Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 5.1902/​1903

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Schell, Otto: Der kopflose Reiter zu Mettmann: Ein Beitrag zum Wotan-Mythos aus dem Bergischen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45536#0219

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mz^tb. o 8. 179 ff). Dein 8ergiscben am näcbsten
benacbbart ist in dieser 8exiebung die von
Oäsarius von 8eisterbacb (Dial. mirac. VIII, 59)
verxeicknete 8age von Oerkard von 8olenbacb.
Dafs in vielen dieser 8agen das Wolkenrofs
Wotans 2um Mantel des leufels etc. wird, ist
eine spätere Verbildung des alten M^tkos. Line
längere ^.bbandlung bat M. Landau (die (Quellen
des Dekameron, 8. 19z ff.) diesern „Wunderritt"
gewidmet, auf welcbe besonders verwiesen sein
rnöge.
^ucb in spexibscb bergiscben 8agen (rnan
vergl. 2. 8. des Vers, bergiscbe 8agen, 8. 406 ff.)
ist dieser 2ug deutlicb bewabrt geblieben.
Dais angegeben wird, das Lols sei kokl-
scbwarx gewesen, kann gar nicbt befremden,
da die sebwar^e Larbe in dem blaturm^tbos
seine kinreickende Lrklärung bndet, Odin aucb
2udem in 8cbweden (L. 8. Me^er, Oerm.
M^tkol., 8. 239) auf silbertüfsigem Lappen
reitend gedacbt wird. Mez^er und Ooltber (8snd-
bucb der Oerm. M^tkol.), namentlicb letzterer,
bemerken daxu ausdrücklicb, die Larbe von des
8turmgottes Wotans Lols sei weiss und sckwarx
gewesen.
2usammenfassend darf also bekauptet werden,
dafs der 8cbimmel in unserer 8age als Lots
Odin-Wotans oder des wilden Wägers angeseben
werden muss.
block deutlicker ernennen wir aber den alten
Oermanengott, wenn unsere 8age bericbtet, dafs
der Laubritter den Lopf unter den ^.rm nabm,
und dann mit verdoppelter Oescbwindigkeit
dabinbrauste. Dieser 2ug bat sicb in unendlicb
vielen deutscben 8agen erkalten (2. 8. Langer,
8eitrag 2ur deutscben M^tkologie — 8aieriscbe
8agen I, 296; Lubn und 8cbwart2, blord-
deutscke 8agen, 427; Meier, 8cbwäbiscbe 8agen,
100 f; Daistner, blebelsagen, 8. 91; 8artscb,
8agen etc. aus Mecklenburg I, 8.199 ; O. Lörstner,
^.us der 8agen- und Märcbenwelt des 8arxes,
8. 86 kf; ein überaus reicbbaltiges Material ergab
vor allem die von 8. L. Leilbsrg im Dr-()ue1l
— ^abrgang 4 bis 6 — veranstaltete Omfrage
über die Lrage: „Warum geben 8pukgeister
kopflos um?) Me^er (Oerm. Mz^tk., 8. 2Z9)
bemerkt wörtlicb: „In vielen deutscben 8agen
reitet er (Odin, der wilde ^äger) kopflos oder
den Lopf unter den ^.rm oder auf kopflosem
Lierde, ob etwa bei beftigem Oegenwind nieder-
geduckt?"
Dem Volke gilt der Lopf als 8itx der 8eele.
Linen 8eweis dafür erbringt gerade eine in
Mettmann bekannte 8age, nacb welcber einem
Lrmordeten die 8cbädeldecke bebufs Onter-
sucbung abgenommen und das Oebirn vorläufig
2ur 8eite gelegt wurde, blackker, als man das-
selbe wieder an seinen Ort bringen wollte, war
es versckwunden; ein Hund batte es gefressen.
Da mufste der ^rme obne sein Oebirn beerdigt
werden. 8eit dieser 2eit gebt er aber )ede blacbt

durcb den 8oklweg, in welcbem er erscblagen
wurde, trägt seinen 8cbädel in der 8and und
sucbt sein 8irn.
Lopflos sein bedeutet dem Volke so viel als
seelenlos sein. ^ucb diese -Auffassung Kann
Zwanglos auf Wotan bezogen werden.
Liner der wicbtigsten Lunkte der Wotansage,
oder besser gesagt der 8age vom wilden ^säger,
ist das diesem folgende 8eelenkeer. Lür dieses
liefert das 8ergiscbe anderswo 8elege. ^ber
in unserer Mettmanner 8age ist von Verfolgern
des Laubritters die Lede, und in ibnen baben
wir das falscb gedeutete Oefolge des wilden
Wägers, das 8eer oder die ^agd, 2U versteken,
nacb Mngern Überlieferungen Zusammengesetzt
aus Lotenvolk, verstofsenen 8eelen, den 8eelen
der Linder, welcbe ungetauft sterben, Hexen
und bösen Deuten. 80 geben die 8eelen (die
beim ^bsckeiden vom Lörper ausdrücklicb vom
bergiscben Volke als Windbaucb aufgefafst
werden; m. vergl. meine -^bbandlung im ^.rcbiv
für Leligionswissenscbaft IV, Z05 ff.) in den
Wind oder 8turm über und kalten in diesem
und mit diesem ikre Omxüge.
Der Lrage, welcber Ooltber (Oerm. M^tbok,
8. 292) eingebend näber tritt, in welcbem Ver-
bältnis Wode xu Wotan stebt, kann bier natürlick
nicbt näber getreten werden; abgeseben von
der durcb den Laum in dieser 2eitscbrift ge-
botenen Linscbränkung können solcbe Lragen
nur dann gelöst werden, wenn das gesamte ein-
scklägige Material aller germaniscben Volks-
stämme berangexogen wird, ^.ber als feststebend
darf beute auf Orund dieser und anderer Onter-
sucbungen gelten, dafs der m^tbiscken 8age
vom wilden ^äger und dem wütenden 8eer
uralte, allgemein-germaniscbe ^nscbauungen 2u
Orunde liegen, und dafs diese unter einem Lükrer
umxiebende Oeisterscbar ferner in dem 8eelen-
glauben aller Völker eingewurzelt ist. „Hat die
8cbar einen Lükrer, so ist dieser entweder durcb
den 8ang 2U fafsbaren Linxslgestalten, wie er
in der Volkssage waltet, als besonderer Ver-
treter der Oesamtbeit entstanden oder in An-
leimung an bestimmte örtlicbe und gescbicbt-
bcbe Vorkommnisse neu kin^ugetreten, so wenn
Lünige, Helden, Leldkerren, 8urgberren aller
weiten einander nacb von der Volkssage mit der
Lübrerscbaft des l'otenbeeres betraut worden"
(Ooltber). blun liegen aber vor den 1?boren
Mettmanns mebrere alte 8urgen und 8urgstätten,
von denen nocb mancbe wunderbare Märe im
Volksmunde umgebt. Da lag es nabe, den alten
M^tbos später auf einen Laubritter 2u über-
tragen; der germaniscke 8turmgott Wotan wurde
2um Laubritter, ?u einem mit finstern 2ügen
ausgestatteten Wesen. Die ireundlicben 8eiten
des aucb 8egen spendenden Oermanengottes
verblassten gänxlicb vor seinem bnstern Wesen
— ein Orundxug der bexüglicben deutscben
Volkssage.

162
 
Annotationen