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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 12.1909

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Loewy, Emanuel: Typenwanderung, I
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https://doi.org/10.11588/diglit.45357#0257

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Typenwanderung.
I.
i. Vor etwa zehn Jahren veröffentlichte Conze1) die Bleistiftskizzen zweier
überlebensgroßer Torsen, die von ihm im Jahre 1858 in Chios aufgenommen
worden waren; beide offenbar hochaltertümlich und von engster stilistischer Zu-
sammengehörigkeit. Eine nähere Bestimmung des Stiles gestatten die Abbildungen,
welche nach Photographien Lechat2) kürzlich von dem einen Torso veröffentlicht
hat: er stimmt recht augenfällig mit einem aus Eleutherna stammenden im
Museum von Candia und durch ihn mit einer Sitzstatue aus Aigiorgitika-Tegea
im Nationalmuseum zu Athen3). Ein Blick auf die Abbildungen (Fig. 118—-122),
namentlich des Torsos von Eleutherna und des von Lechat veröffentlichten, wird
genügen, diese enge Verwandtschaft darzutun; sie besteht nicht nur in der An-
ordnung und Behandlung der Haare, in der Angabe der Gewanddetails durch
ein gerissene Linien, sondern in der -ganzen Anlage des Rumpfes mit sehr geringer
Tiefe und gerundeten Konturen: die Bezeichnung der beiden chiischen Torsen
als „dickschwammig und flach“ (so Conze) paßt auf das genaueste zu dem Frag-
mente von Eleutherna.
In den Figuren von Eleutherna und Tegea habe ich vor Jahren Schöpfungen
jener kretischen Bildhauer nachgewiesen, welche in unserer Überlieferung durch
Dipoinos und Skyllis und vielleicht noch sonstige Namen vertreten sind4). Gegen-
über der Zustimmung, welche diese Zurückführung fast allgemein gefunden hat,
sind nur vereinzelt Zweifel geäußert worden5). Allein wollten wir auch der ganzen,
doch bestimmt und mit mannigfachen Einzelheiten gegebenen Nachricht von der
kretischen Bildhauerreihe den Glauben versagen, so gebietet doch der Parallelismus
zwischen den literarisch und monumental gegebenen Tatsachen dem Zweifel Ein-
halt, und dies um so mehr, als das Material der tegeatischen Skulptur, das, in
Tegea fremd6), stark an jenes des kretischen Torsos erinnert7), der Annahme einer

1) Athen. Mitt. XXIII (.1898) S. 155!.
2) La Sculpture attique avant Phidias p. 172 ff.
Fig. 9—11.
3) Eleutherna: Rendic. R. Accad. Lincei Sc.
mor. VII (1891) p. 599 ff·; Rev. arch. 3« ser. XXI
(1893) p. 10 ff. Taf. III—IV (Joubin); Perrot VIII
p. 429 ff. Fig. 208 f. — Tegea: Berard, Bull, de corr.
heil. XIV (1890) p. 382ff. Taf. XI; Perrot VIII
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XII.

p. 430 ff. Fig. 210 f.; Kavvadias, Γλυπτά I n. 57.
4) Rendic. Lincei a. O. p. 601 f.; vgl. Joubin,
Rev. arch. a. Ο. p. 11 f. 17fr.
5) Vornehmlich von Robert, Arch. Märchen 7 und
in Pauly-Wissowa, Real-Encyklopädie IV Sp. 2004 f.
(Daidalos); V Sp. 1161 (Dipoinos).
6) Berard a. O. p. 384.
7) Rendic. Lincei a. O. p. 600; Joubin a. O. p. 11.

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