Nr. 15
Münchner knnsttechnische Blätter.
89
Die Nötigung, in unseren Museen die Altarflügel
von beiden Seiten sichtbar zu halten, sie also in der
Mitte eines Raumes aufzustellen, schliesst jedes Ober-
licht von vornherein aus; damit kommen in der Pina-
kothek überhaupt nur drei Räume als brauchbar in
Betracht, von denen wiederum der nordöstliche Eck-
saal sich als der geeignetste erwies. Dass auch hier
die Belichtung zu wünschen übrig lässt, sei ohne wei-
teres zugestanden. Der fast frontale Einfall des Lich-
tes auf die Rückseiten ist an sich beklagenswert und
auch die anderen Teile stehen den seitlichen Licht-
quellen viel zu nahe, um einheitlich und ohne Blendung von
ihnen überflutet zu werden. Die ideale Aufstellung ist
zweifellos die im Museum von Colmar, wo dasLicht nur von
einer Seite durch hoch ansetzende Fenster auf die
Tafeln fällt. Der Einwand, man hätte ähnliche Ver-
hältnisse auch in gewissen Räumen des Nationalmuseums
schaffen können, wird damit hinfällig, dass die Bilder
der Pinakothek übergeben wurden und ohne die aus-
drückliche Billigung der Colmarer Behörde, mit der
zurzeit keine Verständigung möglich ist, nicht ausser
Haus gegeben werden können. Man wird sich also
mit der gegenwärtigen Aufstellung begnügen können
- dankbar, dass eine glückliche Fügung auf kurze
Zeit überhaupt das Werk Grünewalds in unsere Mauern
verschlagen hat. Rudolf Oldenbourg.
II.
Zu dem Artikel unseres Mitarbeiters Dr. Rudolf
Oldenbourg in Nr. 66 der „M. N. N.“ erhalten wir
von Herrn Akademieprofessor Max Doerner eine Zu-
schrift, die wir hiermit unseren Lesern vorlegen.
„Herr Rudolf Oldenbourg hat in Nr. 66 vom 7. Fe-
bruar 1919 der ,M. N. N.‘ längere Ausführungen über
den Grünewald-Altar und die Kopisten veröffentlicht.
Er entwickelt Ansichten über Kopien im allgemeinen
und * über die von verschiedenen Seiten geforderte
Kopie des Isenheimer Altares im besonderen, denen
widersprochen werden muss. Es könnte sonst der
Anschein erweckt werden, als seien alle kunstinter-
essierten Kreise mit seinen Anschauungen einver-
standen.
Herr Oldenburg vertritt den Standpunkt, dass
Kopien überhaupt jede Berechtigung abzusprechen sei.
Er schreibt: ,Ganz allgemein gilt unserem heuti-
gen Empfinden die Kopie als Surrogat eines Originals,
als welches sie im vorliegenden Falle einzig in Betracht
käme, so wenig als denkbar.^!)
Es geht doch nicht an, eine subjektive, ganz ein-
seitig fachwissenschaftliche Ansicht als die allgemeine
Anschauung zu erkären. Weiterhin führt Herr Olden-
bourg aus, dass Kopien sich überlebt hätten und die
^Verwöhnung des Auges durch verblüffende mechanische
Reproduktionen uns kaum mehr ermögliche, in der
Kopie das übermittelte Original ernstlich zu würdigen.
Auch die vollkommenste Wiedergabe der gewaltigsten
Bilder älterer Kunst werde mehr als Akt der Geschick-
lichkeit empfunden und scheine, wenn sie sich täu-
schender Fälschung nähere, nicht einmal zur Belehrung
tauglich.
Demgegenüber muss festgestellt werden, dass die
mechanischen Reproduktionen gerade des Isenheimer
Altares bis jetzt völlig unzureichend sind und wohl
auch von ungeübten Augen als keine ,Verwöhnung*
empfunden werden.
Aber auch die in Vorbereitung befindlichen neuen
mechanischen Nachbildungen werden unzureichend
bleiben müssen, weil dies eben in der Natur jeder me-
chanischen Reproduktion liegt. Die Verschiedenheit
der Mittel, die gegen die Absicht des Künstlers ver-
kleinerte Bildgrösse und damit reduzierte Farbenwir-
kung, das Fehlen von Zwischentönen und Valeurs
lassen solche mechanische Wiedergabe ebenso
unzulänglich erscheinen wie etwa in der Musik die
Klavierübertragung einer Komposition, die für grosses
Orchester geschrieben wurde. Man braucht ja nur
unsere besten Farbdrucke mit den Originalen zu ver-
gleichen, um dies in jedem Falle bestätigt zu finden.
