Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]: Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein (5.1902/1903)

und keim Anblick des „Orofsen" läcbelnd sein
,,Outen lag!" stammelte. Dann Kam es vor,
dass die Leippen der Knaben wie Kosenknospen
sicb spitzten und einander berührten, obscbon
derlei Öbung im krause der lVlutter wenig ge-
püegt worden war.
Den ganzen lag über wackte Leinz mit be-
sorgten Lücken über dem Kleinen; das trübe
Vatertum, das ibm die lVlutter Überbunden batte,
erfüllte ibn mit 8tolz und bob ibn in seinen
eigenen ^ugen. Oer Lbrgeiz, dessen 8tacbel
überall und in allem binter ibm Ker war, liess
ibn aucb da nickt nacblässig werclen uncl er
war mancbmal aut 8ignor Lrcole eifersücbtig,
weil cler ibm so wenig zu tbun übrig liess.
Oingen die Knaben clurcb die 8taclt, so sab
man sie immer Land in Land; bei clen Kunst-
übungen witterte Leinz für clen Kleinen, da cler
für sicb nickt zu bangen vermocbte, clenn Kranz
mackte aucb clas Verwegenste mit solcbem Ver-
trauen, als gäbe es für ibn keinen Kall, als säke
er stets zwei Lngel an seiner 8eite, um ibn zu
kalten, zu stützen uncl sanft aufzubeben. Oarum
geriet ibm aucb alles so wobl, clarum verliess
ibn sein anmutiges Oäcbeln selbst in cler
beikelsten Lage nie, clarum aucb waren ibm
clie Lände zum Klatscben stets willig.
Leinz füblte wobl, clafs der Leifall, cler
ibnen nun fast allabencllicb aus clem Zuscbauer-
raum entgegenrauscbte, ibm zum kleineren leile
galt, un<l sein brennencler Lbrgeiz erfubr mancke
Demütigung. Zuweilen rüttelte ibn cla cler Leid
gegen Kranz, aber cliese Kegungen gingen rascb
vorüber, besonders clesbalb vielleicbt, weil Leinz
sab, dass cler Kleine sicb auf den Leifall gar
nicbts einbildete, ja nickt einmal zu merken
scbien, clafs die Deute ibm clen Vorzug gaben.
Kranz batte einst im Zirkus geseben, clafs man
Wagbalsigkeiten beklatscbte, uncl fancl es nun
selbstverstäncllicb, clafs man es mit ibm kielt,
wie mit «len anclern.
Lack ungefäbr andertbalb jsabren trat für clie
kleine Wandertruppe eine wicktige Veränderung
ein: sie vereinigte sicb mit ein paar anclern zu
einer ansebnlicben Variete-Oesellscbaft, cleren
Leitung sicb cler rübrige 8ignor Lrcole anzu-
eignen wusste. Waren cla ein Kalbes Outzencl
8cbwarze, clie ikre seltsamen länze auffükrten;
ein lVlann mit allerlei clressierten lieren wie
Lunden, Oänsen, 8törcben, ja sogar 8cbweincben,
Liestelvater nannte man ibn allgemein; ferner

clrei ^Vtkleten mit kleinen Kopsen uncl elefantiscken
Olieclmafsen, uncl eine 8eiltänzertruppe: ein
Klternpaar mit clrei 8öbnen uncl zwei löcktern.
Oie jüngste cler 8eiltänzerinnen sollte als
Onrubstilterin in «las Leben der Zübeübuben
eingreifen.
Lines lVlorgens, als clie Lrüder im Oarten
cles Oastbauses, in clem sie abgestiegen waren,
spielten, kam ein fremcles lVläclcben von etwa
zebn ^abren auf sie zu, scklank, etwas bleick,
mit üacbsblonclem, welligem Laar uncl Kellen,
glänzenden ^ugen.
,,Ibr seid clie Zobeüi, ick clie Lianca, clie
8eiltänzerin, wir geboren nun zu einancler, ibr
wisst clock!" 80 reclete sie clie Knaben an. 8ie
batten nicbts zu erwiclern, wesbalb clas lVläclcben
in Lacken ausbracb uncl riet: „8cbaut clock
nickt gar so clumm «lrein! Labt ibr denn nocb
nie ein lVläclel gesebn? Kommt! Wir wollen
«lurcb clen Oarten geben."
Dies sagend, fasste sie Leinz am ^.rm und
zog den kalb Willigen, kalb Widerspenstigen
den bekiesten Weg entlang. Oie ersten Kosen
blübten im Oarten; als die Kinder an einem
niecllicben Läumcben vorbeikamen, sagte Kranz
zum Kruder: „8ieb da die Llumen!" Oa stand
das lVläclcben still und begann sicb ein Ver-
gnügen daraus zu macken, den Kosen mit ibrem
langen, sckmalen IVlittelknger Lasenstüber zu
geben und so den Loden mit roten Llättern zu
besäen.
„Oas nickt!" rief Leinz.
,,Was bast du mir zu befeblen, dummer
Lub!" ziscbte sie, fasste eine volle Kose, riss
sie vom Zweige und scbleuderte die Land voll
roter Llätter dem jungen ins Oesickt. Oas Kot
der Kose scbien auf des Knaben Wangen ab-
gefärbt zu baben; der Zorn loderte in ibm, er
bätte sie scblagen mögen. Lnwillig wendete
er sicb ab und zog Kranz von dem seltsamen
Wesen, das er beinabe fürcktete, weg. Kr batte
nickt den Oedanken, aber das Oelubl, dass, wer
eine Kose so zerzausen könne, aucb imstande
sei, einem IVlenscken etwas Loses anzutkun.
^.m folgenden läge ging er Lianca aus dem
Wege; sie aber liess sicb nickt abscbrecken,
sie sucbte die beiden Zobelli immer wieder
acf, kebrte dabei ibr sanftestes Oesickt beraus
und scbmacbtete mit ibren demütigsten ^.ugen;
sie war eben mit zebn ^abren eine vollendete
8cbauspielerin, und es ging nickt lange, so batte

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