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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 5.1902/​1903

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Heft 2
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Geiger, Albert: Einiges über Hans Baldung gen. Grien.
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https://doi.org/10.11588/diglit.45536#0126

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lerische 5prache, eine kernige, biedere, klare; aber
nicht die gesättigte grobe, welche Salbung eigen
ist. . . .
Unter den vergleichsweise beigerogenen Silbern
Saldungs befindet sich eines, dem auch die Echt-
heit abgebrochen worden ist; ich gestehe, ru
meinem Sedauern: Ls ist dies die sogen. Vanitas,
datiert 1540, aus dem Sesisse des Konsuls Weber
in Hamburg? Vas Sild ist nicht signiert und ich
weih nicht, welche sonstigen 6ründe die forscher
veranlassen, es Salbung adrufprechen. Mit Sal-
dungs ganrem künstlerischen Wesen scheint es
aufs engste verknüpft, ja ich möchte fogar fagen:
es erscheint wie ein sehr feiner Cxtrakt desselben,
varu würde auch stimmen, dass es als Slld der
8pätreit des Meisters datiert ist, in welcher er
die Leinheit und liefe feiner Malweife ausser-
ordentlich vervollkommnet hatte. . . Vie rum
grösstenteil nackte Lrauenfigur des Vordergrunds,
welcher ein Smor das 6ewand wegruriehen
sucht, reigt die Eigentümlichkeiten der Saldungschen
Lrauengeftalten. Vie feine finnenwarme Model-
lierung, die Sehandlung der Lleischtöne, das
kräftige Oval des Sefichts, das Sesicht selbst
scheinen auf Salbung hinruweifen. fa, die 6estalt
gleicht der in der „Eitelkeit", Kaiserliche Semälde-
galerie Wien, so sehr, dass man an dasselbe Modell
glauben könnte. Charakteristisch ist auch der Sal-
bung eigentümliche lange Oberkörper, der auch hier
ru finden ist. vgl. auch die stehende weibliche Ligur
in himmlische und irdische Liede. Vie hinter der
Vanitas liegende tote ältere Lrauengeftait, das
einstige Los der Schönheit und Weitlust auch ohne
den Lod mit der geschwungenen Hippe nachdrücklich
genug symbolisierend, weist in ihrem erschütternden
Saturalismus auf den Schüler Srünewalds. Vie
satten, tiefen und doch wieder unendlich feinen
und intimen 8timmungstöne des Hintergrundes
sind in höchster malerischer Durchbildung gegeben.
8ehr poetisch und nachdenklich berührend wirken
zwei grosse dunkle Iris, die in einer Vase neben
der Vanitas stehen und deren einen 5tengel die
Hand der Vanitas umspannt hält. Vie Stimmung
des Sanren auf einige grosse Lardtöne, die
Harmonie der starkbelichteten Vordergrundsfiguren
mit dem Helldunkel des Hintergrunds, reigen
einen Lardkünftler ersten Sanges. Der tiefe grosse
Crnft, die milde Melancholie des Sanren, die
Sbgekiärtheit, mit welcher der Segenfass: Leden
und Lod, hier in die Erscheinung tritt, sie können
nur einem machtvoll empfindenden Maierpoeten
angehören. Und man dürfte vielleicht in Ver-
legenheit fein, wem man dieses in seiner Ver-
schmelzung von Sealismus und Somantik glän-
zende Werk sonst ruweisen soll.
-K
Cin Salbung von malerisch-poetisch hervor-
ragender Qualität, neben der sog. Vanitas der
* Huf des Xollektiotafel des Saden-Ladenes MIdes in
sehs oeskieinettes wiedesgsde.

schönste der Kollektion in Saden-Saden, ist ein
Cece homo, 5tädt. Sammlung in Lreidurg i. Srg.,
sign. u. dat. h. S. 6.1513. hier finden wir eine über-
aus rarte, delikate Zusammenstimmung der Lard-
töne. Wohl eine Sdendstimmung mit gebrochenen,
wehmütig abgetönten Larben. Sus dem ge-
dämpften Selb-Slau-Srau bricht das ernste dunkle
leidende Haupt Christi, der in rufammengebrochener
Haltung dafisst, überwältigend schön hervor. Maria
ihm gegenüber reigt in vollendetster weife den
Saldungschen Marientgpus: 5innenreir mit hohem
Sdel des geistigen Susdrucks. wundervoll find
die kleinen Cngel, welche weinend den Srm
Christi umklammern, als wollten sie das fliehende
Leden aufhalten. Uederhaupt alle diese Putten,
welche, den Heiland beweinend, in der milden
gelösten Lrühlingsadendluft herumflattern l Der
5chmerr, die drollige Unruhe in all diesen Körper-
chen und Köpfchen hat etwas Musikalisches, und
daruLragisch-humoriftisches; etwa wie wenn in der
Matthäuspassion rum Seginn die Hellen frischen
Knabenstimmen in den Chor hineinschmettern. . .
wie künstlerisch fein und wiederum am meisten
durch den harmonischen Zusammenhang der
Larbtöne Salbung das konventionelle 5taffelbild
der mittelalterlichen Maler ru edler, kompositorisch
reizvoller Wirkung erhoben hat, zeigt das Votiv-
bild des Markgrafen Christoph I. von Saden,
Kunfthatte, Karlsruhe; ursprünglich Sltar-Snte-
pendium. Vie Mittelgruppe, Maria mit dem
jefuskind, daneben die hl. Snna, dem Kinde den
Psalter reichend, ist von ausgesuchter Lieblichkeit.
Der Madonnentgpus zeigt hier eine etwas schärfere
Linie, mehr zurückweifend auf frühere Marien,
von grösster Leinheit ist die hi. Snna. Mütter-
liche 6üte spricht aus ihren edeln Zügen in ge-
winnender weise. . . Im Sanzen ist das Sild
etwas härter und trockener in der Malerei. -
Secht interessant waren ferner in der Saden-
Sadener Kollektion zwei Madonnen, die eine
italienifierende, die andere vürersche Cinflüsfe
Zeigend. 6ross im Susdruck, leider durch Ueber-
malung stark verdorben, ist das Sildnis eines
6elehrten in anachoretischer Lelseinfamkeit, dat.
und sign. 1538 h. S. Cigentum der 8tadt Strass-
burg. Vas scharfgeprägte Sntlitz zeigt viel Seift
und Cnergie. Doch zeigt auch dies Porträt, wie
das des Markgrafen Christoph I. (Karlsruher
Kunfthalle), dass Saldungs 5tärke nicht am meisten
in der öildnismalerei lag.
* * *
Saldungs Hauptwerk religiöser Malerei, der
Hauptaltar des Lreiburger Münsters, entstand
Zwischen seinem dreissigsten und vierzigsten Lebens-
jahr, in der ersten frischen Seife seines Lebens.
Deutlich lässt sich in ihm erkennen, in welche
5chule er gegangen ist. Der unmittelbare Lebens-
sinn, der massvolle Sealismus Dürers und der
Kolorismus Srünewalds sind Sevatter dabei ge-
standen. Dass Salbung ein durchaus Cigener
geblieben ist, beweist die Kraft seiner Kunst. Im

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