Eine Kopie hingegen, in gleicher Grösse, wie das
Original erdacht wurde, aus gleichem Material wie
dieses und technisch von Grund aus in gleicher Art
aufgebaut, wird, indem sie auf den Wegen des Originals
zu gleichen Ergebnissen zu gelangen sucht, den Ein-
druck des Originals in wesentlich tieferem Sinne ver-
mitteln können. Sie muss sich natürlich von fataler
Geschicklichkeit gerade so ferne halten wie von täu-
schender Fälschung der Oberfläche. Sie muss bei
aller Treue gegen das Wesentliche des Originals eine
im gewissen Sinne freie geistige Nachschaffung bleiben,
keine sklavische Nachahmung werden. Ob eine solche
Arbeit Kunst ist, bleibt eine müssige Frage.
(Schluss folgt.)
Atelier
Hans Licht
Berlin-Charlottenburg
Kantstrasse 89
Vollstand, künstlerische Aus-
bildung von den ersten Ein-
führungen in d, Technische u.
in den Geist des künstlerisch.
Schaffens bis zu selbständi-
ger Kunstausübung u. künst-
lerischer Reife. Jährlich 2 Stu-
dien - Reisen. — Prospekte.
Wegen Beilegens
von Prospekten
wende man sich an die Ge-
schäftsstelle der „Werkstatt
der Kunst** in Leipzig.
» EINFÜHRUNG
IN DIE KUNST DER I
GEGENWART I
von 3^
Max Deri / Max Deffoir /Alwin Kronacher §
Max Marterfteig / Arnold Schering 8
Oskar Walzel 1
INHALT: 9
Das jüngfte Deutfchland in Literatur und Kunft / g
Von Geh. Hofrat Max Marterfteig — Eindrucks- ~
kunft und Ausdruckskunft in der Dichtung / Von jZ
Geh. Kat Prof. 0. Walzel — Naturalismus, Idealis- g
mus, Expreffionismus / Von Dr. Max Den — Die ^
neue Myftik und die neue Kunft / Von Prof. Dr.
Max Deffoir — Die expreffioniftifche Bewegung in g
der Mufik / Von Prof Dr. A. Schering — Die
Bühnenkunft d.Gegenwart/Von Dr.AlwinKronacher jZ
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Diefes Buch ift auf einem bisher noch nicht verwirklichten Ge-
danken aufgebaut: es behandelt in einem Werk alle Künfie:
die modernfte Literatur, die Dichtung, den neuen Geift der
Infzenierung, die myftifchen Strömungen der Gegenwart, den
Expreffionismus in den bildenden Künften und fchließlich die
jüngften Formen der mufikalifchen Kompofition
Mit 48 Bildern / Preis gebunden M. 20.—
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Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG
Verlag der W erkstatt der Kunst K. A. Seemann in Leipzig
Münchner knnsttechnische Blätter.
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Die Nötigung, in unseren Museen die Altarflügel
von beiden Seiten sichtbar zu halten, sie also in der
Mitte eines Raumes aufzustellen, schliesst jedes Ober-
licht von vornherein aus; damit kommen in der Pina-
kothek überhaupt nur drei Räume als brauchbar in
Betracht, von denen wiederum der nordöstliche Eck-
saal sich als der geeignetste erwies. Dass auch hier
die Belichtung zu wünschen übrig lässt, sei ohne wei-
teres zugestanden. Der fast frontale Einfall des Lich-
tes auf die Rückseiten ist an sich beklagenswert und
auch die anderen Teile stehen den seitlichen Licht-
quellen viel zu nahe, um einheitlich und ohne Blendung von
ihnen überflutet zu werden. Die ideale Aufstellung ist
zweifellos die im Museum von Colmar, wo dasLicht nur von
einer Seite durch hoch ansetzende Fenster auf die
Tafeln fällt. Der Einwand, man hätte ähnliche Ver-
hältnisse auch in gewissen Räumen des Nationalmuseums
schaffen können, wird damit hinfällig, dass die Bilder
der Pinakothek übergeben wurden und ohne die aus-
drückliche Billigung der Colmarer Behörde, mit der
zurzeit keine Verständigung möglich ist, nicht ausser
Haus gegeben werden können. Man wird sich also
mit der gegenwärtigen Aufstellung begnügen können
- dankbar, dass eine glückliche Fügung auf kurze
Zeit überhaupt das Werk Grünewalds in unsere Mauern
verschlagen hat. Rudolf Oldenbourg.
II.
Zu dem Artikel unseres Mitarbeiters Dr. Rudolf
Oldenbourg in Nr. 66 der „M. N. N.“ erhalten wir
von Herrn Akademieprofessor Max Doerner eine Zu-
schrift, die wir hiermit unseren Lesern vorlegen.
„Herr Rudolf Oldenbourg hat in Nr. 66 vom 7. Fe-
bruar 1919 der ,M. N. N.‘ längere Ausführungen über
den Grünewald-Altar und die Kopisten veröffentlicht.
Er entwickelt Ansichten über Kopien im allgemeinen
und * über die von verschiedenen Seiten geforderte
Kopie des Isenheimer Altares im besonderen, denen
widersprochen werden muss. Es könnte sonst der
Anschein erweckt werden, als seien alle kunstinter-
essierten Kreise mit seinen Anschauungen einver-
standen.
