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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 5.1902/​1903

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Heft 4
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Waldner, H. August: Wie lässt sich die bergische Bauweise unserer Zeit anpassen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.45536#0260

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Okumktel' des bergiscben Dauses seine gemessene,
rubige Qesumterscbeinung beäingt. Wir bnäen
dei äiesen Lauten nickt jene nnrukige, Zerrissene,
bunte Lilbouette, äie ungebbcb viele moäernen
Villen so „rnaleriscb" rnacben soll. I'rotz üieser
bewegten Lmrissbnie wirö rnan Kaurn eine
moüerne Vorstacltvilla knäen können, clie rnaleriscb
anmutiger wäre, als die so klar unä kolgericbtig
aufgebauten Wobnbäuser cles bergiscben Larock-
stiles.
Wie cleutlicb kennzeicbnet sicb äocb bei
äiesen Lausern irn äusseren Aufbau clie innere
Linteiiung, okne dass uns clurcb die Ourcb-
einanäerscbacbtelung von Qiebeln, Lrkern und
lürrnen die ^.ugen geöffnet werden!
Allein die Lenster- und Lbürökfnungen ge-
nügen, urn selbst dern Laien die Austeilung des
Grundrisses so deutlicb zu rnacben, dass ein
lVlissverständnis ausgescblossen ist. Oie breite
l'bür rnit den beiden seitlicben Lcblitzsenstern
zeigt uns die mittlere Lalle, von der aus die
einzelnen 2immer direkt zugänglicb sind.
Ls wäre desbalb verkebrt, wenn man bei
Leubauten obne einen sebr zwingenden Qrund
von dem recbteckigen Qesamt-Qrundriss und der
szrmmetriscben Austeilung abgeben wollte. Oie
Abbildungen dieses Lestes zeigen, dass man
aucb in dieser Lescbränkung gar vielfältige
Lösungen und gar mancberlei gefällige Bilder
scbakken kann, ja dass gerade in der Lescbränkung
das Qesübl für maleriscbe Zcbönbeit und die
scbalfende Lbantasie der ^lten sicb um so lieber
zeigt.
Welcbe mannigsacben Wirkungen sind bei
den altbergiscben Lauten allein durcb die ver-
scbiedenartige Lildung des Oacbes möglicb
geworden!
Lald bat sicb der Lau unter die scbützenden
Litticbe eines scbweren lVlansard-Oacbes ge-
tlücbtet, bald trägt er ein steiles 2eltdack, aus
dem ein leicbt gescbwungener Liebel die ^cbse
der Lauptsront betont.
Lerade diese scbönen Ligentümlicbkeiten des
bergiscben Larockkauses, Symmetrie im Lanzen
und maleriscbe Lreibeit im Linzelnen bat aucb
die amerikaniscke /».bart der bergiscben Lau-
weise stets beibebalten, und ibnen verdankt der
„Kolonialstil",* auk den aucb an anderer Stelle

* V^ir katten xwar an eine moderne Ausbildung des
bergischen Stils in Amerika gedacht. Dock wird unsern
Kesern die Abbildung eines Lauses im Kolonialstil (8. 188)
willkommen sein. Sie ist der „Deutschen Laukütte" ent-

in diesem Leit bingewiesen wird, seine scbönen
Wirkungen.
Was nun die Lestaltung und Inneneinricb-
tung der einzelnen wimmer betrifft, so wird es
aucb kier notwendig sein, einzelne l'eile anders
zu bebandeln, als es bei den alten Beispielen
üblicb war. Wesentlicbe Änderungen gegen die
Anlagen des guten Lürgerbauses der beiden
letzten ^abrbunderte werden aber kaum nötig
sein, wenn man von der damals ost kleinen und
dunklen Lücbe und der gewöbnlicb ganz seblen-
den Ladeeinricbtung absiebt.
Oie künstleriscbe Lebandlung der Bäume
und der Inneneinricbtung kann dagegen in vielen
Dingen sicb die Zdten zum lVluster nebmen.
Icb empfeble damit nicbt etwa eine unfreie
Lacbabmung, aber nacb meiner Überzeugung
ist es bundertmal besser, wenn wir ebrlicb an-
geben, dass wir Lnkel unserer Lrossväter sind,
dass wir so mancbe ^.nsicbten und Leigungen
mit ibnen gemeinsam baben, als wenn wir etwa,
um ja modern zu sein, uns Lunstlormen aus
Lngland, Belgien oder ^apan verscbreiben.
In anderen Ztädten Oeutscblands, vor allem
in lVlüncben, bat man es scbon lange erreicbt,
aus den Lormen des Lürgerbauses der Larock-
und Lokokozeit eine neue, im besten Zinne
moderne Lauweise zu entwickeln.
Warum sollte das im bergiscben Lande nicbt
möglicb sein?

nommen uncl hier möge auch noch ein kerausgegrilkener
Satr aus dem Legleittext von L. Lud. Vogel stehen:
„Dieses typisch deutsche Element voknlicker Lekag-
liehkeit ist es gerade, was uns in clen amerikanischen
Lausern so vertraulich uncl heimatlich anmutet, obwohl
wir es selbst im kauke des vergangenen Jahrhunderts
gänrlick verloren batten und uns nun erst allmählich
wieder darauf besinnen.
Vor lauter künstlich aukgebauschter Lleganr und
blackäkkerei ausgegrabener Stilkormen siebt man den ecllen
Kern nickt mehr, der hinter diesen Stilkormen in den
meisten unserer alten Lauten schlummerte. Vür legten
den V^ert nur auk die /.usserlicbkeit der Sckmuckkorm,
die immer wieder kopiert wurde, obne mit ihr auch den
Gegenstand selbst, die Laumeinricktung in ihrem Viesen
mit ausrugraben und wieder ru beleben. lVlan liess die
alte Lekaglickkett, die in ihm tieker liegend wohnte, im
Dunkel der Lrds Zurück, blun endlich sind wir bei
unserer archäologischen Orabarbeit so tiek eingedrungen,
dass wir auch das Viesen dieser vergangenen Laulick-
keilen ergründet haben und dasselbe wieder ru beleben
ankangen. Der Amerikaner war in der glücklichen Lage,
solche Orabarbeit nickt nötig 2U haben, er konnte direkt
an seinen Kolonialstil anknüpken und sein Vossen weiter
ausbilden, während wir dasselbe Viesen künstlich ver-
schüttet und in den -Vbgrund der Vergessenheit hatten
geraten lassen."

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