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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 12.1909

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Sitte, Heinrich: Fragment eines Sarkophagreliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.45357#0232

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2 l8

H. Sitte

mäßig erfaßt hat. Nun folgt die Hauptperson der Gruppe, das Dionysoskind,
leider zu sehr fragmentiert, um an diesem Relief eingehender erörtert zu werden;
hier sei nur auf den wichtigen und gerade bei dieser Replik ganz untrüglich
beglaubigten Zug hingewiesen, daß das Knäblein noch nicht auf der Basis steht,
sondern eben erst darauf gestellt wird. Rechts sitzt dann noch der alte Silen
linkshin der Mitte zugewendet. Sein in größeren Verhältnissen gehaltener Körper
zeigt die Muskulatur schon stark von Fettschichten überzogen, er ist auch schon
viel empfindlicher und vorsichtiger als der jugendliche Satyr geworden und hat
fürsorglich seinen Mantel nicht nur auf den kalten, harten Felsensitz gebreitet,
sondern auch um den Unterleib geschlungen und den Oberkörper mit einer
Nebris bedeckt; seine Arme waren beide frei erhoben, da auch von dem linken
keine Ansatzspur auf den Beinen sichtbar ist; das, nach den Umrissen zu urteilen,
bärtige und behaarte Haupt war etwas nach oben gerichtet, mit dem Blicke dem
Antlitze des Dionysoskindes begegnend. Hinter Silen stand in dieser Replik keine
weitere Figur; der an seinen Rücken anstoßende Rest gehörte zu der Tänie,
welche auch hier den freien Raum des Reliefgrundes schmückte und mit dieser
Windung ebenfalls gerade über dem Ansatz des symmetrisch angeordneten rechten
Pinienzapfens der Ghirlande sich befindet.
Dieselbe Gruppe findet sich mit ganz geringen Abweichungen auf zwei
späteren Sarkophagen, einem in der Münchener Glyptothek und einem im kapito-
linischen Museum zu Rom wieder, welche beide bisher nur durch ältere Tafel-
werke in ungenauen Abbildungen zugänglich waren5.)
Zeitlich zunächst folgt auf den Wiener Ghirlandensarkophag das Münchener
Relief (Fig. m)6). Wir sehen die Vorderseite eines Kindersarkophags aus
parischem Marmor, 0*95 m lang, in mäßig erhabenem Relief gearbeitet. Das
Denkmal ist vorzüglich erhalten; die Augensterne sind durchgehend plastisch
angegeben; die Wiedergabe von Haar und Gewandung ohne Verwendung des
Bohrers weist auf hadrianische Zeit. Drei Szenen sind darauf zur Darstellung
gebracht: links reitet der Dionysosknabe auf einem von einem Satyr beim Horn
geführten Widder, mit der Cista Mystica auf dem verschleierten Haupte in
Begleitung einer Nymphe und des alten Priap; darauf folgen zwei Nymphen
in der anmutigsten Weise mit dem Baden des Kleinen beschäftigt; rechts sehen

5) Heydemann, Dionysos’ Geburt und Kind-
heit 49.
6) Furtwängler, Glyptothek 240 n. 240; da die
Platte dem Fenster gegenüber hoch eingemauert ist,
wurde die photographische Aufnahme nach einem

Abguß hergestellt, den die archäologische Sammlung
der Universität in Wien anfertigen ließ; für die Ge-
stattung und Veranlassung des Abformens bin ich
Herrn Direktor Paul Wolters und Herrn J. Sieveking
zu größtem Danke verpflichtet.
 
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