Herr Oldenburg vertritt den Standpunkt, dass
Kopien überhaupt jede Berechtigung abzusprechen sei.
Er schreibt: ,Ganz allgemein gilt unserem heuti-
gen Empfinden die Kopie als Surrogat eines Originals,
als welches sie im vorliegenden Falle einzig in Betracht
käme, so wenig als denkbar.^!)
Es geht doch nicht an, eine subjektive, ganz ein-
seitig fachwissenschaftliche Ansicht als die allgemeine
Anschauung zu erkären. Weiterhin führt Herr Olden-
bourg aus, dass Kopien sich überlebt hätten und die
^Verwöhnung des Auges durch verblüffende mechanische
Reproduktionen uns kaum mehr ermögliche, in der
Kopie das übermittelte Original ernstlich zu würdigen.
Auch die vollkommenste Wiedergabe der gewaltigsten
Bilder älterer Kunst werde mehr als Akt der Geschick-
lichkeit empfunden und scheine, wenn sie sich täu-
schender Fälschung nähere, nicht einmal zur Belehrung
tauglich.
Demgegenüber muss festgestellt werden, dass die
mechanischen Reproduktionen gerade des Isenheimer
Altares bis jetzt völlig unzureichend sind und wohl
auch von ungeübten Augen als keine ,Verwöhnung*
empfunden werden.
Aber auch die in Vorbereitung befindlichen neuen
mechanischen Nachbildungen werden unzureichend
bleiben müssen, weil dies eben in der Natur jeder me-
chanischen Reproduktion liegt. Die Verschiedenheit
der Mittel, die gegen die Absicht des Künstlers ver-
kleinerte Bildgrösse und damit reduzierte Farbenwir-
kung, das Fehlen von Zwischentönen und Valeurs
lassen solche mechanische Wiedergabe ebenso
unzulänglich erscheinen wie etwa in der Musik die
Klavierübertragung einer Komposition, die für grosses
Orchester geschrieben wurde. Man braucht ja nur
unsere besten Farbdrucke mit den Originalen zu ver-
gleichen, um dies in jedem Falle bestätigt zu finden.
Eine Kopie hingegen, in gleicher Grösse, wie das
Original erdacht wurde, aus gleichem Material wie
dieses und technisch von Grund aus in gleicher Art
aufgebaut, wird, indem sie auf den Wegen des Originals
zu gleichen Ergebnissen zu gelangen sucht, den Ein-
druck des Originals in wesentlich tieferem Sinne ver-
mitteln können. Sie muss sich natürlich von fataler
Geschicklichkeit gerade so ferne halten wie von täu-
schender Fälschung der Oberfläche. Sie muss bei
aller Treue gegen das Wesentliche des Originals eine
im gewissen Sinne freie geistige Nachschaffung bleiben,
keine sklavische Nachahmung werden. Ob eine solche
Arbeit Kunst ist, bleibt eine müssige Frage.
(Schluss folgt.)
Atelier
Hans Licht
Berlin-Charlottenburg
Kantstrasse 89
Vollstand, künstlerische Aus-
bildung von den ersten Ein-
führungen in d, Technische u.
in den Geist des künstlerisch.
Schaffens bis zu selbständi-
ger Kunstausübung u. künst-
lerischer Reife. Jährlich 2 Stu-
dien - Reisen. — Prospekte.
Wegen Beilegens
von Prospekten
wende man sich an die Ge-
schäftsstelle der „Werkstatt
der Kunst** in Leipzig.
» EINFÜHRUNG
IN DIE KUNST DER I
GEGENWART I
von 3^
Max Deri / Max Deffoir /Alwin Kronacher §
Max Marterfteig / Arnold Schering 8
Oskar Walzel 1
INHALT: 9
Das jüngfte Deutfchland in Literatur und Kunft / g
Von Geh. Hofrat Max Marterfteig — Eindrucks- ~
kunft und Ausdruckskunft in der Dichtung / Von jZ
Geh. Kat Prof. 0. Walzel — Naturalismus, Idealis- g
mus, Expreffionismus / Von Dr. Max Den — Die ^
neue Myftik und die neue Kunft / Von Prof. Dr.
Max Deffoir — Die expreffioniftifche Bewegung in g
der Mufik / Von Prof Dr. A. Schering — Die
Bühnenkunft d.Gegenwart/Von Dr.AlwinKronacher jZ
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danken aufgebaut: es behandelt in einem Werk alle Künfie:
die modernfte Literatur, die Dichtung, den neuen Geift der
Infzenierung, die myftifchen Strömungen der Gegenwart, den
Expreffionismus in den bildenden Künften und fchließlich die
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Mit 48 Bildern / Preis gebunden M. 20.—
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Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG
Verlag der W erkstatt der Kunst K. A. Seemann in Leipzig