunde fertig zu
machen, was du poliert hast, denn wenn du
lange wartest, so zieht es Haut und nimmt
die Farbe nicht an, und so nützt es dir
nichts. Poliere ebenso (die Stelle für) das
Gesicht; du bezeichnest dessen Umrisse mit
der Kelle, mit einem Sternchen oder mit
einem Bein, welches du mit dem Messer
zuspitzest, wenn du eines bei dir hast.
Ebenso die Gewänder. Lege auch den
Grund (die dunkle Grundfarbe) auf das
Gesicht, skizziere es und lege die Fleisch-
farbe auf. Wenn du aber zögerst und es
Haut zieht, so mache es, wie wir dir sagen.“
§ 60. Wie man Mauerweiss macht.
Zum Mauerweiss dient guter, altgelösch-
ter Kalk, der „auf der Zunge weder bitter
noch zusammenziehend schmeckt, sondern
wie Erde“. Wenn solcher nicht zu haben
*) Bei meinen Versuchen hat es sich ergeben,
dass die Wergkalklage schon nach geringem Auftrock-
nen, infolge des Aufquellens des Wergs bedingt, ziem-
lich rauh und ungleich wird; ein gleichmässiges Eb-
nen der Oberfläche ist also sehr angezeigt; dabei wird
durch gelinden Druck schon eine Volumenverringerung
erzielt, und die unterhalb befindliche Feuchtigkeit nach
°ben geleitet. Ohne diese Zerstörung des schon
nach wenigen Stunden sich bildenden Kalkhäutchens
wäre ein Freskomalen nicht ausführbar. Vgl. m. Ver-
suche Nr. 92 und 93.
ist, so nehme man alten Mörtel von alten
Malereien, kratze die Farben ab und zer-
reibe ihn. „Wirf ihn in ein Gefäss, fülle es
mit Wasser, lasse ihn sich setzen und filtriere
ihn ein- oder zweimal, bis mit dem Wasser
auch das Werg und das Stroh fortgeht.
Reibe ihn dann gut und es wird gutes Weiss.
Wenn du von jenem (Mörtel) keinen findest,
so mache es also: nimm von demselben
Kalk, womit du arbeitest, und lege ihn
zum Trocknen an die Sonne. Dann brenne
ihm ziemlich viel im Ofen oder im Feuer; dann
reibe ihn und arbeite damit. Versuche ihn
ebenfalls an der Zunge; wenn er bitter oder
scharf ist, wie der andere, womit du Anwurf
machst, so lass ihn, weil er Kruste bildet
und sich nicht behandeln lässt; wenn er
nicht bitter ist, sondern wie Erde, so kannst
du ungehindert arbeiten." (Vgl. Bianco-
Sangiovanni des Cennini, K. 58, welches in
ganz ähnlicher Weise bereitet wird.)
Diese Sorge des Malers, möglichst alten Kalk
zu verwenden, dessen ätzende Eigenschaften durch
die Umsetzung des Kalziumhydrats in kohlen-
saurem Kalk verringert sind, hat insoferne Be-
rechtigung, weil er zur Grundfarbe schon grünen
Lack, also einen Pflanzenfarbstoff nimmt, wie aus
§ 61 ersichtlich ist. Diese Grundfarbe, bestehend
aus grünem Lack, dunklem Ocker, Schwarz und
eben diesem Mauerweiss, hat auch unter Fleisch-
farbe gelegt zu werden. Es ist die nämliche
Farbe, mit Proplasmus bezeichnet, die in § 16
aus „Grün, was für die Mauern dient“ und den-
selben Farben bereitet wird, wie hier. Was für
grüner Lack (jtldxa jtQaoivrjv) damit gemeint
ist, ist aus der Anweisung nicht ersichtlich; He-
raclius K. XXXVII erwähnt einen grünen Farb-
lack aus Malven als eine gute Farbe für Wand-
malerei (s. S. 39); auch Theophilus verwendet
grünen Saft (succus sambuci), unser Saftgrün auf
der Mauer (K. XV).
Die übrigen Kapitel (§ 62—64), welche das
Fleischmalen auf der Mauer behandeln, schliessen
sich den parallelen Angaben des Panselinos (§15 bis
24) an, mit dem einzigen Unterschied, dass für
Mauer das Kalkweiss, für die anderen Malarten
Bleiweiss genommen wird.
Nach der Anweisung § 65, Wie man Lichter
auf der Mauer mit Azur gibt*), mit welcher § 68,
*) Diese Anweisung ist eine von denen, die manche
Unklarheiten bietet. Welcher Farbstoff unter Azur
zu verstehen ist, „der mit Indigo nebst Mauerweiss
gemengt werden sollte, weil er allein auf der Maufer
schimmelig wird“, ist zweifelhaft; ist es der blaue Pflan-
zenlack (§ 46)? Dieser aber ist unter den Farben des
nächsten § 66 als besonders zu vermeiden genannt;
auch Indigo ist ein Farbstoff, der auf nasser Mauer
vermieden werden sollte. Wenn aber in diesem Ka-
pitel unter Azur der blaue Kupferlasur verstanden
wird, was wohl das Natürlichste ist, so deckt sich die
Aweisung mit Theophilus K. XV, s. oben S. 51.